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“We
live as we dream - alone. While the dream disappears, the life
continues painfully.”
-Joseph
Conrad: Heart Of Darkness-
Es
mögen sich die Nachrichten häufen, dass der Islamische Staat (IS)
in den letzten Wochen und Monaten so manche Bastion seiner Herrschaft
verloren hat, doch auch wenn seine Herrschaft in absehbarer Zeit
einmal gebrochen werden sollte, so ist ihm doch etwas gelungen, dass
seine reale Existenz um Jahre überdauern wird: Die Erschaffung
kultureller Artefakte, die sich tief in das Gedächtnis der
westlichen Welt eingebrannt haben. Vermummte, in schwarz gekleidete
und bis an die Zähne bewaffnete Männer, die ihre Opfer, einem
Ritual, dessen Sinn wir nicht zu kennen scheinen, folgend,
enthaupten, steinigen, verbrennen und andersartig töten. Menschen,
die antike Städte und deren kulturelle Güter blindlings zerstören
und dem Staub der Wüste gleichmachen. Es mögen die Waffen einst
schweigen, die Bilder werden die Gewalt und all die vergangenen und
noch kommenden Herrschaften überdauern. Denn sie haben ein
immerwährendes, da niemals löschbares, ästhetisches Reich des
audiovisuellen Terrors erschaffen.
Pop-Dschihad,
Gewalt und die Topologie der Narrative
Es
wurde viel über die Videos, die dem Islamischen Staat zugeschrieben
werden, berichtet und analysiert. „Pop-Dschihad“ war und ist
eines der großen Stichwörter.
Andere
wiederum analysierten die Snuff-Videos in einem Akt der
Detailversessenheit und kamen zu Ergebnissen, wie dem, dass die
Rezeption dieser Videos nur deswegen auf solch breiter Basis erfolgt,
da die Videos sich per se genuinen Mustern westlicher Narration und
Bildästhetik bedienten; bis hin zu den Enthauptungen, die, anders
als in den Videos anderer terroristischer Organisationen, niemals als
Ganzes gezeigt würden und deswegen die Rezeption erst ermöglichen
würde, da sich das wirklich brutale im Kopf der RezipientInnen
abspielen würde. Filme wie „The Silent Of The
Lambs“ und „Seven“ lassen grüßen. Die Fiktion wird zur
bluttriefenden Realität, die sich wiederum im fiktionalisierten
Gewand kleidet.
Gemein
ist diesen Darstellungen und Einschätzungen, dass sie alle richtig
sind, zugleich aber auch falsch, da sie sich alle grundsätzlich von
den Signifikanten des Spektakels täuschen lassen und so den wahren
Kern der Videos nicht zu fassen vermögen.
Die
vom IS erstellten und in das globale Kommunikationsnetz eingespeisten
Videos als eine Art Genre unter dem Begriff „Pop Dschihadismus“
zu fassen ist hierbei wohl die erste große Missinterpretation.
Selbstredend sind die, vom IS erschaffenen, Videos kulturelle
Artefakte und durch die breite Rezeption und ihre omnipräsente
Verfügbarkeit im weltweiten Datenstrom sind sie, ohne Zweifel, zum
Teil populärer Kultur geworden. Wohl kaum ein Mensch in der
westlichen Hemisphäre hat nicht den blutigen Kopf eines der Opfer
gesehen oder eines der Bilder, das die Ausführenden irgendwann ins
Internet gestellt haben. So, wie die Bilder des 11. September, so
sind auch die Bilder des IS Ikonen und als Ikonen sind sie in unsrer
Bilderwelt omnipräsent.
Jedoch
ist das Wesen der Videos selbst eher dialektisch. So betreiben sie
zum einen eine markante und beeindruckende Mimesis der Topologie
westlicher Popkultur. Zum anderen aber verfügen die Videos stets
auch über eine Unzahl an Symbolen und Signifikanten, die dezidiert
nicht einem westlichen Kulturkreis zuzuordnen sind und demgemäß von
westlichen RezipientInnen zwar oberflächliche Zuordnung erfahren
können (Schriftzeichen, Gesänge, Sprache usw.), zumeist aber nicht
vollends entziffert werden können. Wer weiß, was die arabischen
Schriftzeichen aussagen, was die gesangs-ähnlichen Passagen zum
Inhalt haben oder was genau die Stirnbanner der KämpferInnen für
Inschriften tragen?
So
sehr diese Details das Gesamtbild bestimmen, sosehr sind sie vielfach
eben nicht Fokus der Narration. Geschweige denn braucht es ein
basales Verständnis dieser, denn vielmehr ist der Akt der
Zerstörung, sei dieser nun gegen menschliches Leben oder kulturelle
Objekte gerichtet, Nukleus der Narration. Er ist Zentrum, Ausgangs-
und Endpunkt. Ein endloser, da symbolischer, Zyklus des Leidens und
der Vernichtung.
Wichtig
erscheint hierbei zuerst folgende Differenzierung zwischen dem bloßen
Akt der Gewalt, wie ihn zum Beispiel eine Straßenschlägerei
darstellen kann, und dem, was hier unter dem Topus des
„terroristischen Akts“ verhandelt werden soll. Es ist dem
terroristischen Akt, wohl als einzigem Akt der Gewalt, zu eigen, dass
er seine mögliche Rezeption vorab plant und als integralen
Bestandteil seines Prozesses begreift. Der terroristische Akt ist
immer ein pervertierter Schöpfungsakt, der aus der Destruktion
seines Handelns neue Bilder erschafft. Der Akt der Gewalt muss
rezeptionsfähige Bilder gebären, die das erschaffene Leid aus der
Dimension des Individuellen herauslösen und sie in das symbolische
Sein überführen.
So,
wie das weiße Blatt den Autor in einen Modus der totalen Offenbarung
zwingt, so sehr zwingt der Akt der Gewalttat die TäterInnen1
in den Akt der symbolischen Determination. So, wie ihr Handeln den
Akt gebiert, so reproduziert der Akt ihr Sein und ihre Ideale selbst.
Gemein
ist hierbei all diesen Akten terroristischer Gewalt, dass sie in
ihrer medialen Inszenierung zu einem performativen Akt geformt
werden, indem die blanke Gewalt mit Signifikanten versehen wird, um
sie dergestalt topologisch zu ordnen und ideologisch zu kodifizieren.
1Hierzu
zählen deswegen gerade auch jene, die den Akt medial inszenieren
und nicht allein die, die den Akt der Gewalt begehen.
Entgrenzung
und mediale Imagination
Gemeinsam
ist den Akten vorrangig ihr Moment der Entgrenzung, wobei Entgrenzung
hierbei im Sinne einer negativen Transgression, einer gezielten
Überschreitung der westlich hegemonialen Konventionen, zu begreifen
ist. Terror ist aber nicht nur allein diese Form der
Grenzüberschreitung der Konvention der Heiligkeit der Körper, sei
es in Form von schweren Akten der Gewalt, bis hin zu extrem
detaillierten Tötungen, sondern gerade deren öffentliche
Präsentation und die, von den TäterInnen gezielt bearbeitete,
Einspeisung der Narration in das weltweite Datennetz.
Nicht
der Terror, in Form der Gewalt gegen die Körper, bildet hierbei den
Nukleus dessen, was wir als entgrenzt erfahren, denn vielmehr dessen
vulgäre Zurschaustellung im kulturellen Artefakte. Die
Ästhetisierung des Leids und dessen symbolische Prostitution, die
den Akt in die Sphäre der endlosen Wiederholbarkeit erhebt. In der
Realität kann der Mensch nur einmal sterben, in der Narration
endlos. Das Leiden und die symbolische Kodierung dieses Leidens
werden somit immer wieder reproduzierbar. Jederzeit an jedem Ort der
Welt. Kostenlos.
Das
Artefakt verwischt hierbei bewusst, in seinem Sein, die Grenzen
zwischen objektiviertem Sein und einer, scheinbar prozesshaften,
Ästhetik des Performativen. Das Artefakt verweist in seinen
Signifikanten immer darauf, Teil einer größeren Gesamtheit zu sein,
ebenso wie in der größeren Gesamtheit jedes einzelne Teil drauf
verweist, dass es einen jeden kleineren Teil als Teil seiner Selbst
begreift. So, wie der Akt, den die Videos in ihren Narrationen
darstellen, nicht ohne die reale Existenz des Islamischen Staats zu
denken ist, so ist der Islamische Staat nicht in seinem Wesen denkbar
ohne die gezeigten Gräuel.
Dergestalt
vernichten die kulturellen Artefakte die Grenze zwischen medialer
Imagination und realem Sein: Die kathartische Hypothese, die davon
ausgeht, dass in den medialen Imagenationen Prozesse stellvertretend
ausgelebt werden können, wird hierbei zur konkreten Androhung des
Subjekts.
Die
Entgrenzung der Gewalt vollzieht sich nicht nur in seiner vulgären
Exploitation gegen die Objekte seines Prozesses selbst, sprich die zu
marternden Menschen; vielmehr verfolgt die Narration als Ziel eine
Drohung auszuformulieren, die die Entgrenzung zwischen medialer
Narration und objektivem Sein des rezipierenden Objekts fokussiert:
Auch du könntest getötet werden!
Die
scheinbare Angst-Lust in der Rezeption von Videos, wie sie nicht
allein der IS verbreitet, ist deswegen keineswegs als sinnlich
motivierte Lust an den Bildern allein, die abseits jeglicher
Vorstellung ihr Sein zu vollziehen scheinen, zu begreifen, denn
vielmehr als Lust an der explizit implizierten Bedrohung des Subjekts
selber. Die Rezeption wird hierbei zum masochistischen Prozess der
eigenen Objektivierung im Rahmen der entgrenzten Ästhetik der
Narration. Auch deswegen gemahnen die Videos so sehr an unsere
populäre Kultur, da sie in ihrem Sein und ihrer Rezeption so sehr an
das erinnern, was Marcus Stiglegger in seinem Essay „Terrorkino“
beschreibt. Stigleggers Seduktions-Theorie, die Film und dessen
Artefakte immer als einen Akt der Verführung des Rezipienten
begreift, lässt sich wohl an keinem medialen Objekt klarer
verdeutlichen, als an den Videos des IS.
Die
symbolische Ordnung des Schlachtens
Es ist
jedoch grundlegend falsch, die kulturellen Artefakte und ihre
Narrative allein und einzig auf ihren Höhepunkt, nämlich den Akt
der entgrenzten Gewalt, zu reduzieren.
Es
gilt sich hierbei bewusst zu werden, dass Medien und populäre Kultur
als Speicher, Reservoir und Verhandlungsort von Konzepten dienen,
wobei Konzepte hier im Sinne von Konstruktionen gefasst werden
müssen, deren Sinn und Gehalt gesamtgesellschaftlich diskursiv
hergestellt wird.
Die
Videos des IS nutzen diesen global zugänglichen Diskursraum, indem
sie ihre Philosophie in Form von Artefakten einspeisen, die wiederum
popkulturelle Montagen darstellen. Der globale Akt des Terrorismus
ist deswegen zuerst und primär immer ein medialer Akt. Die
Bereitstellung der eigenen Narration und die Eröffnung der Option,
überall auf der Welt diese Narrative unzensiert und ohne
Zugangsbeschränkungen zu verbreiten.
Die
TäterInnen affirmieren hierbei die Bilder unmittelbar, da sie direkt
im Modus visueller Bildkulturen operieren. Dies bedeutet wiederum
aber auch, dass die audiovisuellen Narrationen des IS eine
spezifische topologische Ordnung zu entfalten vermögen.
Selbstverständlich im Rahmen der spezifischen Logik der Bilder, wie
sie Mersch am treffendsten in seinem Artikel „Die Logiker der
Bilder“ darlegt. Allen voran die Nicht-Negativität der Bilder, was
nichts anderes heißen soll, als dass Bilder nicht direkt in der Lage
sind zu negieren, da sie das zu Verneinende immer zeigen müssen. Die
Negation muss also über die Narration erfolgen. Beim IS vollzieht
sich diese Negation des Gezeigten immer in der Destruktion des
physikalischen und symbolischen Körpers.
Auffällig
bei fast allen Videos, die dem IS zugeschrieben werden, ist die
formal strenge Ordnung. Sowohl ästhetisch, als auch im Narrativen.
Die Narration dient nur der groben Rahmung des eigentlichen Akts der
Gewalt, der Höhepunkt und Ausgangspunkt zugleich darstellt. Oftmals
wird das Geschehen audiovisuell von melodiös anmutenden „Gesängen“
und andersartigen Symbolen gerahmt und begleitet. Bedeutet jedoch,
dass es keinerlei Verständnis um und für diese verschiedenartigen
Symbole bedarf, da der Akt der Gewalt und die, mit ihm einhergehende,
Zerstörung als universell verständliches Symbol funktionieren. Im
Fokus der Narration stehen immer zwei Figuren(gruppen) und ihre
Beziehung zueinander. Der/Die, die Gewalt Ausführende und das Opfer.
Beide durch ihre Darstellung, allen voran die Kleidung, ihrer
Individualität entrissen und zu Ikonen transformiert. Auf der einen
Seite die, in einen farblichen Overall gewandeten, Opfer, oft mit
verbundenen Augen, auf der anderen Seite die, in schwarz gekleidet,
maskiert und bewaffnet, Ausführenden.
Der
Tod des Opfers nimmt in diesem Ritual die Gestalt einer
mathematischen Lösung an. Selbst der Tod des Opfers verliert dabei
seine Individualität und wird zu einem Moment der topologischen
Ordnung. Er erscheint unabdingbar, durch nichts auf der Welt zu
verhindern. Er ist logische Konsequenz, Vorhersehung und Schicksal
zugleich. Wo die Folter, Jean Amery folgend, immer eine Anerkennung
des Anderen, im politischen Sinne implementiert, da negiert der
Islamische Staat diese Anerkennung seiner Opfer. Die Opfer sind keine
Menschen, sie sind Symbole und als Symbole finden sie Vernichtung.
