Samstag, 12. Oktober 2013

AIDS-nur ein Problem in „Drittweltländern“?


Ein Gastbeitrag von Marlen Sommer:



I just think that the premise of discussion of HIV status is ridiculous in the context of a dark, slippery sexual situation. My assumption was, it's the year 2000. He wasn't mentally challenged. He did not have a learning disability. He seemed pretty normal. He wasn't a fresh 18-year-old off the farm. He was a middle-aged, decent-looking, healthy guy. So if he's wanting me to penetrate him without a condom, I'm assuming that he's positive himself, because a lot of people who are positive like to get fucked without a condom.“1


Die, im Zitat von einem jungen Mann geschilderte Sexualpraktik, namens „Bareback“, bezeichnet den ungeschützten Verkehr homosexueller Männer, bei dem eine bewusste Entscheidung gegen den „Safer Sex“ getroffen wird und damit das Risiko einer Ansteckung mit dem HIV-Virus in Kauf genommen wird.
In einem Zeitraum von nicht einmal 15 Jahren hat der Begriff und die, mit ihm bezeichnete Sexualpraktik ihren Weg aus den dunklen, subkulturell determinierten, US-Darkrooms in den amerikanischen und europäischen Mainstream gefunden.
Der Gedanke, dass Barebacking eine „etwas verwirrte Einzelmeinung“ und Praktik einiger weniger homosexueller Männer darstellt, ist, in Anbetracht der Masse an Praktizierenden, schlicht und ergreifend falsch.
Einen ersten Eindruck vermittelt hierbei die mediale Vermittlung von Barebackpornografie: Pornografische Filme mit homosexuellen Praktiken, in denen eben kein Safer-Sex praktiziert wird, schaffen es in Europa auf einen Marktanteil von 60%! In Filmen mit heterosexuellen Inhalten ist die Rate von Safer-Sex sogar nochmals deutlich niedriger, beziehungsweise bildet er hier, um genauer zu sein, eher die Ausnahme der ungeschützten Regeln.
Nachdem in den 1980er die „Entdeckung“ von AIDS zu einem starken Umdenken in Bezug auf Verhütung beim sexuellen Verkehr, gerade unter homosexuellen Partnern, führte, ist seit einigen Jahren nun eine dimetrale Bewegung im Gange: AIDS wird nicht mehr als die todbringende Erkrankung angesehen, sondern vielmehr als ein Moment des thanatorischen Nervenkitzels im sexuellen Akt.2
Das das Thema „Bareback-Sex“ bei Weitem kein Randgruppenthema mehr ist, lässt sich nicht zuletzt aber auch daran erkennen, dass bekannte Zeitungen, wie zum Beispiel „Die Zeit“ mit Artikeln wie zum Beispiel „Sex auf Leben und Tod“, zu dieser Thematik schon vor Jahren Stellung bezogen haben.3

Barebacking ist längst nicht mehr nur in der Szene, in welcher sich dezidiert homosexuelle Männer bewegen, als ein abstraktes Phänomen anzusehen, was sich gerade daran messen lässt, dass sich einstige subkulturelle soziale Codes, wie der des „Hanky Codes“, in eben dieser Szene und weit über sie hinaus, etabliert haben. Der Hanky Code, zu deutsch: der Taschentuch Code, bezeichnet eine Methode, auf deren Wege Männer in der Lage sind sich gegenseitig auf der Straße, in Bars, Clubs oder Parks erkennen können, und mit der Farbe, als auch der Lage (rechts oder links) Auskunft über die eigenen sexuellen Interessen preisgeben4. Die Vorliebe für die Sexualpraktik des Bareback wird hierbei durch eine eigene Farbkombination, blau und weiß, signalisiert. Ob das Tuch auffallend rechts oder links, zum Beispiel in der Hosentasche, getragen wird, spielt bei dieser Praktik keine Rolle5. Die Zuordnung rechts/links gibt hierbei immer über eine dichotome Verortung, wie aktiv/passiv, sub/top usw., Auskunft. Ebenso gibt es für die Praktik des Safer-Sex eine eigne Farbordnung, schwarz-weiß kariert.