Der
Wille zur totalen Vernichtung des Abstrakten
Carl
Schmitt folgend, geht mit dem Willen der totalen physischen
Vernichtung der Zwang zur vollständigen moralischen Vernichtung
einher. Das Opfer muss nicht als Mensch den Tod erfahren, denn
vielmehr als Symbol für die totale moralische Vernichtung dienen,
die das Video als Artefakt in den medialen Kurs einspeisen kann. Die
Imagination der Anderen muss hierbei zwangsläufig dergestalt kodiert
werden, dass die Anderen in ihrer Gesamtheit als VerbrecherInnen und
Unmenschen deklariert und deklassiert werden. Auch so und gerade so
können die eigenen Exzesse und die eigene Entgrenzung Rechtfertigung
und Absolution erfahren. Es ist dies der Grund, warum in den Videos
so konsequent von der Gruppe der Ungläubigen fantasiert wird.
Der
vom IS ausformulierte Islamismus ist in diesem Sinne eine absolute
Feindschaft, die letztendlich der abstrakten und totalen Vernichtung
von Ideen trachtet und weniger der Vernichtung eines konkret
materiellen Feindes.
Die
mediale Narration generiert dergestalt eine Ordnung, die die
religiösen Fragmente nur indirekt zur Rechtfertigung des eigenen
Handelns anführt, denn vielmehr zur Argumentation und Konstruktion
einer absoluten Feindschaft dient.
Das
diese absolute Feindschaft in der exzessiven und drastisch
bebilderten Schlachtung der Körper ihre ästhetische Form findet,
ist dergestalt logisch, ist doch die Verletzung Heiligkeit der
Körper, deren Unversehrtheit und die, an den Körper gekoppelte,
Individualität der Existenz eines jeden Menschen eines der großen
Tabus westlicher Gesellschaft.
Eben
deswegen müssen die Videos, die die Tötung von Menschen und die,
die die Zerstörung von kulturellen Artefakten, in Form konkret
physischer Objekte, wie zum Beispiel die Stadt al-Hadra, oder andere
Stätten, als eine Einheit definiert werden. Es ist erklärtes Ziel
beider nicht den Menschen als Subjekt und Individuum zu eliminieren,
denn die übergeordnete Ordnung, als dessen Symbole und
RepräsentantInnen die Körper und Objekte symbolisch dienen.
Der
Partisan und die Ordnung des Raumes
Es
vermag deswegen auch nicht weiter zu verwundern, dass einer Figur in
den Videos immer eine zentrale Position zukommt: Dem maskierten
Ausführenden. Nicht nur ist er/sie direkt Subjekt des Handelns,
sondern vielmehr ästhetisierte Ikone. Durch Gewandung seiner/ihrer
Individualität entrissen und durch das schwarz auf nichts weiter als
auf die Waffe und andere, weniger scheinbare und religiös
konnotierte Symbole, wie Stirnband und Co., reduziert, verweist
er/sie darauf, dass er seine Identität und Individualität
aufgegeben hat, um Teil des Kollektivs zu werden, dass uns optisch
durch gleichgeartete Symbole präsentiert wird. So, wie die Videos in
makrokosmischer Dimension darauf verweisen, dass sie Teil einer
größeren ideologischen Ordnung sind, so verweist der Ausführende,
als Symbol, darauf, dass er Teil einer symbolischen Ordnung ist und
nicht deren herausragender Repräsentant. Die Ausführenden sind
keine RevolutionärInnen. Keine Ernesto Guevaras und keine Maos. Sie
sind Partisanen. Arbeiter, im Sinne Ernst Jüngers, für eine zu
erschaffende Ordnung und Industriepartisanen im Sinne von Carl
Schmitt. Sie sind Kodizies für die Wiederkehr des konkret
Politischen. Sie definieren, strukturieren und hierarchisieren durch
ihr konkretes Handeln einen realen und einen medial-virtuellen Raum
zugleich. Vorwiegend dadurch, dass sie in diesen Räumen sowohl real,
als auch virtuell, die Symbole eliminieren, die für eine abstrakte
Ordnung des Raums durch Ideale stehen, die ihren eigenen Idealen
widersprechen.
Obwohl
dieser Raum nicht identisch mit Ordnungen, wie der Nation, dem
Stammesgebiet, der Region, oder der abstrakten überregionalen
politischen Vereinigung ist, so entfaltet er doch seine Logik, deren
Spezifika am ehesten mit Carl Schmitts Idee von der Einheit von
Ordnung und Ortung zu greifen sind. Die Videos sind gerade deswegen
immer in einem klar sichtbaren und grob geographisch verortbaren
Setting arrangiert, weil sie dergestalt so an einen konkreten
geographischen Ort gemahnen: Das Territorium des Islamischen Staats.
Im
Gegensatz zu anderen Regimen, die ihre Taten der entgrenzten Gewalt
oftmals in Gebieten vollzogen, die nicht mehr direkt, oder nur
peripher, dem Gebiet ihrer Hoheit zugeschrieben werden konnten, so
vollzieht der Islamische Staat seine Taten im Herzen seines
Hoheitsgebiets. Die gewalttätige Entgrenzung gegen die imaginierte
Masse der Anderen wird dergestalt zum integralen Bestandteil der
eigenen Ordnung und verweist so auch auf eine Einheit von Ortung und
Ordnung. Nur im beherrschten und eigenhändig geordneten Bereich
können die Anderen endgültig Vernichtung erfahren. Der Partisan ist
VollstreckerIn dieser Einheit von Ortung und Ordnung und zugleich in
seiner, scheinbar massenhaften Existenz, deren AnhängerIn,
RepräsentantIn und GönnerIn. Die perverse Blume, verwurzelt in der
Ästhetik des Terrors.
Er ist
symbolische Ikone, als auch konkreter Exekutor zugleich! Sein
Individuum und das, an den Individuen verursachte, Leid ist
dergestalt immer nur Teil im Prozess einer Ästhetik des
Performativen, deren Ziel die reale, als auch multimediale,
topologische Neuordnung und ideologische Hierarchisierung des
symbolischen Diskursraums ist.
Vulgäre
Anerkennung
Nach
Max Weber bedarf die Anerkennung einer existierenden Ordnung immer
die Anerkennung der Ordnung derjenigen, an die sie sich richtet. Die
Anerkennung des Islamischen Staats vollzieht sich hierbei in einem
dualistischen Prozess, dessen Bezug durchaus als dialektisch
beschrieben werden kann: Auf der einen Seite dieses Prozesses finden
sich die direkt Regierten, die einem konkreten geographischen Zugriff
unterliegen. Auf der anderen Seite diejenigen, deren Anerkennung
abstrakt, in Bezug auf die Anerkennung der ausformulierten Ideologie
und Topologie, zu erfolgen hat.
Die
produzierten kulturellen Artefakte fordern dergestalt in einer
primitiv vulgären Form immer auch die Anerkennung der Anderen, denen
in den Artefakten immer die Vernichtung angedroht wird.
Der
Wunsch und die Forderung nach Anerkennung ist deswegen immer eine des
sich stärker Generierenden, der die Hierarchie und Ordnung über die
bloße Fähigkeit zur steten und immer wiederkehrenden Fähigkeit der
Entgrenzung des eigenen Seins organisiert.
Gerade
deswegen lässt sich der Islamische Staat auch in realer Konsequenz
nicht nur rein argumentativ bekämpfen, sondern muss immer
zwangsläufig militärisch im konkret realen Raum konfrontiert
werden.
So,
wie die Videos über ihre Entgrenzung eine Topologie des Terrors
ausformulieren und ästhetisieren, deren Ziel die Hierarchisierung
der Anderen, über die stete Drohung der Vernichtung ist, so sehr
muss sich bewusst gemacht werden, dass diese kulturellen Artefakte
immer auf ein reales Sein Bezug nehmen. Ein Sein, indem diese Ordnung
der Entgrenzung eine geographische Ortung strukturiert und
beherrscht. Die Opfer sind Symbole, jedoch immer auch Menschen, die
dem Willen zur totalen Vernichtung anheimgefallen sind. Ein Toter mag
eine gewisse ästhetische und symbolische Topologie be- und
ergründen, am Ende bleibt er/sie aber ein Individuum, dass auf
grausame Weise dem Leben entrissen wurde. Die topologische Ordnung
der Ästhetik des Terrors formt die Leidenden und ihre Pein zu
Symbolen, um sie als Argumente in den globalen Diskursraum
einzuspeisen. Eine Analyse, wie die hier vorliegende, kann dies
analysieren. Es obliegt aber uns allen stets daran zu denken und zu
gemahnen, dass eben diese Individuen mehr sind als bloße Symbole.
Sie sind Menschen. Eine Ästhetik des Terrors kann nicht mit einer
„Ästhetik der Menschlichkeit“ entgegengewirkt werden, da es
diese Ästhetik nicht geben kann. Menschlichkeit ist konkret, da sie
konkrete Subjekte kennt. Der Terror kennt diese Subjekte nicht. Er
kann und will sie nicht kennen.
Eine
Analyse der Videos allein wird und kann diese topologische Ordnung
nur analysieren, nicht aber ändern. Dies kann nur die konsequente
und letztendlich auch bewaffnete Konfrontation. Es ist eben dies das
große Paradox, dass der entgrenzten Gewalt mit Gewalt begegnet
werden muss. Auch und mit Unterstützung von Ländern, die ihre
eigene Ordnung auf der Begrenzung von Gewalt konstituieren. Die
Heiligkeit der Körper kann nur durch den unheiligen Akt der Opferung
dieser verteidigt werden.
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„Du bist
schön und jung und starkNimm
dir was du willstNimm
dir was du willstSolang
du nur noch kannstVerschwende
deine Jugend“-D.A.F. /
Verschwende deine Jugend-
„Floschnpfand“, „Fuaßboiplatz“,
„Notstandshüfe“, oder eben „Arbeitlos“. Wer sich derzeitig
in Österreich mit aktuellen Bands und KünstlerInnen beschäftigt,
der wird neben den obligatorischen „Chart-Stars“, wie
„Bilderbuch“, „Wanda“, „Nazar“ und den „Makemakes“,
an einer Formation nicht vorbeikommen: „Turbobier“1.
Die Jungs Doci Doppler, Fredi Füzpappn, Baz
Promüü und der umtriebige Marco Pogo sorgen nicht nur allein wegen
ihrer Namen für Knoten in den Zungen ihrer „hoch“deutschsprachigen
Fans, sondern begeistern mit ihren Videos zehntausende
ZuschauerInnen. Und auch im realen Leben spielt sich die Formation
seit geraumer Zeit von einer ausverkauften Location zur Anderen. Den
vorläufigen Höhepunkt im Universum „Turbobier“ bildet aber mit
Sicherheit das seit dieser Woche erhältliche Album „Irokesentango“.
Doch was steckt hinter den vier, scheinbar
immer volltrunkenen, Herrn und ihrem künstlerischen Output?
In
der moralischen Entrüstung schwingt auch immer die Besorgnis mit,
vielleicht etwas versäumt zu haben.
-Jean
Genet-
Der naheliegende Versuch „Turbobier“ als
dreckige Stiefgeschwister eben dieser Bands, wie den oben erwähnten
„Wanda“ und „Bilderbuch“, zu begreifen ist allein deswegen
zum Scheitern verurteilt, da es „Turbobier“ nicht eben nur um die
Musik allein geht; denn diese dreht sich Punk/Oi-typisch
vordergründig erst einmal um Bier, staatliche Zwangsmaßnahmen zur
Wiedereingliederung und Fußball und ist damit, bis auf die
Vortragsweise in Wiener Mundart nicht unfassbar innovativ, sondern
besticht mehr durch das variantenreiche Spiel mit den genretypischen
Klischeefacetten.
Was „Turbobier“ aus der Menge herausragen
lässt, ist ihre Verquickung von Musik, Theater, Videokunst und der
medialen Präsentation dieses Gemisches über die verschiedensten
Netzwerke der digitalen Welt und den Bühnen des deutschsprachigen
Raumes.
Es ist deswegen nicht nur der Versuch falsch
„Turbobier“ mit anderen Bands zu vergleichen, denn vielmehr
grundlegend die Klassifizierung von „Turbobier“ als Band
überhaupt. Der Versuch all die dargelegten Bereich der Tätigkeit zu
subsumieren weckt deswegen bewusst auch eher Assoziationen zu anderen
Künstlerkollektiven, wie „Laibach“ oder auch „Crass“, denn
zu Bands, wie „Kraftclub“ oder eben „Wanda“ - „Turbobier“
ein anarchistisches Gesamtkunstwerk!
Gewichtig wird diese Erweiterung des Fokus in
Anbetracht eines Zitats von Christoph Schlingensief:
„Das ist
eben das große Pro von Theater, von Fiktion: dass es sich Dinge
erlauben kann, zum Beispiel auf der Bühne jemanden zu töten oder
seinen Kopf zu fordern – ohne Konsequenzen. Ich war immer ein
Gegner von diesem blöden griechischen Theater, aber, auch hier
wieder: Je älter ich werde, desto mehr finde ich es toll, von
Katharsis zu reden.“2
Und weiter, den Effekt der Katharsis auf das
Individuum begreifend:
„Wenn
ich eine gute Theaterinszenierung anschaue, genauso wie einen guten
Film, dann denke ich inzwischen tatsächlich manchmal: Wie gut, dass
der den umgebracht hat, dann brauch ich´s nicht mehr zu machen.“3
Es ist deswegen auch der Moment des Exzesses
und dessen theatralische Darstellung die „Turbobier“ von anderen
Bands aus dem Bereich des Oi- und Punkrock differenziert.
„Turbobier“ ist per se die proletoide
Version von Herman Nitschs „Orgien Mysterien Theater“, was aber
keinesfalls als Abwertung zu verstehen ist, denn vielmehr als großes
Kompliment. Wo Nitsch über Bedeutungslosigkeit mit
mythengeschwängerten Bildern hinwegtäuscht, da generieren
„Turbobier“ aus den scheinbar bedeutungslosen Bildern und
Aktionen neue Mythen des Seins.