Obwohl geschätzte Marktanteile von 60% „Bareback-Pornographie“, Geschichten von HIV-Infektionen während Pornodrehs6 oder auf Sexpartys und farbige Codezies, die über Taschentücher vermittelt werden, wie dystopische Anekdoten aus einem unbekannten Universum anmuten, präsentieren sie in ihrem Kern eine traurige und zumeist tödliche Wahrheit: Die Rezeption von AIDS als Krankheit, die Gefahren der Ansteckung und die Folgen einer Infektion haben sich innerhalb der letzten Jahre radikal verändert.
Eine Veränderung die aus zweierlei Gründen, von solch hoher Bedeutung ist. Zum Einen, da sie sich nicht in irgendeinem entfernen und als „Entwicklungsland“ degradierten Land vollzog, sondern mitten in unsrer Gesellschaft, in der doch der Konsens immer der ist, bzw. eher war, dass die Konsequenzen von AIDS als Allgemeinbildung anzusehen sind. Zum Anderen, weil sie sich, wie im Folgenden dargestellt wird, in ihrer konstituierenden Logik vollends gegen die vorherrschende Logik der Prävention richtet und damit, letztendlich, ein Phänomen abbildet, dass gerade wegen seiner Logik des paradoxen besonderer und intensivierter Betrachtung bedarf.
Laut WHO (Weltgesundheitsorganisation) sind die Zahlen der HIV-Neuinfektionen in den Europäischen Regionen steigend. Über 121.000 neue HIV-Diagnosen wurden 2011 aus Europäischen Regionen gemeldet. Schätzungen allerdings besagen, dass die Zahl der tatsächlichen Neuinfektionen im selbigen Jahr bereits bei über 170.000 lag.
Insgesamt ist hierbei von mehr als 2,3 Millionen HIV-Infizierten die Rede. Als am stärksten Betroffene gelten laut WHO „gefährdete“ und „ausgegrenzte“ Bevölkerungsgruppen. Hier werden neben der Gruppe der Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten, auch die der injizierenden DrogenkonsumentInnen, SexarbeiterInnen, Häftlinge und MigrantInnen genannt. AIDS wurde in den Ländern Westeuropas am häufigsten bei Männern mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten diagnostiziert7.

In Rekapitualtion zur sexuellen Praktik des Bareback-Sex muss hieraus wiederum folgen, dass trotz des Wissens um die Ansteckungsmöglichkeiten und die nicht zu unterschätzenden Konsequenzen, welche dieses Krankheitsbild mit sich bringt, die obig angesprochenen Gruppen und Andere, diese Gesundheitlichen Risiken bewusst in Kauf nehmen. Im Besonderen eben jene Männer mit dominierend und ausschließlich gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten.
Dieses Verhalten zeugt von einem Prozess der Identitätsbildung, der seinen dominierenden Moment der Konstitution aus einem Moment des bewussten Vergessens gesellschaftlich geteilter Wissensbestände speist8.
Wenn davon ausgegangen wird, dass Handlungen zugleich immer auch Sinn erzeugen, dann muss, in Bezugnahme auf die Präventivpolitik diverser Organisationen9, davon ausgegangen werden, dass in Bezug auf die Wirksamkeit von Präventionsarbeit immer noch dominierend eine Annahme die Richtlinie definiert, nämlich die, das durch Aufklärung, im Sinne von Wissen über einen bestimmten Tatbestand, eine Änderung im Handeln erreicht werden kann.
In Bezug auf die, in diesem Essay verhandelte, Problematik bedeutet dies wiederum, dass ein Glauben vorherrscht, der davon ausgeht, dass das Handeln, also der Sex ohne Verhütung und die, damit einhergehende, Gefahr der Infektion, sich dadurch bekämpfen lässt, indem über dessen, zum Teil tödliche, Konsequenzen unterrichtet wird.