Kommen wir deswegen zurück zu geistigen
Steinbrüchen der Band: Das Fundament des Oi bildet vielfach die
Konstitution eines, wie auch immer gearteten, Gefühls als
„Working-Class“. Über die imaginierte Schichtzugehörigkeit,
deren Sedimentierung und die „Lobgesänge“ wird Gemeinschaft
generiert und erhalten. Punk ist, oberflächlich geschrieben, zwar
ideologisch ausdifferenzierter, verweist aber in seiner Musik im Jahr
2015 in den wenigsten Fälle auf das einstige Motto „No Future“
und verweigert sich damit einer radikalen Ablehnung und Apathie
gegenüber dem gesellschaftlichen Fortbestand. „Turbobier“
hingegen wählen als künstlerischen Ausgangspunkt einen stark
existenzialistischen Fokus, der das Individuum und dessen aus der
Essenz zu schaffende Existenz als primären Zirkulationspunkt wählt.
„Turbobier“ gehen hierbei bewusst weiter.
Weiter, als DAF es noch in den 80er taten, als sie ihre HöhrerInnen
dazu aufforderten, ihre Jugend zu verschwenden. Bei „Turbobier“
wird das Verschwenden zum primären Moment der Existenz erweitert:
Verschwende dich selbst!
Die Verschwendung und damit grundlegend der
Moment des Exzesses werden jedoch einer positiven Umdeutung
unterzogen: Der Moment des selbstzerstörerischen wird zum
hedonistischen Nihilismus.
„Turbobier“ feiern nicht die Option eines
richtigen Lebens im Falschen, oder eben die Illusion, dass die
kapitalistische Ordnung der Körper eine Inszenierung des Selbst im
Korsett der Norm belohnen könnte. „Turbobier“ feiern vielmehr,
wenn auch unter einer Schicht von Humor und Sarkasmus verborgen, die
Option der bedingungslosen Selbstauflösung des Ichs im
masochistischen Rausch als letzten wirklich selbstbestimmten Moment,
in einer gesellschaftlichen Ordnung, deren Wesen die Zerstörung des
Individuums zwecks sinnentleerter Mehrwertproduktion feiert.
Der „Drangler“ ist deswegen keine
„No-Future“ Ikone, denn vielmehr die mythische Ikone, die ihr
Sein in gesellschaftlicher Isolation und selbstauferlegter Marter
fristet, um, ganz im Sinne Batilles, wirkliche Transzendenz und
Individualität erleben zu können. Der „Drangler“ als Märtyrer
und die „Hüsn“ als Relikt und Reliquie des kathartischen Aktes
den „Turbobier“ in ihrem Theater aufführen, in ihren Liedern
besingen und in ihren Facebookposts kreieren. Die, allein und gerade
wegen ihres Strebens nach Freiheit und dem Aufzeigen gesellschaftlich
hegemonial getarnter Lügenmärchen, positive Antithese zu den
Heilsversprechen des glücklichen Menschen in der „Sozialen
Marktwirtschaft“.
Alkoholismus ist bei „Turbobier“ deswegen
immer als ein sinnlicher Akt zu begreifen, der seinen Vollzug in
einer Umgebung erfährt, die ihre Sinnlichkeit und Lust längst in
den vollends entleerten Pornos und übersexualisierten Medienformaten
aller Art verloren hat. Das Bier ist auch deswegen Fetisch, gerade
eben auch in sexueller Natur, weil es eine direkte Sinnlichkeit im
Sinne des bloßen Seins verspricht. Das Bier und der Rausch nehmen
der Essenz ihre Existenz. Der Rausch wird zum Akt der Zerstörung der
Konventionen, das Bier zum Zeremonienmeister, dem „Turbobier“
selbst zudem in einer theoretisch abstrakten Form in ihrem „Format“
der „Bierpartei (BPÖ)“ huldigen.
Die positiven Gesänge über den Rausch, die
Suche nach einem offenen Beisl in der Nacht, oder dem Flaschenpfand
können und müssen deswegen als lyrische Figuren und Kompositionen
verstanden werden, die in ihrem Wesen fast unausweichlich an die
lyrischen Bilder Jean Genets gemahnen. Wo Genet Matrosen und Mörder
besingt, da sind es bei „Turbobier“ die „Drangler“ und sozial
Ausgegrenzten.
Ganz im Sinne Batilles verweist der scheinbar
dystopische Akt der Selbstauflösung und Zerstörung immer auf den
Moment der Transzendenz, indem die Dystopie in die Utopie kippt und
letztendlich bei „Turbobier“ nicht mehr und nicht weniger ist als
die völlige Befreiung des Individuums aus den Zwängen des
gesellschaftlichen Seins, allen voran die sinnlose Ausbeutung des
Selbst für eine Ordnung, die niemals ihre Versprechen eingehalten
hat. Die Kunst von „Turbobier“ ist allein deswegen Katharsis, da
sie uns einen existenziellen und dystopischen Weg in die Utopie
gemahnt. Zugleich aber auch auf das kreative, humorige und gewaltige
Potential aller Menschen verweist, die
ihren Frust ziellos sublimieren: Arbeitslos
durch die Nacht, dass heißt auch frei durch die Nacht! Prost!
Before reading the following interview feel free to check out Opiumdenpluto to listen to the music of Hiroshimabend for free.
A translation will be ready in a week or two. So stay tuned!
Abseitiges:
Michael, first, let me say thank you for your
interest in this interview. Surely, it is a premiere both for you and
for “abseitiges”.
You are producing under the name of “puppy38”,
however, without a doubt, your dominant musical output is
“Hiroshimabend”. Before we dedicate ourselves to this cryptic
name, I have other questions:
On
your website, you are asking your listeners to burn your music on
CDs, and to distribute it! What does this kind of marketing mean to
you and why did you not decide on a traditional form
of label distribution?
Hiroshimabend:
In
1998, after composing and recording my own self-produced works for
over a year, I was made aware of MP3 technology through a good friend
telling me about Napster. In that instance I understood the
traditional record business model to be effectively over. Here was a
technology that could make music almost instantly accessible to
anyone in the world having access to the internet. To me this meant
that even if hiroshimabend got a record deal, only one CD had to be
sold, converted to MP3, put on a file sharing service, and at that
point, for all intents and purposes, nobody would have to buy another
copy of the CD. So I figured it would take the industry a while to
catch up and decided to learn how to build my own website, where the
music would available to download for free in lossless MP3 format.
At live shows and on my website (www.opiumdenpluto.com)
I have been selling limited edition USB flash drives called “23-8-1”
which is basically my entire discography (including all sleeve
designs) excluding newer material. I ask for (but do not require)
donations for downloads of my music via opiumdenpluto. This has
generated some income, but the exposure this has generated, not only
for the music, has been sufficient enough to get me on the bill
opening for several well-known acts, plus a lot of solo shows. It
has also helped draw attention to my production work, so I have had
the opportunity to produce and remaster releases by other bands, some
of which, ironically enough, are on independent labels, such as
Klanggalerie.
Abseitiges:
Positively
speaking, the music of “Hiroshimabend” is not only cryptic, but
also hypnotically closed. Once, I did compare the listening
experience to the swimming in a milky lake
out of jet-black ink. Why did you chose this taciturnity and
labyrinthine structure? Do you want to emphasise a general refusal of
pop, or do we have to deal with an aesthetic or even ideological
decision?
Hiroshimabend:
I
cannot tell you how much I enjoyed that description of my music. I
cannot tell you how many times I have been listening to one of my
pieces during post-production that I have practically “tranced out”
and almost forgotten what I was doing. It can really take you away
from wherever your mind is and put you in a different, hopefully more
special place. More than one person has described it as very
hypnotic. I
never consciously decided to do something so out of the ordinary or
“taciturn” as you describe. It is just something that happened
naturally. I come from a background of having listened to music from
so many varying genres that I have always had one ideal, which is to
create something that didn’t sound like anything I had heard
before, something that was my own, yet at the same time could give
the listener the same feeling a lot of music gave me when I was
younger. The complex simplicity of true art is that it should engage
the viewer/listener on their level. They make up the stories in
their mind as to what the music means. Of course there are sometimes
subtle guides along the way; it could be a sample from a movie, or
the title of the piece (albeit often in the form of an undecipherable
acronym), or even the sleeve design. The point is to make something
where the listener is not being told what to think or how to feel.
It’s totally up to them.
Abseitiges:
But
still, your music creates certain associations. Personally speaking,
I had been often reminded of “Muslimgauze”, partly of Job Karma,
and additionally, of diverse noise and former industrial bands, such
as Throbbing Gristle, or Psychic TV. If I am not mistaken, there are
photographs depicting you visiting Herman Nitsch. Please excuse this
brief excursus, but pictures by Nitsch, which somehow always
oscillate with beastly rawness and tenderly exposure to colour, are,
in my opinion, partly pictorialized sequels of your music. Where does
your inspiration come from? Are there any musicians, bands, or
inspirations from the field of art or literature influencing your
work? Are there any musicians who you want to strongly recommend to
our readers from abseitiges?
Hiroshimabend:
First
I will answer something with regards to Nitsch. My wife told me
about him when she planned for us to go to the “Pentecost-Feast”
at his estate. I had never even heard of him, so I did a little
research and found a connection to Coil. Upon seeing his stacks of
canvas and massive body of work I envisioned finding a way to contact
him about using some of the photographs I took for a future sleeve
design. While I was there I recorded some audio from a video that
was playing and plan on fitting samples from it into a piece I am
working on for later release. I could completely relate to the
subject matter as well as the method of creation he used and was
inspired a good deal by the experience. With regards to inspiration,
it was actually Muslimgauze that inspired me to take the music of
hiroshimabend into longer formats. When I first listened to “Gulf
Between Us” by Muslimgauze I had such incredible sensations. It
was like a full meal with coffee, dessert, sex and a cigarette
afterwards. As a listener I could not have asked for more. I
realized that while some of my pieces at that point were shorter, to
tell a whole story and allow the listener to really sit back and
become immersed in the sounds would require a longer track.
Uninhibited and unconstrained with regards to the length of the
tracks became my modus operandi. This allowed me to really get into
the environment of the soundscapes I was creating and explore the
ideas more fully without having to edit them as much just for the
sake of making something quick and easily digestible. I would have
to say as far as other artists/musicians/writers that have in many
ways shaped my own music, the list is long. I mentioned Coil
earlier, and was once flattered that my friend Joe Lifto, who I was
giving a preview of a track I was working on (assuming he knew it was
mine), asked if it was a new Coil release. Certainly I have to also
include ambient/instrumental pieces by artists like Cindytalk,
Throbbing Gristle, Chris & Cosey, Einsturzende Neubauten, Skinny
Puppy, Nurse With Wound, David Sylvian, This Mortal Coil, Maeror Tri,
Troum, Job Karma, Cabaret Voltaire, and Voices of Kwahn. Two
instrumentalists, Mick Karn (fretless bass) and Dwayne Rudolph
Goettel (synthesist) have had a great deal of influence on me for
over half of my life. I have also taken a lot of inspiration from
producers such as Martin Hannett (my biggest influence and a spirit I
try to channel during production and post-production) and Dave “Rave”
Ogilvie. Authors Clive Barker, Anne Rice, Neil Gaiman, Phillip K.
Dick, and Arthur C. Clarke have inspired many of my creative means.
The hiroshimabend piece “Mspais” is actually a musical
interpretation of the emotional scale I went through when reading
“Imajica” by Clive Barker. Artistically I am inspired by my wife
Katja Svejkovsky (approaching her about using some of her artwork for
sleeve designs was pretty much how we met). I am also a big fan of:
the graphic design work of Peter Saville, illustrators John J. Muth
(who interestingly enough also composed a flexi-disc of ambient
sounds for a comic book series he worked on) and Pierre Clement,
paintings by Dali, Miro, Rothko, Henri Fantin LaTour, Bosch, Mondrian
(to name but a few), and architect Frank Lloyd Wright. I can easily
say that without influences from these and many more creators I would
not be here talking with you today.
Abseitiges:
Now, we are coming to the question that surely
the majority of our readers is interested in: „Hiroshimabend“?
What does this actually mean? Did you deliberately chose this name,
since it possesses so much associative potential that ranges from the
German romanticism to the technical revolution and the atomic
fallout? Or are we additionally confronted with personal levels of
meaning at this point?
Hiroshimabend:
I
have always been fascinated with wordplay and double-meanings. I saw
a documentary about Trinity and the scientists developing the atomic
bomb at Los Alamos, New Mexico that featured Hans Bethe and many
more. I then did a little research on current-day Hiroshima, and
very little remains to show how decimated the city was. I couldn’t
help but reflect sadly upon the fact that despite it now being a
beautiful city (which I hope to visit one day), just the mention of
the name conjures up such horrifying imagery. I had just began
composing and recording my first E.P. “Beta1” and the sounds
were simultaneously dark and droning with hints and glimmers of hope.
One late evening during a session I was taking a break from
recording and noticed that despite the solitude of the studio and
darkness of what I was creating, the place I was in mentally was
really exciting and energising. I remembered an aerial photo of
Hiroshima focused on the Ōta River and the name just occurred to
me…hiroshimabend…a beautiful bend of the river situated so close
to a city whose name evokes dreadful imagery.
Abseitiges:
In
your performances, visual elements, mostly in form of video players
have been prominent, which, according to my opinion, repeatedly
formed a surprising symbiosis. Still, as far as the visual dimension
is concerned, you are denying the concrete, remaining in the
abstract. Which status does this visualisation hold for you? Do you
think that “Hiroshimabend” is a project that is more successful
in this multimedia space than alone, at home, in front of the own
sound system?