Der Akt des Bareback Sex ist deswegen, ganz im Sinne Erika Fischer-Lichtes10, als ein performativer Akt anzusehen, der einer dualistischen Funktion unterliegt. Er generiert Gemeinschaft über den Akt selbst und den Prozess des aktiven Vergessen/s (wollens). Der sexuelle Akt, ohne Kondom, der die Gefahr einer Ansteckung aktiv negiert und die Person damit in die Gemeinschaft derjenigen, die die Gefahr vergessen, initiiert. Zugleich aber formt dieser passiv nihilistische Akt, ganz im Sinne Alain Badious11, eine makrokosmische Dimension ab, die sich dezidiert gegen die gesellschaftliche Ordnung richtet. Der Akt des Bareback ist somit letztendlich nicht nur individueller Nervenkitzel, sondern Moment, indem die, von der Gesellschaft dem Individuum aufgezwungene, Andersartigkeit aktiv gelebt und in einer, wenn auch extrem gefährlichen Art, gegen die Gesellschaft selbst gerichtet wird. Das Klischee und die diskriminierende Zuschreibung des dekadenten Homosexuellen, auf den selbst „Die Zeit“ in ihrem, bereits erwähnten Artikel mit dem Untertitel „Bareback-Partys sind der letzte Kick unter Schwulen-ein Zeichen von Hoffnungslosigkeit und Dekadenz“ Bezug nimmt, wird hierbei aus seiner Dimension der symbolischen Zuschreibung gerissen und zum Moment der real-physischen Gruppenkonstitution. Der Akt selbst aber speist seinen Moment der Dekadenz nicht aus dem Moment der Gefahr, denn mehr in der, hier Jean Baudrillard folgend12, der Reintegration des Todes und der Verletzbarkeit des eigenen und des fremden Körpers. Die letzten Bastionen der westlichen Tabuisierung.

Am Ende dieses Essays muss deshalb festgehalten werden, dass der Bareback Akt, gerade im Moment seiner performativ immanenten Singerzeugung, ein Akt ist, der nicht mit den, gesellschaftlich vorherrschenden, Kategorien der Prävention erfasst und erklärt werden kann. Der Akt selbst ist es, der den grundlegenden Moment unsrer gesellschaftlichen Konstitution negiert, nämlich die Anwendung menschlicher Ratio und stattdessen einem Moment des bewussten Vergessens und der bewussten Negation frönt.
Ein Akt der seine Wucht nicht nur auf der soziologischen Ebene der Gruppenkonstitution entfaltet, sondern, und dies wiegt hierbei viel schwerer, gerade auch in Bezug auf das Leben vieler individueller Menschen, die mit dem Vollzug des Bareback-Aktes bewusst den eigenen Tod zum Moment ihrer Subjektgenese generieren.

Sie mögen ihre Zeichen den geschundenen Körpern einbrennen, letztendlich stehen ihre Zerstörungen doch für sich.“13



Marlen Sommer



Quellen


Baudrillard, Jean: Der Geist der Terrorismus, Wien, 2003, S.19-20.

Berking, Helmut: Kulturelle Identitäten und kulturelle Differenz im Kontext von Globalisierung und Fragmentierung, in: Loch, Dietmar; Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.): Schattenscheiten der Globalisierung. Rechtsradikalismus, Rechtspopulismus und separatistischer Regionalismus in westlichen Demokratien, Frankfurt am Main, 2001

Fischer-Lichte, Erika: Ästhetik des Performativem, Frankfurt am Main, 2004, S. 19-20.