Hiroshimabend:
I
have been a graphic designer since my early teen years and later
worked as a Production Assistant and Producer at an advertising
agency in the U.S. The visual element has always been important to
me, but only in the last few years have I acquired access to the
tools to make deeper ideas come to fruition. This has enabled me to
recreate the realms I envision when I am composing and recording. I
have not yet fully realised these realms for any sort of full-on
audio/visual spectacle outside of the visuals I have produced for
live performances, but I do have plans for several pieces including a
potential feature-length production that will have absolutely no
dialogue other than what is implied by the soundtrack and score. One
project I am rather proud of is probably my least accessible due to
its very nature. It is a version of Pasolini’s “Salò: or the
120 Days of Sodom” in which the score and dialogue were completely
removed. I then inserted my own composition called “The Morning
Julia Regiment” which has elements and sound samples from the film
that I synchronised within the movie. Due to the fact that the
dialogue is not in the finished piece, I burned in the subtitles.
While the movie itself is very difficult to watch, it is an
exploration of a truly immersive experience. You hear the music,
read the dialogue, and in certain moments (the click of a gun hammer
or a group of people singing) things run in tandem to each other.
Since it has been almost impossible to arrange a performance where I
perform the music while the film is being played, I recently began
work on a similar, yet more accessible project. I cannot fully
disclose the basis of the project here but I can give you a hint: it
is tentatively titled “IYCSWISWYE.”
Abseitiges:
However,
are there any plans from your side to publicly present such
adaptations?
I know that you have been performing in Vienna various times before
and that you are soon organizing your own event, which I will address
later, for the first time in this city. Until now, what are your
experiences with the Viennese audience? How did you experience your
gigs so far? Is abstract, electronic music suitable for a city like
Vienna, which seems to be completely fallen out of time?
Hiroshimabend:
Since
attending a show recently by Christian Fennesz at Grelle Forelle Club
here in Vienna, I have planned to discuss a performance of the above
mentioned audio/visual piece there. It is, in my estimation,
probably the best suited venue for such a performance. I was
recently discussing the state of the scene here in Vienna with Manuel
Knapp and we both agree that the city is ripe and ready for a
renaissance in live abstract electronics and experimental sound
sculpture. Everything is there; plenty of artists working in the
medium, and certainly interest in the music once people are exposed
to it, but I think it will take a more collaborative spirit to really
make that happen. Visual artists could easily tap into the well of
sound designers to use for performing at gallery openings or using
long sound loops of experimental music at exhibits. Maybe
independent film makers could have a hand in things if they used
artists in the field to compose soundtracks or film scores. As far
as my experiences with Viennese audiences at live shows, the
reception has been overwhelmingly positive at places like Club Rhiz,
Xi-Bar, Fluc, and Down Under. In the states it was much harder to
even get shows at more than an independent coffee shop or maybe an
“alternative” dance club just due to the nature of being in such
a niche genre as what I like to call “Ambient/Avant-Noise,” so
being here has increased my visibility several times over. The
trouble is getting people out of their homes and away from their
televisions, computers and playstations. I opened (as a D.J.) for
Factory Records legends Section 25 in December of 2013 at Fluc and
barely 20 people showed up. This instance stuck with me and inspired
me to create Up Your Jam (which I understand we will discuss later)
with the intention of changing this dynamic and shaking the scene up
a bit not only locally here in Vienna, but on a global scale.
Abseitiges:
Let
us briefly focus on the multimedia aspect of your project. Are you
planning to break open the space of frontal acoustic
irradiation?
To be more precise, are 5.1, 6.1, etc. systems
and sound systems
an option for you, which you can use as elaboration for your musical
expression?
Hiroshimabend:
Definitely!
In fact, all of my recordings are currently archived in a format
that will allow me to easily go back and remaster them in 5.1 DVD-A
(5.1 Surround Sound DVD Audio). I sold everything I had in my studio
(except for my primary studio system and a laptop) prior to moving to
Vienna about a year and a half ago. As soon as I have replaced the
audio interface that was damaged beyond repair in the move with a
more suitable one than the one that’s on the motherboard of my main
studio desktop I am currently stuck using, I plan on getting to work
on the first of the series to be remastered in the DVD-A format. My
only hope is that I can actually get some sort of distribution deal
with an independent label since it is a growing market and actually
one of the few with consistent growth, especially to audiophiles. I
think the music of hiroshimabend is best suited to this format as it
completes the circle of immersiveness the sounds barely intonate in
standard stereo format. I have also been reading up on 22.2 surround
sound systems used in Ultra HD for further possibilities down the
line.
Abseitiges:
What
type of software and hardware are your currently working with, and do
you have any kind of dream-setup?
Hiroshimabend:
As
mentioned previously, my current studio setup is quite scaled down
from what I worked with in the states. I use a laptop running
Propellerhead Reason and Native Instruments Traktor, an Ensoniq ASR-X
Sampler/Resampler, and my main studio system is running Cakewalk
Sonar Producer Edition with tons of plug-ins, soft-synths and FX,
including all of the software for mastering in 5.1 for surround sound
DVD-Audio. For video production/editing I use Adobe Production
Premium CS 6. All registered versions in case anyone is wondering.
My dream setup sounds ominous but is well thought out, covering not
only my own personal needs (some of which will be replacing gear I
previously owned*) for recording/production/mastering, but should
also be more than adequate when the time comes to build a world class
studio for other artists to record in, so I will break it down into
those two groups:
Instruments: Ensoniq ASR-X & ASR-X PRO Sampler/Resampler
(at least two)* Roland
SP 808 Sampling Workstation (with dual d-beam controllers…similar
to a theremin)*Korg Radias Synth* Six and Four String fretless basses* A decent electric guitar* Line
6 X3PRO FX unit (dual channel version)*Roland VS-2480DVD (primarily for live shows)* Korg MR-1 Mobile Recorder (for high quality
field recordings)* Korg MR-1000 Mobile Recorder (for even better
high quality field recordings) Studio: 8
Focusrite ISA-430-MKII Producer Pack Channel Stripsplugged into 8
Korg MR-200S dual channel recorders (5.6 MHz/1-bit satellite
broadcast quality recording)plugged into One or two RME Fireface 800 Audio Interfaces plugged into a really kick-ass Desktop with so
much power that it’s ridiculous. As many ART M3 Microphones as I can get my
hands on (used to own one of these as well) along with proper
equipment such as Mic Shields suitable for capturing surround sound
recordings Several more Line 6 X3PRO units Enough Pro Audio speakers and reference
monitors to warrant living far outside the city Maybe a fire extinguisher or two
Abseitiges:
For
the first time, you are planning your own event this Saturday where
you will give a live performance. What kind of format will it be and
what can we expect from this evening?
Hiroshimabend:
The
event is called “Up Your Jam presents ‘TASTE’” and will focus
primarily on underground/experimental/noise styles. We are actually
expecting a pretty good turnout, not only at the venue, but also a
global online audience since we will be streaming the event live
(audio and video via webcam) on Up Your Jam, the website business I
mentioned earlier. We are almost finished with the testing phase of
the site and preparing soon for a “soft launch” that will enable
viewers to log in and check out shows from all over the world. The
hiroshimabend performance will debut a new piece I am currently
working on and expect to have finished rehearsing and ready to
perform by showtime around 9:00 p.m. Vienna time. After that will be
Burkhard Stangl (10:00), then Manuel Knapp (11:00) who are both
affiliated with klingt.org. Just a small taste of the scene here in
Vienna, and depending on how things go, it may become a fairly
regular event, so if you, the reader are interested, stay tuned to
www.upyourjam.com
and www.facebook.com/upyourjam
for more.
Abseitiges:
At
this point, I only have to say to our readers: Go visit the concert!
All links are listed below, and to you, Michael, let me say thank you
for this great interview!
Hiroshimabend:
Thank you for an outstanding series of
questions. It has been a joy to shed a little insight into the world
of hiroshimabend and opiumdenpluto.
"Untersuchung über den Stellenwert von Homosexualität, Faschismus und dem männlichenIndividuum im Werk der Band „Death in June“ unter besonderer Betrachtungdes Art-Works und der medialen Inszenierung“
Da ich
in meinem Leben wahrscheinlich nicht mehr die große Lust verspüren
werde, mich nochmal mit Death In June, Neofolk, schwulen Nazis, der Apokalypse und
Dergleichen auseinanderzusetzen, stelle ich hier meine Arbeit dazu
als Fragment kostenlos zur Verfügung.
Den kompletten Artikel gibt es hier zum kostenlosen Download: KLICK
Enjoy!
Es sei
mir jedoch eine Anmerkung noch erlaubt.
Ich
erachte für kommende Forschungen eine basale Trennung für
unabdingbar. Die zwischen Apokalyptic-Folk und Neofolk!
Zum
Apokalyptic-Folk rechne ich alle Bands aus dem „World Serpent
Distribution“ Umfeld. Apokalyptic-Folk ist für mich primär ein
Post-Punk-Phänomen, dessen geographische Lokalisierung in den
Anfangsjahren eindeutig auf England liegt.
Neofolk
ist, m.M.n., primär als eine dominant (ost)deutsche Interpretation
der Elemente des Apokalytptic-Folk zu werten, indem dessen Motive mit
Motiven der deutschen Romantik, heidnischen Religionsfragmenten und
zum Teil völkischen Ideologiefragmenten verschmilzen.
„Death
In June“ in dieser Bipolarität zu begreifen fällt gerade,
angesichts des aktuellen Ausverkaufs, reichlich schwer; geht es
hierbei doch letztendlich nur noch um Kommerz, nicht aber
künstlerischen Diskurs. Letztendlich beantwortet Douglas Pearce sein
Credo „What Ends When The Symbols Shatter?“ selbst: Money. Und
das passt dann doch irgendwie auch wieder...
Neuere
Bands wie „Cult Of Youth“, „Chelsea Wolfe“, „Blood And Sun“
oder „King Dude“ stehen hierbei, wiederum m.M.n., dem
Apocalyptic-Folk sowohl musikalisch, als auch inhaltlich, deutlich
näher, da sie Elemente, wie Runen, Mythologie und materialistische
Elemente mehr als punkartige Provokation einsetzen, denn als
ernstgemeinte Diskursobjekte.
Wer
Anmerkungen, Diskussionsbedarf oder üble Beschimpfungen hat, kann
mich aber gerne anschreiben. In einsamen Nächten beschäftigt mich
das Thema eben doch noch manchmal.
:Heilige:
oder so :)
Die vollständige Arbeit als kostenloser Download: Hier
Quentin
Tarantinos Film „Death Proof“ als filmischer Diskursraum über
die Heteronormativität des amerikanischen Action-Kinos
Den kompletten Artikel als kostenlosen Download gibt es
Es
gibt wohl derzeitig kaum einen Regisseur im internationalen
Filmmarkt, dessen Filme so sehnsüchtig erwartet werden wie die
Quentin Tarantinos!
Als
Wunderkind der 1990er Jahre gefeiert und von Kritikerinnern und
Kritikern, sowie dem Gros der Fans, für Filme wie „Reservoir
Dogs“1,
„Pulp Fiction“ oder auch „Inglorious Basterds“ heiß geliebt.
Ein Mann, den nicht nur das Feullition, sondern auch der gesellige
Bierabend gleichermaßen zu ihrem ganz eigenen Gott der Popkultur
erhoben hat. Ein Mann, der fast immer gleichrangig mit seinen Film in
das Licht der Öffentlichkeit gerückt wird, gerade eben weil
Tarantinos Filme, anders als die in mannigfaltiger Arbeitsteilung
produzierten amerikanischen Megablockbuster, wie zum Beispiel Marvels
„The Avengers“, doch immer noch, obwohl sie unter ähnlichen
Bedingungen der Produktion entstehen, eine ganz starke und auch sehr
eigene Handschrift tragen: Die Quentin Jerome Tarantinos.
Tarantino
schaffte es, mit vergleichsweise nur wenigen Filme, einen sehr
eigenen Stil zu kreieren, der seine Stärken weniger in der
Narration, noch in unkonetioneller künstlerischer Gestaltung seiner
Werke, entfaltet, denn vielmehr in einer Technik, die Tarantino
konsequent in jedem seiner Filme anwendet: Das Zitat.
Tarantino
ist ein Meister in der Bezugnahme auf andere Produkte und Artefakte
der Populärkultur und immer wieder schafft er es, diese Bezugnahmen
nicht als blanke und einfallslose Plagiate erscheinen zu lassen,
sondern als durchdachte und immer wirksame Zitate an die Popkultur
einer Welt, die nach 1945, gerade auch kulturell, stark von
Prozessen der Globalisierung beeinflusst und geprägt wurde.
Tarantino ist per se der Endpunkt dieser Entwicklung, kennen seine
Filme doch keine kulturellen Grenzen mehr und sind glokale Hybride
aus den verschiedensten global vorfindbaren künstlerischen
Strömungen. Ein Western mit Elementen des japanischen Samurai-Kinos?
Bei Tarantino kein Problem, denn vielmehr eine Frage der stilvollen
Inszenierung.
Im
Vordergrund des Interesses von Tarantino stehen hierbei aber fast
immer eher unbekannte Werke und Artefakte, allen voran solche, die
gemeinhin mit dem amerikanischen B-Movie Kino der 1960-1980er Jahre
assoziiert werden.
Diese
Vorliebe kann aber, im Besonderen unter Bezugnahme auf Tarantinos
späteres Schaffen, nicht sonderlich verwundern, ist es doch gerade
eben dieses Underground-Kino, dass immer auch zur medialen
Konstituierung subkultureller Bewegungen, ganz im Sinne Helmut
Berkings Theorie der partizipativen Identitäten, beitrug. Als
Beispiel kann hier die kollektive Subjektgenese der entstehenden
schwarzen Mittelschicht in den USA angeführt werden, die sich auch
im Blaxploitationkino der 1960-1980er Jahre vollzog2.
Von den Auswirkungen der, sogenannten, amerikanischen Midnight-Movies
auf die Konstituierung früher subkultureller Strömungen, wie die
der Hippie-Kultur, ganz zu schweigen3.
Das
für Tarantino diese, metaphysisch vermittelte, Ebene der
Emanzipation eine nicht zu unterschätzende Bedeutung beseitzt,
zeigen im Besonderen seine Filme, die nach dem Megaerfolg „Pulp
Ficition“, der Tarantino eine goldene Palme in Cannes bescherte,
folgten. Hierzu aber an späterer Stelle mehr.