Pluth, Ed: Badiou. A Philosophy Of The New, Cambridge, 2010

Stiglegger, Marcus: Begleitheft zu „Die 120 Tage von Sodom“, veröffentlicht in: Die 120 Tage von Sodom, Kino Kontrovers. Legend Films, DVD.
1Interwievpassage eines anonymen Barebackers. Zit.n.: „Glenn Gaylord“ from AIDS Project Los Angeles (2000), auf: www.thebody.com, einzusehen unter: http://www.thebody.com/content/art32638.html.Letzter Zugriff am 28.05.2013 um 8:46 Uhr.
2Vgl. Klein, Dennis (2008), Bareback-Skandal in Englands Porno-Szene, auf: www.queer.de, einzusehen unter: http://www.queer.de/detail.php?article_id=8396. Letzter Zugriff am 28.05.2013 um 8:46 Uhr.
3Joop, Wolfgang (2004), auf: www.zeit.de, einzusehen unter: http://www.zeit.de/2004/49/aids-Joop. Letzter Zugriff am 28.05.2013 um 8:46 Uhr.
4Lewis Chris (2010), auf: www.odps.org, einzusehen unter: http://www.odps.org/glossword/index.php?a=term&d=8&t=7363. Letzter Zugriff am 28.05.2013 um 18:30 Uhr.
5berlin.gay-web.de (Hrsg.) (2010), auf: http://web.archive.org, einzusehen unter: http://web.archive.org/web/20100604045133/http://berlin.gay-web.de/kontakte/index_hankys.shtml. Letzter Zugriff am 28.05.2013 um 19:00 Uhr.
6Interwiev eines anonymen Barebackers. Vgl.: „Glenn Gaylord“ from AIDS Project Los Angeles (2000), auf: www.thebody.com, einzusehen unter: http://www.thebody.com/content/art32638.html. Letzter Letzter Zugriff am 28.05.2013 um 8:46 Uhr.
7Vgl. WHO (Hrsg.) (2012), auf: http://www.euro.who.int, einzusehen unter: http://www.euro.who.int/de/what-we-do/health-topics/communicable-diseases/hivaids/news/news/2012/11/hiv-rising-in-europe. Letzter Zugriff am 28.05.2013 um 18:45 Uhr.
8Vgl. Berking, Helmut: Kulturelle Identitäten und kulturelle Differenz im Kontext von Globalisierung und Fragmentierung, in: Loch, Dietmar; Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.): Schattenscheiten der Globalisierung. Rechtsradikalismus, Rechtspopulismus und separatistischer Regionalismus in westlichen Demokratien, Frankfurt am Main, 2001
9Vgl. z.B. die ausführliche Kategorie „Sich schützen“ der Deutschen AIDS Hilfe, einzusehen unter: http://www.aidshilfe.de/de/sich-schuetzen oder die Seite http://www.aids.org/, die in ihrem Untertitel „Information, Education and Action“ dirket die Triangulation von Wissen und einem hieraus resultierenden Handeln suggeriert. Letzter Zugriff auf beide Quellen am 28.05.2013 um 8:58 Uhr.
10Fischer-Lichte, Erika: Ästhetik des Performativem, Frankfurt am Main, 2014. S. 82.
11Vgl. Pluth, Ed: Badiou. A Philosophy Of The New, Cambridge, 2010
12Vgl. Baudrillard, Jean: Der Geist der Terrorismus, Wien, 2003. S.19-20.

13Stiglegger, Marcus: Begleitheft zu „Die 120 Tage von Sodom“, veröffentlicht in: Die 120 Tage von Sodom, Kino Kontrovers. Legend Films, DVD.

Samstag, 20. Juli 2013

Zurück zu den Wurzeln der Zukunft Au Bout Du Monde - The Jules Verne Compilation



Es gibt literarische Figuren, deren Geschichten so oft erzählt wurden, dass sie einem nicht mehr vorkommen wie Fiktionen, sondern wie immer dagwesene Begleiter. Der, die Tiefsee bereisende Kapitän Nemo ist mit Sicherheit eine dieser Figuren. Ein rätselhafter Mann, der Jung wie Alt gleichermaßen begeistert, gerade weil seine Geschichte in all ihrer symbolischen Konnotation die komplexen Schwierigkeiten des modernen Subjekts im Angesicht des rasanten technischen Forschritts verkörpert und das, obwohl das Werk “20.000 Meilen unter dem Meer” erstmalig im Jahr 1869-1870 erschien.

Es sind neben diesen komplexen Charakteren die schillernden Welten und die technischen Raffinessen, welche immer wieder dafür sorgen, dass das Werk Jules Vernes einen in seinen Bann zieht. Einem Bann, dem sich auch eine ganze Riege großartiger Künstlerinnen und Künstler nicht entziehen konnte und die nun ihre Ergebnisse in Form der “Au Bout Du Monde - The Jules Verne Compilation” präsentieren – eine Art musikalische Auseinandersetzung mit den Wurzeln der Ästhetik des Steampunk.
Die Schar der Beteiligten erstreckt sich dabei von altgedienten Helden des Post-Punk, wie Tony Wakeford (Sol Invictus), über hoffnungsvolle New-Comer Bands, wie :MARS:, bis hin zu bislang eher weniger in Erscheinung getretenen, dafür aber umso überragenderen Projekten, wie zum Beispiel THE TRAIL.


Musikalisch spannt die Compliation dabei einen beindruckenden und facettenreichen Bogen, was, vorrausgesetzt der eigenen Offenheit gegenüber solch einer Ausrichtung, dazu führt, dass die musikalische Reise, die das Album initiiert, selbst wie eine wilde Fahrt mit Nemos legendärem Uboot “Nautulius” anmutet. Ruhige Folknummern wechseln mit krachigem Material, verspielte Gothic-Nummern mit experimentellen Stücken. Immer aber ist es die inhaltliche Konzentration auf Jules Verne und damit auch auf die Interdependenz zwischen Mensch, Industrie und technologischen Artefakten, die das Wesen der Compilation maßgeblich bestimmt.