Tarantinos
erste Filme, also besagter „Pulp Ficition“ und dessen Vorgänger,
„Reservoir Dogs“, sind vor allem eines: Bildgewordene
Diskursräume über den Status Quo der Popkultur zu Beginn der 1990er
Jahre4.
Beide Filme warten hierbei nicht mit einer großangelegten Narration
auf, noch entfalten sie charakterliche Dramen. Auch sind
Action-Elemente und Momente in diesen Filmen eher selten, wenn dann
aber, durch die extrem inszenierte Gewalt, von hochgradiger
Körperlichkeit geprägt, was sie oftmals, ganz im Geiste der
Seduktions-Theories Marcus Stigleggers, zu stark seduktiven Momenten
formt5.
Die Essenz der Filme liegt aber weniger in diesen seduktiven
Momenten, noch in der, wie bereits obig dargestellt, eher
minimalistischen Handlung. Vielmehr ist es die Art der Inszenierung:
Allen voran die mäandernden Dialoge der Protagonisten und
Protagonistinnen und der Einsatz von Musikstücken zur Untermalung
der Szenarien.
Da die
AkteurInnen innerhalb der Dialoge in hohem Maße entweder im
Generellen über Konsumgüter oder über Musik im Spezifischen
diskutieren, entsteht, im Zusammenspiel mit der restlichen
Inszenierung, eine filmisches Artefakte, dass auf mehren Ebenen
seines Seins als Diskursraum für populäre Kultur fungiert. Die
filmische Inszenierung und die, auch durch die Dialoge evozierte,
Narration stehen hierbei in einem, nicht voneinander trennbaren,
Wechselspiel. Hinzu kommt zum Teil die symbolische Verschlüsslung
eben dieser Diskursräume; in Form des Zitats. So bedürfen
Tarantinos Filme ein enormes Wissen über die verschiedensten
Artefakte der populären Kultur, um in ihrem symbolischen Gehalt
entschlüsselt werden zu können. Ein Umstand, der sicherlich auch
für die Popularität seiner Filme sorgt, was nicht zuletzt an der
Tatsache abgelesen werden kann, dass selbst größere Magazine, nach
Erscheinen eines neuen Tarantino Films, Artikel veröffentlichen, die
die Bezugspunkte und Bezugssysteme in dem jeweiligen
Tarantino-Streifen offenlegen.
Bei
„Reservoir Dogs“ und „Pulp Fiction“ ist die Gesamtheit der
Inszenierung vor Allem eine solche, die per se die kühle und
glänzende Oberflächlichkeit der 1990er Jahre reproduziert, die sich
gerade eben dominierend im Moment des ungebändigten Konsums
manifestiert. In gewisser Hinsicht sind die frühen Streifen
Tarantinos hierbei sehr ähnlich zu den frühen literarischen Werken
des amerikanischen Autors Breat Easton Ellis, allen voran dessen
Werken „Less Than Zero“, oder dem berühmten „American Psycho“,
dass unter gleichem Titel verfilmt wurde.
Auch
die Werke des jungen Chuck Phalahiniuck weisen in ihrer Darstellung
eine gewisse Ähnlichkeit auf, auch wenn die Akteure hierbei zumeist
eine Rebellion oder Flucht als Ausweg und Gegenweg bezüglich dieser,
vom Konsum bestimmten, gesellschaftlichen Ordnung versuchen.
Bei
Tarantino jedenfalls führt diese Inszenierung dazu, dass wir bei
„Reservoir Dogs“, in Designer-Anzüge gekleidete, Gangster dabei
beobachten, wie eben diese, unter Einsatz psychischer und physischer
Gewalt, versuchen herauszufinden, wer sie bei einem geplanten
Juwelenraub an die Polizei verraten hat. Dabei zeigen die Gangster
alles: Stil, Modebewusstsein, Manieren, ein außerordentliches Wissen
um Artefakte der populären Kultur – eines aber nicht: Emotionen!
Auch
der folgende Film, „Pulp Ficition“, widmet sich dieser Leere der
1990er Jahre, auch wenn sie hierbei, gründend in der
anachronistischen Montage der Narration, nicht so offensichtlich
erscheint.
Tarantinos
dritter Film, „Jackie Brown“, bricht, wenn auch unter starker
Beibehaltung der, für Tarantino so eigenen Art der Inszenierung, mit
vielen dieser, in den ersten beiden Filmen gesetzten, Normationen.
Diese
Brüche sind dominierend durch Tarantinos sehr starke Bezugnahme auf
das amerikanische Blaxploitation-Kino6,
spezifisch die Filme der schwarzen Darstellerin Pam Grier, die auch
in „Jackie Brown“ die Hauptrolle übernimmt, begründet.
Sich
aus dem Umstand generierend, dass eben diese Blaxploitation-Filme
immer auch Filme über die emanzipative, oftmals weibliche,
Subjektgenese waren, handelt auch Tarantinos Filme von einer Frau,
die sprichtwörtlich, ihren Mann in einer männerdominierten
Lebenswelt stehen muss. Hinzu kommt, dass „Jackie Brown“ eine
relativ freie Romanerzählung als Grundlage hat, was zu einer, für
Tarantinoverhältnisse, durchaus komplexen Narration führt.
„Jackie
Brown“ begründet hierbei eine Linie starker Frauenfiguren in den
Filmen Quentin Tarantinos. Diese Linie reicht dabei über die Filme
„Jackie Brown“, „Kill Bill“, findet ihren symbolischen
Höhepunkt im Film „Death Proof“ und ist selbst noch in
Tarantinos Auseinandersetzung mit dem Naziexploitation-Kino, dass
Marcus Stiglegger so passend als “Sadiconazista“ eingrenzte, dem
Film „Inglorious Basterds“, in Form der jüdischen
Kinobesitzerin, präsent.
Wo
allerdings die weiblichen Hauptfiguren in „Jackie Brown“,
gleichnamige Jackie Brown, und in „Kill Bill“, Beatrix Kiddu aka.
Die Braut, eine Art habituelles Cross-Dressing betreiben, da obliegt
der Sachverhalt im Film „Death Proof“ doch anders. Doch vorerst
kurz zurück zu „Jackie Brown“ und „Kill Bill“:
Beide
Filme, also „Jackie Brown“ und „Kill Bill“, handeln
grundlegend von zwei Frauen und ihrem Kampf gegen eine heteronormativ
geordnete Welt. Die Erstere, Jackie Brown, versucht in eben dieser
Welt das FBI, dass sie beim Schmuggeln von Drogen ertappt hat und,
darin begründet, versucht sie als verdeckte Ermittlerin einzusetzen,
und den Drogenboss, für den sie nebenbei arbeitet, gegeneinander
auszuspielen, um an einen größeren Geldbetrag zu kommen.
Auffällig
ist, dass neben Jackie Brown in dieser Welt nur eine einzige Akteurin
agiert, die Freundin des Drogenbosses, die sich munter und freimütig
durch den Freundeskreis ihres Bosses und Geliebten schläft und per
se eine Art „dummes Blondchen“ ausformuliert. Alle anderen
Akteure sind, zumeist von Macht korrumpierte, Männer, die in der
Beschaffung von noch mehr Macht ihre Erfüllung suchen und damit
letztendlich symbolisch auch eines verkörpern: Das Paradox, sich
phallozentrisch orientierender, männlicher Machtstrukturen, die sich
immer nur in einem Mehr an Macht generieren können.
In
„Kill Bill“ hingegen rächt sich die Hauptdarstellerin an ihrem
ehemaligen Arbeitgeber und Exgeliebten, dem Chef eines
Killerkommandos: Dem namensgebenden Bill.
Eben
jener hatte, zusammen mit dem, ihm untergebenen, AuftragsmörderInnen
versucht, sie und und ihre, zu diesem Zeitpunkt ungeborene Tochter,
zu töten.
Während
„Jackie Brown“ die Mechanismen seiner Inszenierung und die
Stereotypen innerhalb seiner Narration vorwiegend im
Blaxploitation-Kino, zu dem allein die Haupdarstellerin, die Ikone
diverser Filme dieses Genres, starken Bezug herstellt, gründet, da
ist „Kill Bill“ hingegen eher ein geschicktes filmisches Spiel
mit den Geschlechterrollen in den Genres des Western und des Eastern.
Angemerkt sei hier jedoch, dass die Kategorisierung Eastern stark
eurozentrisch bzw. amerikanzentristisch motiviert ist und per se
verschiedenste Genres des japanischen, asiatischen und auch
koreanischen Films, in grober Art und Weise, zusammenfasst.
Passend
ist dieser Ausdruck jedoch gerade in Bezugnahme auf Tarantinos „Kill
Bill“, da eben dieser Film, im Besonderen sein erster Teil, „Kill
Bill Vol.I“, filmisch alles zitiert, was diesen Ländern entstammt.
Die
Hauptakteurin nimmt innerhalb dieser Filme die Rolle des, sonst
zumeist männlich besetzten, Helden ein und löst ihre Probleme durch
eine mimetische Aneignung der männlichen Handlungsmuster, die sie
mit ihrer weiblichen Identität hybridisiert. Dieses Hybridwesen in
„Kill Bill“ ist letztendlich in der Lage, ihre Widersacher zu
besiegen, was sie letzten Endes in die Lage versetzt, zu ihrer
Mutterrolle zurückzukehren. Das nur am Rande: Die Tochter ist
nämlich nicht, wie seit Beginn des Filmes vermutet, tot, sondern
lebt bei Bill, ihrem Ersatzvater. Auffällig ist bei „Kill Bill“
zu Einen die Evolution der Hauptakteurin, anderseits die anderen
weiblichen Akteurinnen, die eben diese Entwicklung zum Teil schon
erfolgreich vollzogen haben.
Besonders
deutlich wird dies an der Entwicklung der Killerin Oh-Ren-Ishi, einem
Mitglied von Bills Kommando, die zugleich eine führende Rolle in der
japanischen Mafia, der Yakzua einnimmt. Ihr Vater wurde, das erzählt
uns der Film in einer Rückblende, von Mitgliedern eines feindlichen
Clans getötet. Ishi wird daraufhin zuerst Auftragsmörderin, tötet
dann die Peiniger ihres Vaters und schwingt sich letztendlich,
vollends das anarchistische Wesen der Macht, ganz getreu de Sade,
kostend, zur Anführerin aller Yakuza-Clans auf. Ihren symbolischen
Höhepunkt findet diese Entwicklung in einem Akt tiefster
Körperlichkeit. Ein Mitglied beschimpft und reduziert Ishi bei einer
Versammlung als Frau und Hure. Diese enthauptet daraufhin diesen
Mann, womit die Diskussion ein für alle Mal als beendet angesehen
werden muss. Ishi ist nicht mehr länger nur „eine gewöhnliche
Frau“, als die sie der Mann beschimpfte, sie hat sich erfolgreich
einen männlich-phallozentrischen Habitus angeeignet. Eben diese
Melange aus Weiblichkeit und kriegerischer Männlichkeit ist es,
parallel zu Hauptakteurin, die ihre Macht konstituiert.
In
„Death Proof“ führt Tarantino diese Auseinandersetzung um die
Heteronormativität der Bilder des, vorwiegend amerikanischen, Kinos
nochmals einen symbolischen Schritt weiter: Dieses Mal bedient er
sich jedoch nicht einer emanzipatorischen Vorlage aus dem schwarzen
Underground-Kino, noch zwingt er seine Charaktere innerhalb der
Narration zur mimetischen Aneignung männlicher Handlungsmuster,
jenem Prozess, den ich zuvor, in Bezugnahme auf Siegfried
Kaltenecker, als eine Form des pervertierten Cross-Dressings
beschrieb7.
Tarantinos Film „Death Proof“ ist vielmehr, wenn auch rein
symbolisch, ein Kampf um die normativen Implikationen der filmischen
Vorbilder. Ganz im Sinne Michel Foucaults muss der Film,
beziehungsweise die Rezeption des Artefakts Film, hierbei als etwas
definiert werden, dass die Rezipientinnen nicht, wie Formen aus
Wachs, ganz seinem Willen folgend, modelliert, sondern immer als
etwas, dass auf ein bereits vorhandenes Sein stößt und mit diesem
in Wechselwirkung gerät.
Quentin
Tarantinos „Death Proof“ erschien hierbei in den USA als ein
Teilfilm des Filmprojektes „Grindhouse“. Eben dieser Film
„Grindhouse“8
bestand aus zwei Teilfilmen. Zum Einen Tarantinos „Death Proof“,
zum Anderen der Film „Planet Terror“, realisiert von Robert
Rodriguez, mit dem Tarantino bereits zuvor an mehren Projekten, unter
anderem dem bekannten Streifen „From Dusk Till Dawn“, gearbeitet
hatte. Zusammengefasst wurden die beiden Filme durch gefakte Trailer
für andere Filme, die so aber niemals realisiert werden sollten.
Ziel des Projektes war es, eine filmische Hommage an das
amerikanische Grindhousekino, dass B-Movies eben vielfach in
Doppelvorstellungen zusammenfasste, zu erschaffen. Die Aneignung
dieser Konzeption ging bei Quentin Tarantino und Robert Rodriguez
sogar soweit, dass das digitale Filmmaterial mit den, für analoges
Filmmaterial, typischen Beschädigungen und Effekten der Alterung
versehen wurden. Ein fingierter Filmriss inklusive.
In
Deutschland kam das Projekt so allerdings nicht in die
Lichtspielhäuser. Die beiden Filme wurden voneinander getrennt, in
ihren Szenen erweitert und dann jeweils einzeln im Kino und auf DVD
veröffentlicht. „Planet Terror“ ist in dieser Fassung in
Deutschland später sogar indiziert wurden und darf seitdem nur noch
an Volljährige vertrieben werden. Die Grindhouse-Fassung, die
interessanterweise so nicht indiziert wurde, wurde erst Jahre später
auf DVD veröffentlicht.