Au Bout Du Monde - The Jules Verne Compilation ist in seiner Gesamtheit eine sehr spannende Zusammenstellung, gerade auch weil sie vielen bislang weniger bekannten Künstlerinnen und Künstlern die Chance gibt sich zu präsentieren.

Infos & Bestellung unter:


Die Dystopie als Utopie? Trent Reznor und die NINE INCH NAILS

Nichts bewahrt uns so gründlich vor Illusionen wie ein Blick in den Spiegel.“
-Aldous Huxley-




No Future!? Es ist die Vorstellung von der Stagnation der Geschichte - die Idee, dass sich nichts mehr ändern kann und auch erst recht nicht mehr wird, die die verschiedensten Subkulturen nach dem Ende des zweiten Weltkrieges zutiefst prägte. Wo das Credo der Punks zur selbstgefälligen Rechtfertigung wurde, da war es die Kultur des Industrial, die in ihren Performances die Horrorszenarien einer hochtechnisierten Ordnung künstlerisch ver- und bearbeitete.
Theorien, wie dass die technische Entwicklung der Moderne geradewegs hinein in die Kanonenrohre der Weltkriege und die Öfen der Konzentrationslager führten, bildeten Momente, die Gruppen wie „THROBBING GRISTLE“ konsequent zum Thema ihrer künstlerischen Agenda erhoben. Die Vorstellung von der Zivilisierung als endgültiger Befriedung – eine enttäuschende Illusion!
Doch auch wenn die dystopischen Vorstellungen vom Ende der Geschichte uns immer wieder aufs Neue faszinieren, so gibt es immer noch DenkerInnen, deren Überlegungen fest in der utopischen Überzeugung wurzeln, dass sich eines Tages alles grundlegend ändern könnte. Der Philosoph Alain Badiou gehört zu diesen Denkern und seine Vorstellungen von der Veränderung kumulieren im Begriff des Ereignisses:

Ein Ereignis ist für mich etwas, das eine Möglichkeit erscheinen lässt, die unsichtbar oder sogar undenkbar war.“1

Was aber verbindet die Dystopie des Industrial, die NINE INCH NAILS (NIN) und Badious Vorstellungen vom Ereignis? Mehr, als vorerst anzunehmen ist!

Trent Renzor, Begründer und einziges permanentes Mitglied der NIN, hat bei Weitem keinen Grund sich zu beschweren. Seine Musik wurde mit den höchsten Musikpreisen ausgezeichnet und verkaufte sich von Beginn an sensationell gut.
Johnny Cash coverte das Lied „HURT“ von Reznors Opus Magnum „THE DOWNWARD SPIRAL“ und prominente Musiker, wie Dave Grohl, sind Gäste auf aktuelleren Alben. Im Jahr 2011 folgte ein weiterer Höhepunkt: Die Musik zu David Finchers „THE SOCIAL NETWORK“, die Reznor zusammen mit Atticus Ross komponiert hatte, erhielt einen Oscar.
Zur Zeit sind es wohl die immer wieder aufkommenden Gerüchte, dass das Werk „YEAR ZERO“ der NIN aus dem Jahr 2007 für den Sender HBO in eine Mini-Serie verwandelt werden soll, die nicht nur Musik- sondern auch Filmfans aufhorchen lässt.
Jedoch ist es nicht der Erfolg oder die Sehnsucht nach Rum und Anerkennung, die Raznor antreibt, sondern seine radikale und kompromisslose Wut, als Resultat der eigenen Ohnmacht und zugleich sein Glaube und Wunsch nach Veränderung.
Früh findet diese Attitüde im Werk „THE DOWNWARD SPIRAL“ ihren brachialen Ausdruck. Im Song „PIGGY“ formuliert Raznor wie folgt:

„Nothing can stop me now
I don't care anymore“

Die Zeile „Nothing can stop me now“ taucht dergestalt noch in vielen weiteren Songs der NIN auf und kann zurecht als die zentrale Botschaft des gesamten Oeuvres angesehen werden; gerade weil sie in dualistischer Funktion auf die Wurzeln der NIN verweist, zugleich aber immer auch einen Moment der Utopie transportiert.