Tarantinos
„Death Proof“ wird innerhalb dieses Essays in eben dieser
erweiterten Version, ohne Bezugnahme auf „Plant Terror“,
Behandlung erfahren. Es sei vielleicht hier schon angeführt, dass
„Death Proof“ sowohl von Fans, als auch von KritikerInnen als
Tarantinos schlechtester Film gehandelt wird. In der „International
Movie Database“ kumuliert der Film bei einer Bewertung von 7,3
Punkten auf einer Richterskala von 1(schlecht) bis 10 (sehr gut). Ein
miserabler Wert im Vergleich zu Tarantinos anderen Filmen, die alle
eine Wertung von <8 Punkten erreichen.
In
gewisser Hinsicht ist „Death Proof“ hierbei mit David Cronenbergs
„M. Butterfly“ vergleichbar der ebenso floppte und bei dem die
Kritik, gleichgeartet wie bei „Deat Proof“, vermeidliche Fehler
innerhalb der Inszenierung beklagte, die doch immer vielmehr eines
waren: Filmische Diskursräume um die Normativität der Bilderwelten.
Was
Tarantinos „Death Proof“ aber von Cronenbergs „M.Butterfly“
unterscheidet, ist eine retroperspektivisch vorgenommene
Rehabilitierung, wie jüngst von Jochen Diestelmeyer im Sammelband
über Cronenberg bezüglich „M.Butterfly“ vollzogen9.
In der
Tat bietet „Death Proof“, zumindest narrativ, wenig. Der Film
lässt sich, grob zusammenfassend, in zwei große Handlungsteile
differenzieren. Beide Teile handeln von zwei verschiedenen
Frauengruppe, die jeweils mit dem Mörder „Stuntman Mike“
konfrontiert werden.
Der
ersten Gruppe von Frauen folgen wir hierbei bei einem, scheinbar
gemütlichen, Abend zu einer Kneipe und den dortigen Erlebnissen.
Diese Erlebnisse erstrecken sich aber, wie sollte es anders sein, auf
das trinken alkoholischer Getränke, das flirten mit allerlei
männlichen Publikum und dem Austausch von Small-Talk. So erfahren
wie, als was die Frauen arbeiten, mit wem und warum sie mal Sex
hatten, oder was für Alkohol sie mögen oder eben auch nicht. In der
Bar sitzt neben der Gruppe Frauen und den bereits erwähnten Männern
auch eben jener „Stuntman Mike“, dessen richtiger Name im Film
selbst nicht genannt wird. Mike ist allein von seiner äußeren
Inszenierung ein kitschiges Relikt aus den 1980er Jahren und wird
Kongenial von Kurt Russel im Film verkörpert.
Getragen
wird dieser Teil der Handlung von einer Wette, die die Mädchen zu
Beginn des Films bei einer Autofahrt besprechen. Eine der Frauen,
genannt „Jungle Julia“, die als Moderatorin für das Radio
arbeitet, hat in einer ihrer morgendlichen Sendungen verkündet, dass
eine ihrer Freundinnen, Butterfly, einem Fremden einen Lap-Dance,
eine sehr intime Art des Tanzes, gibt, wenn dieser ihr einen Trink
spendiert und dazu ein, vorher festgelegtes, Gedicht aufsagt.
Selbstredend ist es eben dieser Tanz und die Person, die eben jenen
Tanz einfordert, die die Spannungskurve des gesamten ersten Teils
bestimmt, wobei relativ schnell feststeht, dass kein anderer als
„Stuntman Mik“ eben diese Person sein wird. Der Logik der
Narration folgend, dauert es aber relativ lange, bis der Film diesen
ersten Höhepunkt zusteuert. Mike bekommt, fast zum Ende des ersten
Teilabschnittes des Films, seinen Tanz kredenzt. Dieser Tanz ist,
hierbei kann wieder auf Stigleggers These der Seduktion, die den Film
ja als eine Art der Verführung begreift, Bezug genommen werden10,
ein erster großer Moment der Seduktion, der über eine Inszenierung
extremer Körperlichkeit erfolgt. Bewusste Anklänge an den
pornographischen Film inklusive.
Am
Ende des Films überredet Mike eines der Mädchen mit ihm nach Hause
zu fahren. Der Rest tritt, leicht berauscht, den Heimweg im eigenen
Auto an. Mikes Auto entpuppt sich hierbei als der, für ihn
namensgebende Moment: Ein Stuntauto, dass durch diverse
Verstrebungen, einen internen Käfig und andere Extras todsicher
gemacht wurde – Death Proof.
Das
Mikes Pläne sich hierbei nicht auf die bloße Rolle des Taxifahrers
beschränken, dürfte den Zuschauerinnen und Zuschauern lange vor dem
Fahrtantritt klar gewesen sein und so folgt einer der ersten
blutigen Höhepunkt des Films, in dessen Verlauf alle
Gruppenmitglieder ein grausamer Tod ereilen wird.
Mike
tötet zuerst seine Beifahrerin durch starkes Beschleunigen und
Abbremsen, was dazu führt, dass deren Schädel effektvoll an der
verstärkten Windschutzscheibe zerspringt! Im Anschluss an diese Tat
provoziert Mike einen Frontalzusammenstoß mit der Gruppe, die sich
im Auto auf dem Heimweg befindet. Dieser Frontalzusammenstoß führt
dazu, dass Mikes Auto praktisch durch das Auto der Frauengruppe
stößt, was letztendlich zur Folge hat, dass deren Leiber in kleine
Stücke zerrissen werden und blutig detailliert über den Highway
verteilt werden.
Tarantino
inszeniert diese Szene zeitlich sehr ausgedehnt und in mehrfacher
Wiederholung und mit einem großen Fokus auf die Details des blutigen
Aktes selbst.
Mike
überlebt diesen Unfall leicht verletzt, wie eine kurze Folgeszene
zeigen wird. Jedoch widmet sich der Rest des Films nicht der
polizeilichen Jagd nach dem brutalen Mörder, sondern einer anderen
Frauengruppe, die gleich zu Beginn ihres Tages Bekanntschaft mit dem
stuntautofahrenden Psychopathen macht.
Auch
der zweite Teils des Filmes handelt hierbei von einer Gruppe von
Frauen, denen wir durch ihre Erlebnisse an einem Tag folgen.
Höhepunkt dieses Tages ist für einen Teil der Frauen eine Anzeige
in einer örtlichen Zeitung, die einen alten amerikanischen
Sportwagen zum Verkauf anbietet. Die Gruppe fährt zu eben jenem
Verkäufer und verpfändet dort, um eine Probefahrt unternehmen zu
dürfen, eines ihrer Mitglieder.
Der
Rest der Gruppe begibt sich auf eine Probefahrt, die gespickt ist mit
einem halsbrecherischen Stunt, bei dem sich eine der Frauen, zwecks
Nervenkitzel, mittels Gürteln auf die Motorhaube schnallen lässt.
Diese
Situation nutzt Mike, der die Gruppe seit Beginn des Tages verfolgt
hat, aus und versucht, mittels gezielten Rammens, das Auto der
Frauengruppe zum Verunglücken zu bringen. Durch das fahrerische
Geschick einer der Frauen misslingt dieser Plan aber gehörig und
Mike wird sogar in einer, an die Auseinandersetzung mit den Autos
folgenden, körperlichen Auseinandersetzung gefährlich verletzt. An
dieser Stelle wird dann der Jäger zum Gejagten und die Frauen setzen
von nun an alles daran Mike zu stellen und ihrer Rache zu
unterjochen. Nach einer spektakulären Verfolgungsjagd via Auto
gelingt ihnen dies letztendlich auch. Mike wird verletzt und wimmernd
aus dem Auto gezogen, von den Frauen verprügelt und letztendlich
durch den heftigen Einsatz von Faust- und Fusshieben getötet.
Jedoch
vollzieht sich diese, auf den vorherigen Seiten knapp skizzierte,
Handlung auf einer symbolisch stark kodierten Ebene. Und es ist eben
genau diese Dimension der symbolischen Kodierung, die aus „Death
Proof“ einen komplexen Diskursraum macht, indem Tarantino, gerade
auch durch die Konstruktion und den Ablauf seiner Narration, zum Teil
argumentative Strukturen entfaltet. Um dies aber zu begreifen ist es
vorerst von Nöten zu erfassen, in was für Wurzeln „Death Proof“
gründet: Tarantino bezieht und bedient sich für „Death Proof“
dominierend bei einer weiteren Unterkategorie des amerikanischen
Exploitation-Kinos, dem so genannten Car-Exploitation - oder kurz:
Carploitation. Filme, die am stärksten in einem Zeitraum der später
1960er bis Ende der 1970er Jahre produziert wurden und neben ihren,
fast immer männlichen, Hauptdarstellern immer weitere
Hauptdarstellern, in Form stählerner, hochgezüchteter
amerikanischer Muscle-Cars, hatten. Die Storylinies der Filme waren
dann zumeist auch mehr oder minder geschickte Versuche, die Autos in
spektakuläre Stunts und Verfolgungsjagden zu involvieren, was
letztendlich dazu führte, dass der männliche Held Problem XY unter
zur Hilfenahme seiner Fahrkünste und seines Automobils lösen müsste
und auch konnte.
Bekannteste
Vertreter dieser Art von Filmen sind sicherlich Peter Yates „Bullit“
aus dem Jahr 1968. In den Hauptrollen Steve McQueen und ein Ford
Mustang. Richards Sarafians „Vanishing Point“ aus dem Jahr 1971,
dessen bekanntester Darsteller nicht menschlicher, denn eher
maschineller Natur ist: Ein Dodge Challenger. Selbstredend H.B.
Halickis „Gone In 60 Secounds“ aus dem Jahr 1974, der Jahrzehnte
später nochmal unrühmlich mit Nicolas Cage in der Hauptrolle
remaked wurde, und der, ähnlich wie „Bullit“ eines etablierte –
einen Kult um den Ford Mustang. Hierbei im konkreten um das Modell
„Elanore“.
Seinen,
wenn auch nicht autofixierten, Höhepunkt findet das Genre, in
gewisser Art und Weise, in dem, von Regie-Legende Sam Peckinpah
inszenierten, Streifen „Convoy“. „Convoy“ handelt hierbei von
einer Grupper Trucker, die sich, selbstverständlich unter zur
Hilfenahme ihrer Trucks, gegen einen korrupten Sheriff zu Wehr
setzen. Als Vorlage für die Narration des Films diente,
interessanterweise, ein gleichnamiger Country-Song von C. W. McCall.
„Convoy“
entwickelt hierbei eine, durch die vorherigen Filme manifestierte,
Bilderwelt konsequent weiter und bringt sie, letzten Endes, zu einer
Art des Höhepunkts, indem alles kumuliert, was die filmischen Bilder
zu erzählen vermögen. Am Bedeutendsten bezüglich all dieser Filme
ist sicherlich zuerst, dass neben den männlichen Helden innerhalb
der Filme die Autos, beziehungsweise bei „Convoy“ die schweren
LKWs, heimliche Hauptdarsteller der Filme sind. Sie dominieren die
Filme, gerade eben auch durch die Szenen, die sie bestimmen - die
Verfolgungsjagden und Stunts - die in den Filmen oftmals die
Höhepunkte abbilden und ganz im Sinne Stigleggers als Spektakel
Inszenierung finden und zumeist eine konsequente Anordnung von
Affektbildern darstellen. Da die Fortbewegungsmittel Zeit der
gesamten Narration als eben mehr inszeniert werden, was sie
eigentlich sind, nämlich Mittel zur Fortbewegung, kommt eben diesen
Spektakelszenen zudem eine extreme Körperlichkeit zu.
Die
Autos werden personifiziert und ihre Karossen werden innerhalb des
Films zu symbolischen Körpern, die in den Action-Szenen einem
destruktivistischen Körperkino ausgesetzt werden. Das eventuell die
Fahrer der Karossen sterben, wenn auch nur filmisch, ist, ab diesem
Moment, nicht mehr von immanenter Bedeutung, da das Verletzen und die
Zerstörung des symbolischen Körpers im Zentrum der Inszenierung
steht.
Es ist
hierbei mehr als offensichtlich, dass die Filme, im Zuge eben dieser
Inszenierung, auf symbolischer Ebene auch zugleich einen starken
Fortschrittsglauben ausformulieren, indem die Technik, symbolisiert
durch das Auto oder den LKW, diesen Glauben an die Kraft der Moderne
versinnbildlicht: Der Mann und die Maschine im Kampf.
In
Gewisser Hinsicht wird hierbei Ernst Jüngers Entwurf vom Menschen,
der in den Stahlgewittern des ersten Weltkrieges seine Subjektgenese
und Vergesellschaftung erlebt, ideologisch weitergeführt und
positivistisch umdefiniert11.
Die Technik ist nicht mehr ein Moment, die der Mensch überstehen
muss, weil sie ihn eben ohne größere Anstrengung zu töten vermag,
sondern wird vielmehr zu einem Sein, mit dem der Mensch verschmelzen
kann, um zu wachsen. Was diese Filme also auch vorwegnahmen, ist
Donna Harraways Idee des Cyborgs. Denn nichts anderes sind die
Hauptakteure in eben diesen Filmen: Menschliche Wesen, verschmolzen
mit der Technik der Autos. Auffällig ist hierbei jedoch, dass all
diese und seien sie noch so positiv konnotierten, Symbole eine stark
männliche Determinierung besitzen. Die männlichen Helden sind dem
Männlichen, allein durch ihre geschlechtliche Zuordnung, immer mehr
als eindeutig zugeordnet. Hinzu kommt eine Inszenierung eben dieser
Charaktere, die ein zutiefst männlich geprägtes Gender
ausformulieren. Aber auch das Auto und noch stärker der LKW im Film
„Convoy“ muss als direktes Symbol für phallozentrische
Männlichkeit definiert werden: Wo der LKW, durch seine Funktion als
Lastenauto, noch einen Bezug zur, männlich geprägten, Kraft zur
Gestaltung der Natur besitzt, da sind die PS-strotzenden
amerikanischen Muscle-Cars, die nur noch Simulakren eben dieser Kraft
zur Naturgestaltung abbilden12.
Sie haben keinen Sinn mehr außer dem, die männliche Kraft und
Stärke zu symbolisieren. Stärke und einen Willen zur Macht -
gepresst in Zylinder, Motordichtungen und Stahlrahmen.
Das
Auto symbolisiert hierbei auf mannigfaltige Art und Weise
Zuschreibungen von männlichem Gender: Es ist zum Einen, wie bereits
zuvor in Bezugnahme auf den LKW ausgeführt, immer noch ein Symbol,
dass entfernt an den Willen zur Beherrschung der Natur erinnert. Das
Auto ist per se Exekutor einer männlichen Kultur. Dies wird gerade
eben in den Filmen immer dann sichtbar, wenn das Auto,
beziehungsweise der LKW, zum Einsatz kommt: Das Auto dient immer der
Eliminierung derjenigen, die sich der Ordnung des männlichen Helden
und damit seiner Vorstellung von Kultur und Gesellschaft widersetzen.
Diesem Umstand folgend ist das Auto letztendlich auch Symbol und
Exekutor einer heteronormativen Gesellschaftsordnung und damit
zusammenfassend dominierend eins: Ein stahlgewordenes Symbol für den
Phallus. Ein Umstand, an den uns allein die Formgebung des Autos
immer erinnert.
Das
Car-Exploitation-Kino ist, zusammenfassend summiert, im Gegensatz zu
seinen emanzipatorischen Brüdern und Schwestern, wie dem
Blaxploitation, im Gesamten betrachtet, gerade auf seiner
symbolischen Ebene, ein zutiefst regressiv determiniertes Kino. Ein
Kino, dass ähnlich dem amerikanischen Western die Konstituierung
einer heteronormativen Gesellschaftsordnung symbolisch be- und
verarbeitet und somit auch immer Eines ist: Filmische Inszenierung
einer, von Männer dominierten, Kultur. Gleichgeartet dem
amerikanischen Western, der nach Jörn Ahrens13
auch immer ein Diskursraum über die aktuellen Prozesse der
Konstituierung von Gesellschaft ist, sind es eben diese Filme, die
die Macht der Imagination des Phallus in einem filmgewordenen
Diskursraum behandeln.
Auch
in Tarantinos „Death Proof“ sind all diese Elemente, wenn auch
zum Teil in transformierter Form, vorzufinden. Im Gegensatz zu den
obigen Filmen geht es Tarantino aber in seinem Werk vielmehr um den
Diskurs der Symbole und ihrer Bedeutungen. Parallel zu Filmemachern,
wie dem Amerikaner Oliver Stone, ist Tarantinos Film auch nicht
vollends als reiner Spielfilm zu definieren, sondern bildet vielmehr
eine Art des Essaysfilms ab, indem Tarantino explizit, wenn auch
symbolisch codiert, Stellungnahme bezieht. Das eben diese Art der
filmischen Argumentation, ganz im Sinne von Dieter Merschs „Logik
des Bildlichen“ auf einer rein symbolischen Ebene funktionieren
kann, soll im Folgenden aufgezeigt werden.
Die
offensichtlichsten Symbole, die Tarantino aus den Vorbild-Filmen
übernimmt, sind die Autos. Obwohl sein Film in einer Zeit spielt, in
der Handys bereits verfügbar sind, greifen die AketuerInnen allesamt
auf Automobile zurück, die denen der Vorbilder entsprechen, also zum
Zeitpunkt der fiktiven Narration, aller Wahrscheinlichkeit nach,
schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel haben und, gerade deswegen,
eine Art Reliktstatus entfalten. Auch die Inszenierung der Autos ist
eine gleiche, wie in den Filmen, an denen Tarantino sich orientiert.
Die Autos, auch wenn sie bei Tarantino zum Teil von Frauen gefahren
werden, sind Fetisch-Objekte und Ikonen. In ihnen ist auch bei
Tarantino die Gewalt und der Wille seine Umwelt zu beherrschen
manifestiert und sprichwörtlich in Stahl gegossen wurden. Die Autos
sind auch in „Death Proof“ immer mehr als ein Mittel, um von
Punkt A nach Punkt B zu kommen. Sie sind der formgewordene Glauben an
die emanzipatorische Kraft der Technik.
Auch
eine Art des männlichen Heros findet sich in „Death Proof“.
Dieser Heros ist aber nicht mehr der, vor Kraft und Tatendrang
strotzende, Held der frühen Filme, vielmehr ist er eine pervertierte
Art eben dieser, einst so glorreichen, Vorbilder: Stunman Mike.
Mike
wird im Film, allein durch sein Äußeres, eine kitschige
Manifestation modischer Irrwege aus den 1970-1980er Jahren, als eine
Art historisches Relikt gekennzeichnet. Eine Art Dinosaurier, der
doch den großen Knall überlebt hat und nun als einsamer Wolf durch
die Lande zieht. Einziger Vertrauter in dieser Welt ist Mikes Auto,
ein ehemaliges Stuntauto, dass, wie bereits geschildert, durch
diverse Modifikationen so verändert wurde, dass es zum Einen nur von
Mike gefahren werden kann und zum Anderen dem Fahrer und auch dem
Fahrzeug selbst ermöglicht, selbst schwerste Kollisionen unbeschadet
zu überstehen.
Mike
und auch sein Auto in „Death Proof“ sind es dann auch, die
innerhalb der Narration und der, durch diese geführten symbolischen
Auseinandersetzung, den dominierenden Kristallisationspunkt abbilden.
Obwohl es sich bei Mike auf den ersten Blick um einen typischen
Antagonisten handelt, an dem sich die verschiedenen Gruppen
„abarbeiten“ müssen, ist er doch in seiner symbolhaften
Ausformung vorwiegend eins: Die leibgewordene Inkarnation männlicher
Destruktion.
Anders
als die Helden aus „Convoy“ oder „Bullit“ setzt Mike sein
Können und seine Fähigkeiten nicht dazu ein, gegen Männer in
einer, von Männer dominierten, gesellschaftlichen Ordnung zu
kämpfen. Vielmehr fürchtet dieser Mike sich vor den Frauen und
ihrem weiblichen Gender. Vor jenen Frauen, die in eben in diese
Ordnung vorstoßen und den Anschein machen, sich in dieser Verankern
zu wollen.
So wie
im Mittelalter Frauen als Hexen gefürchtet und eliminiert wurden,
weil sie als eine Imagination für Prozesse sozialer Kohärsion
dienten, da ist es auch bei Mike das Weibliche, auf das er eben diese
Prozesse sozialer Kohärsion projiziert. Mike ist in Tarantinos Film
kein Mann der „einfach nur“ Frauen hasst. Vielmehr ist er und mit
ihm sein Auto, das nicht zufällig von einem Totenschädel mit zwei
Blitzen, die doch stark an das Logo der Waffen SS erinnern, geziert
wird, der Exekutor einer phallozentrischen Gesellschaftsordnung.
Das
Tarantino eben diese Ordnung aber für eine antiquierte erachtet,
inszeniert er filmisch auf zwei verschiedenen Ebenen. Zum Einen ist
es ist natürlich Mike der, nicht nur vom Aussehen, sondern auch von
seinem physikalischen Alter und seinem Auftreten her wirkt, wie ein
Relikt längst vergangener Tage. Diese filmische Inszenierung der
Person ist hierbei die erste und zudem sehr offensichtliche Ebene.
Eine zweite Ebene ist der Aufbau der Narration. Tarantino splittet
seinen Film nicht zufällig in zwei verschiedene Frauengruppen, die
jeweils mit Mike konfrontiert werden:
Die
erste Gruppe ist hierbei jedoch eine, durch und durch regressive,
Imagination von Weiblichkeit, die sich im Spiegel männlichen
Begehrens entwirft und generiert.
So
werden die Frauen innerhalb der Handlungen und Dialoge, durch die wir
sie im ersten Teils des Films näher „kennenlernen“,
hauptsächlich durch verschiedene Begehren definiert: Beziehungen zu
Männern, das Verlangen nach Sex, Drogen und Partys und guten Jobs.
Im Gesamten aber wird der Abend durch eben jene Wette bestimmt, die
eine der Freundinnen mehr oder minder dazu zwingt, einem wildfremden
Menschen einen sehr intimen Tanz im Gegenzug für ein Getränk zu
geben. Per se auch ein Symbol, dass klare Beziehungsstrukturen zur
Zwangsprostitution aufweist, da der Charakter, also die, die den
Lapdance ausführt, im Film ihre habituelle Reputation nur durch die
Ausführung eines stark heterosexistischen Aktes wahren kann. Das
aber dieser Akt der Chimäre Mike zu Teil wird, der in den Frauen
erst gar nicht das Objekt eines möglichen Begehrens erkennen kann,
denn vielmehr den „Feind im eigenen Haus“, ist innerhalb der
ersten Filmhälfte das große Paradox. Gerade jenes Objekt, also
Mike, dass die Frauengruppe zur eigenen Subjektgenese braucht, ist
es, das ihr Wollen und ihren Drang hin zu ihm, ablehnt und als Gefahr
für die eigene Existenz umdeutet. Mike ist ein Wesen, dass total
asexuell ist. Er hat sein sexuelles Begehren völlig degradiert und
substituiert es durch den Akt des Tötens. Der anarchistische Rausch
der männlichen Macht, die Zerstörung des ängstigenden Weiblichen
ist es, dass Mike sucht und auch findet. Mike, der doch so
konzentriert das heroische aus den frühen Car-Exploitation-Filmen in
sich vereint, offenbart in seinem Sein die ständige Androhung der
Eleminierung von weiblichen Elementen, die sich nicht in die
phallozentrische Ordnung der Gesellschaft einpassen wollen. Einer
Ordnung, die jene Helden der Filme exemplarisch manifestieren und
symbolisieren.
Es
kann letztendlich also nicht verwundern, dass Mike sein Ansinnen auf
Destruktion in die filmisch-narrative Realität umsetzt. Das er dazu
seines Autos bedarf, ist selbsterklärend, letztendlich ist Mike,
ebenso wie seine Blaupausen, ein moderner Cyborg, der seinen Willen
zur Macht nicht ohne die Maschine ausformulieren kann.
Tarantino
überspitzt in seiner Darstellung und Inszenierung diesen Moment
zusätzlich durch den Umstand, dass Mikes Auto ein Auto ist, dass nur
auf eines ausgelegt ist: Zu Zerstören ohne zerstört zu werden.
Hinzu kommt, dass jene Maschine nur noch von Mike persönlich bedient
werden kann.
Und so
kommt es, ziemlich zur Hälfte des Films, zum ersten großen
Showdown, indem Mike frontal in das Auto der Frauengruppe stößt, um
diese zu zerreißen. Dieser Akt der Destruktion unterliegt hierbei,
nicht durch Zufall, einer zutiefst sexuellen Konnotation. Tarantino
pervertiert hier Freuds Dualität von Eros und Thanatos und auch
Batailles Idee von der Transgression durch Exzesse der Lust. Vielmehr
wird der Akt bei Tarantino zu einem Akt, den die Cyborgs in ihren
Maschinen ausführen und der, zwangsläufig, mit dem Tod enden muss.
So ist es das starke Symbol des, herrschaftlich geprägten, Phallus,
dass Mike verkörpert, dass in die Gruppe von Frauen stößt und
diese, als per se im Akt selbst, tötet. Die Gruppe der Frauen kann
sich dieser Hinrichtung nicht erwehren, da sie mit ihrem ganzen
Verhalten zuvor auf die Aufmerksamkeit des männlichen Akteurs
hingearbeitet hat. Letztendlich brauchte sie ja diesen männlichen
Spiegel, um sich selbst in ihm zu erkennen. Mike hingegen benutzt den
Akt letztendlich nicht zur Vereinigung mit den Frauen, denn vielmehr
zur Exekution seiner heterosexistischen Ordnung.
Das
Tarantino in dieser Szene die beiden Gruppen, Mike einerseits, die
Frauen andererseits, in einen direkten, körperlich sehr stark
seduktiv inszenierten, Kampf setzt, der mit dem Tod aller Frauen
endet, ist zwar in Hinblick auf die Narration und auch die
symbolische Argumentation, die diese entfalten soll, notwendig –
die eine Gruppe Frauen muss, auch symbolisch von der anderen
abgegrenzt werden und ihr Habitus diskreditiert werden.
Jedoch
ist diese Szene auch ein Moment, in dem Tarantino in regressive
Imaginationen von weiblichem Gender zurückfällt. Es muss, bezüglich
dieser Inszenierung, ja festgehalten werden, dass Mike, gründend in
der obigen Analyse, nicht allein als der Moment definiert, von dem
das destruktive und frauenfeindliche Handeln ausgeht. Vielmehr wird
der Frauengruppe, gründend in ihrem Verhalten, eine Art der
Teilschuld zugewiesen. Im Besonderen konzentriert sich diese Art der
Zuschreibung in der Funktion des Lap-Dances, den ja eine der
Frauengruppe durchführen muss, um ihre Reputation innerhalb der
Gruppe zu wahren, ganz in dem Wissen, dass sie hierbei ein Stück
ihrer Selbstbestimmung für aufgeben muss. Das eben diese
Frauengruppe dann, im Anschluss an diese Ereignisse, einen solch
unerbittlichen Tod finden muss, ist eine radikale Kritik an eben
dieser Einstellung der Frauengruppe. Sie ist in ihrer Ausformulierung
sogar so radikal, dass sie nur noch die weibliche Selbstbestimmung
und autonome Subjektgenese gelten lässt, alles andere aber, als
Konstrukte und affirmative Mimesen einer heterosexistischen
Lebenswelt zurückweist und am Ende symbolisch eliminiert.
Nun
aber findet Tarantinos „Death Proof“ in dieser ersten
Frauengruppe nicht sein Ende, sondern nach einer kurzen
Zwischensequenz begegnen wir filmisch einer weiteren Frauengruppe.
Diese Gruppe wird von Beginn an, im Gegensatz zur ersten Gruppe, sehr
heterogen charakterisiert. Es finden sich auf der einen Seite zwei
Stuntfahrerinnen, auf der anderen Seite, eine, symbolisch in eine
Cheerleaderinnenuniform gesteckte, Frau, die gleich zu Beginn der
Handlung in einem Geschäft mehrere Ausgaben der Modezeitschrift
„Vouge“ kauft und damit habituell direkte Verbindungslinien zur
ersten Frauengruppe setzt. Zwischen diesen beiden Gruppen, wenn denn
die letzt genannte in ihrer Singularität als Gruppe bezeichnet
werden darf, findet sich eine vierte Akteurin, die vom Verhalten,
Zeit der Handlung, zwischen den beiden Gruppen schwangt, sich letzten
Endes aber doch der Gruppe der Stuntfahrerinnen anschließt, was die
Endszene, auf die später noch zurückzukommen ist, symbolisch in
Szene setzt.
Auch
dieser Gruppe folgen wir während der Ereignisse eines Tages. Nur
lernt eben diese Gruppe Stuntman-Mike nicht in einer Kneipe kennen,
sondern er folgt ihnen bereits von Beginn an. Mikes Charakter wird
hierbei zuerst sogar, wenn auch nur sehr schemenhaft, mit einer
sexuellen Determination versehen. Er beobachtet und begiert in einer
der ersten Szenen, dieser zweiten Hälfte des Films, die Füße einer
der Frauen, die diese aus dem Fenster des Autos gestreckt hat. Diese
Szene ist zwar dominierend als eine Hommage an Tarantinos andere
Werke zu verstehen, so sind Szenen, in denen weibliche Füße den
Fokus bilden, neben der berühmten Kameraeinstellung aus dem
Kofferraum heraus, wiederkehrendes Motiv im Schaffen von ihm.
Auf
der anderen Seite aber ist es gerade diese Szene, die Mike nochmals
als einen innerlich sehr zerrissenen Charakter darstellt. So ist ihm
die Weiblichkeit, die er in seinem tiefsten Inneren doch so fürchtet
und auch der Eliminierung zuführen möchte, doch etwas, dass ihn
auch zu berühren vermag und dem er sich doch auch zugewandt fühlt.
Das diese Gefühle, wenn sie denn überhaupt als solche definiert
werden können, aber vom Drang des Vernichtens übermannt werden,
kredenzt direkt die, auf diese Szene folgende, Einstellung. Mike
stalkt die Mädchen und wir, als RezipientInnen wissen bereits jetzt,
was der Höhepunkt dieses schrecklichen Spiels sein wird.
Die
Erlebnisse der Gruppe zentrieren sich innerhalb dieses Teils der
filmischen Narration um ein seltenes Auto, natürlich ein, wie sollte
es anders sein, amerikanisches Muscle-Car. Aufmerksam wurden die
Frauen der Gruppe auf dieses Auto durch eine Anzeige in einer
Zeitung. Ziel der Gruppe, allen voran der beiden Stuntfahrerinnen,
ist es ab diesem Zeitpunkt, unbedingt eine Probefahrt mit diesem Auto
zu unternehmen, was im Verlauf der Handlung, logischerweise, dazu
führen muss, dass die Akteurinnen auf dem Hof des Besitzers
aufkreuzen. Der Besitzer des Autos entpuppt sich hierbei jedoch, wie
sollte es auch anders sein, als eine dreckige und machohafte
Inkarnation eines Red-Neck-Stereotypen. Und in dieser Funktion ist
dem Mann auch nicht so sehr an dem Wohlergehen seines Autos gelegen,
denn mehr an seinem persönlichen sexuellen Wohlbefinden, was
eventuell eine der Frauen doch deutlich steigern könnte. Tarantinos
Lösung dieser Problemlage (die Frauen wollen das Auto, der Mann,
relativ offensichtlich, körperliche Zuwendung) ist hierbei in
direkter Korrelation zu der Tötung der ersten Gruppe zu setzen. Die
Frauen entscheiden sich, eine aus ihrer Gruppe als Pfand gegen das
Auto einzutauschen. Natürliche ohne das Wissen und die Zustimmung
dieser Auserwählten.
Das es
sich bei dieser Person um keine andere handeln kann, als die, die uns
zu Beginn, so symbolisch, im Cheerleaderoutfit vorgestellt wurde, ist
hierbei logische Konsequenz. Auf der symbolischen Ebene entledigen
sich die Frauen mit dieser Exklusion dem Teil von Weiblichkeit, der
sich am meisten im Spiegel eines imaginierten männlichen Begehrens
geformt hat. Das Symbol für diesen Prozess der Subjektwerdung sind
hierbei ganz klar die Modezeitschriften, sowie das Outfit. Eben
dieses Element wird nun aus der Gruppe ausgeschlossen und damit
zugleich einem radikalen, filmisch realen, männlichen Begehren, in
Form des Bauern, preis gegeben. Das innerhalb dieser Szene dezidiert
Implikationen von sexuellem Missbrauch mitschwingen, wirkt, den
obigen Ausführungen folgend, demnach umso krasser, da wiederum
impliziert wird, dass sich die Frau, gründend in ihrer
Konstituierung, auch selbst zum Teil als Opfer erschafft. Jedoch ist
diese Szene für die Konstituierung der restlichen Frauengruppe von
enormer Bedeutung. So spalten sie nicht nur den Teil ab, der
innerhalb ihrer Gruppe eine regressive Imagination von Weiblichkeit
symbolisiert hat, sondern sie inklusivieren zugleich das andere
Mitglied der Gruppe in ihre Imagination von Weiblichkeit. Die
zögernde wird sich somit im Verlauf der anstehenden Szenen als ein
vollwertiges Mitglied in dieser neuen Gemeinschaft beweisen (müssen).
Die
Frauen bekommen also letztendlich den Wagen ausgeliehen und begeben
sich mit ihm auf eine waghalsige Spritztour, während der sie
entscheiden, eine von sich, mittels Gürteln, auf der Motorhaube zu
fixieren.
Für
Stuntman-Mike schlägt nun wiederholt die Stunde seiner Rolle als
Exekutor und so versucht er auch dieses Mal die Frauen mit seinem
Gefährt von der Bahn abzudrängen und somit dem Schicksal eines
tödlichen Unfalls zuzuführen. Den Frauen gelingt es aber, Grund
ihrer Erfahrungen als Stuntfahrerinnen, diesem Schicksal zu entgehen.
In diesem Punkt ist wiederum ein klarer Bezug auf die vorherigen
Filme Tarantinos, wie „Kill Bill“ oder „Jackie Brown“, zu
erkennen. Den Frauen gelingt es, die Angriffe der Männer abzuwehren,
weil sie in ihrer Selbstkonzeption männliche Verhaltensmuster
assimiliert haben. In „Death Proof“ handelt es sich hierbei um
die Kunst des Autofahrens, die fast immer nur Männern in vollem
Umfang zugestanden wird, auch wenn es für eine solche Zuschreibung
keinerlei logische Grundlagen gibt. Jedenfalls beherrschen die Frauen
das Territorium, in dem Mike sie richten möchte, besser als eben
dieser, was dazu führt, dass Mike vom Jäger zur Beute wird. In
einer kurzen, aber doch sehr körperbetonten Inszenierung, gelingt es
den Frauen Mike mittels einer Schusswaffe ernst zu verletzten und in
die Flucht zu schlagen. Da die Frauen das Gelände, auf dem Mike
sich, gründend in seiner relikatartigen Existenz, doch anscheinend
so sicher zu bewegen vermochte, besser beherrschen als er selbst,
kehren sie nun den Spieß um, und beginnen Mike zu jagen. Diese Jagd
muss hierbei auch, auf symbolischer Ebene, als eine Revolution gegen
die Heteronormativität der Bilder, die in Mike Konzentration
erfährt, angesehen werden. Die „neuen“ Frauen setzen sich gegen
die „alten“ Männer, nicht nur symbolisch zu Wehr und bekämpfen
sie in ihrem orginären Jagdgebiet.
Letztendlich
ist es Mike, der die Jagd verliert, von den Frauen gestellt wird und,
wiederum höchst symbolisch, im Faustkampf von den Frauen getötet
wird. Den finalen Schlag setzt dabei die Frau, die zu Beginn der
Episode zwischen den beiden Frauenpolen schwankte, sich aber durch
den finalen Todesstoß zu einem vollwertigen Mitglied der Gruppe
wandelt. Hier endet der Film. Das Ende des Films ist somit nicht nur
das Ende von Stuntman-Mike, sondern auch das Ende der
phallozentrischen Ordnung, die der tote Mike und sein zerstörtes
Gefährt verkörperten und symbolisierten. Die neue Imagination von
Weiblichkeit im Action-Film siegt letzten Endes über die alten,
heternormativen, Heroen, die ihre Macht allein aus dem Phallus zu
speisen vermochten. Somit ist dieses Ende nicht nur ein Sieg der
neuen Bilder über die Alten, sondern ein Sieg Bellerophons über die
Chimäre, auch wenn eben dieser griechische Held in Trantinons Vision
eine Gruppe von Frauen ist. Tod sind alle Heroen, lang leben die
neuen Heldinnen!
Literatur: Ahrendt-Schulte,
Ingrid: Weise Frauen – böse Weiber. Die Geschichte der Hexen in
der Frühen Neuzeit, Freiburg, 1994Ahrens,
Jörn: Wie aus Wildnis Gesellschaft wird. Kulturelle
Selbstverständigung und populäre Kultur am Beispiel von John Fords
'The Man Who Shot Liberty Valance', Wiesbaden, 2012Barthel,
Korinna: Das Quentchen Gewalt. Heiße und kalte Gewalt in den Filmen
Quentin Tarantinos, Marburg, 2005Baudrillard,
Jean: Der symbolische Tausch und der Tod, München, 1982Ders.:
Kool Killer oder der Aufstand der Zeichen, München, 1978Cuntz,
Vera: SheDevils. Kaneto Shinados Onibaba & Kuroneko, in:
:Ikonen:, einzusehen unter:
http://www.ikonenmagazin.de/artikel/Shindo.htm.
Letzter Zugriff am 22.03.2013 um 20:07 Uhr. Dijkstra,
Bram: Das Böse ist eine Frau. Männliche Gewaltphantasien und die
Angst vor der weiblichen Sexualität, Hamburg, 1999Fischer,
Robert, u.a.: Quentin Tarantino, Berlin, 2004Howard, Josiah: Blaxploitation
Cinema: The Essential Reference Guide, Fab Press, 2008Jünger,
Ernst: In Stahlgewittern, Stuttgart, 1978Kaltenecker,
Siegfried: Ich bin die,der ich bin. Das männlich-heterosexuelle
Crossdressing und die Komödie In: Ders., Spie(ge)lformen.
Männlichkeit und Differenz im Kino, Basel, 1996 Monaco,
James: Film verstehen. Kunst.Technik.Sprache.Geschichte und Theorie
des Films und der neuen Medien, Hamburg, 2007Stiglegger,
Marcus: Inquisition, in: Splatting Image, einzusehen unter:
http://www.ikonenmagazin.de/artikel/hexen_nonnen.htm.
Letzter Zugriff am 22.03.2013 um 20:06ders.:Ritual
und Verführung. Schaulust, Spektakel und Sinnlichkeit im Film,
Berlin, 2006Theweleit,
Klaus: Männerphantasien 1+2, Frankfurt am Main, 2000Verwendete
Filme: Alle
Filme unter der Regie von Quentin Tarantino sind aus der folgenden
Veröffentlichung:Stuidocanal:
Tarantino XX – 20 years of Filmmaking, Blu-Rays, 20131Alle
Tarantino Filme die Versionen aus der folgenden
Gesamtwerksveröffentlichung: Stuidocanal: Tarantino XX – 20 years
of Filmmaking, Blu-Rays, 2013 „From Dusk Till Dawn 2Howard,
Josiah: Blaxploitation Cinema: The Essential Reference Guide, Fab
Press, 2008 3Samules,
Stuart: Midnight Movies: From the Margin to the Mainstream, 2005.
Vgl. http://www.imdb.com/title/tt0457414/.
Letzter Zugriff am 21.03.2013 um 22:41 Uhr. 4
Barthel, Korinna: Das Quentchen Gewalt. Heiße und kalte Gewalt in
den Filmen Quentin Tarantinos, Marburg, 2005 5
Stiglegger, Marcus: Ritual und Verführung. Schaulust, Spektakel und
Sinnlichkeit im Film, Berlin, 2006 6Howard,
Josiah: Blaxploitation Cinema, a.a.O. 7Kaltenecker,
Siegfried: Ich bin die,der ich bin. Das männlich-heterosexuelle
Crossdressing und die
Komödie. In: Ders., Spie(ge)lformen. Männlichkeit und Differenz
im Kino, Basel und
Frankfurt/Main, Stroemfeld, 1996 8Tarantinos
Werk wird hierbei nicht in der „Grindhouse“-Version rezitiert,
sondern in der deutschen Kinofassung, die der
Studiocanal-Veröffentlichung entstammt. 9
Diestelmeyer, Jan: M. Butterfly (1993). In Marcus Stiglegger (Hg.),
David Cronenberg, Berlin, Bertz + Fischer, 2011, 212-216. 10Stiglegger,
Marcus: Ritual und Verführung, a.a.O. 11Jünger,
Ernst: In Stahlgewittern, Stuttgart, 1978 12Baudrillard,
Jean: Der symbolische Tausch und der Tod, München, 1982 sowie:
Ders.: Kool Killer oder der Aufstand der Zeichen, München, 1978 13Ahrens,
Jörn: Wie aus Wildnis Gesellschaft wird. Kulturelle
Selbstverständigung und populäre Kultur am Beispiel von John Fords
'The Man Who Shot Liberty Valance', Wiesbaden, 2012