Immer wieder wird das Schaffen der NIN in Bezug zu Gruppen wie „THROBBING-GRISTLE“ oder „SPK“, gesetzt. Was hierbei jedoch klar sein sollte, ist, dass die NIN ideell, wie musikalisch, der Band „MINISTRY“ immer näher standen, als den experimentellen Geräuschorgien von Genesis Breyer P-Orridge und Co. Was die NIN mit dem Industrial aber wiederum eint, ist der Modus der Kritik: Wenn Diedrich Diederichsen vom Pop als einem Ort spricht, indem Männer ihre Liebe zu Frauen besingen, dann verweist diese Hypothese auf eine wichtige Tatsache, nämlich die, dass Kritik im Pop ein ziemlich unerwünschter Faktor ist und höchstens in solch pathetisch „subversiven Dimensionen“ wie dem letzten UNHEILIG Hit zu denken ist, der die ganze Familie gemeinsam vor dem heimischen Radio vereint.
Es ist die radikal pessimistische Aggression gegenüber der gesellschaftlichen Ordnung, die sich bei den NIN ganz im Geiste des Industrial vollzieht, gepaart mit dem Glauben, dass sich eines Tages doch noch alles ändern könnte. Eben jener Gestus der seinen kompromisslosesten Ausdruck in der Zeile „Nothing can stop me now“ findet!

Auch wenn sich diese inhaltlichen Momente, gerade in ihrer monumentalen musikalischen Inszenierung, zum Teil nicht dagegen erwehren können, in Naivität, Kitsch und Pathos zu verfallen, so ist es die inhaltliche Gesamtheit, die den Glauben und Hoffnung weckt, dass es Reznor wirklich ernst um das ist, was er mit seiner Musik zum Ausdruck bringt: Die Hoffnung, ganz im Sinne Alain Badious, dass sich eines Tages etwas unvorhersehbares ereignet, dass alles ändern könnte. Gepaart mit dem Blick des Künstlers in den Spiegel, der die NIN vor allzu viel Utopie befreit und der sich in ihrem Werk immer wieder im großen Unbehagen über den gesellschaftlichen, wie individuellen, Status Quo niederschlägt. Die NINE INCH NAILS sind eines der wichtigsten popkulturellen Phänomene der letzten Jahrzehnte. Gerade weil sie einen Gedanken in den Pop getragen haben und seitdem immer wieder aufs Neue ausformulieren und ihrem Publikum entgegenschreien: Der Status Quo ist nicht das Ende der Geschichte!
Der arabische Frühling, Griechenland, die Türkei und Brasilien haben es längst gezeigt: Die philosophische und musikalische Idee vom Umbruch ist nicht längst keine Illusion mehr...

Nothing can stop us now!




1Badiou, Alain; Tarby, Fabien: Die Philosophie und das Ereignis. Mit einer kurzen Einführung in die Philosophie Alain Badious, Wien, 2012 S.17

Dienstag, 19. März 2013

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It's the massage that makes the music!


Hass als Emotion der kollektiven Identitätsbildung am Beispiel der medial generierten Vergemeinschaftung deutscher neonazistischer Subkulturen




Die vollständige Arbeit kann unter folgendem Link kostenlos als pdf-Datei heruntergeladen werden: HIER!

Wir haben die jetzt bekannt gewordenen Täter nicht wirklich verstanden. Wir haben ihre Dimension ihres Hasses ebenso unterschätzt wie ihren Willen zur Tat.“1

Dieses Statement, dass Heinz Fromm, damals noch Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutzes, nach dem Bekanntwerden der Existenz einer Organisation, die sich selbst als „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) deklarierte, der Presse zu Wort gab, markiert einen Endpunkt. Ein Endpunkt mit mannigfaltigen Facetten. Primär hatte erst das physische Ende der beiden Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die sich, nach einem misslungenen Banküberfall und einem Schusswechsel mit der Polizei, in einem Wohnwagen, den sie als Versteck genutzt hatten, selbst richteten2, zum Bewusstsein über die Existenz einer Organisation geführt, die seit mehr als zehn Jahren mordend durch die Bundesrepublik zog.
Eben dieser Sachverhalt markiert dann auch den zweiten Endpunk: Er markiert das Ende der Mordserie von Böhnhardt und Mundlos, deren Opferzahl bis heute noch nicht vollends festgelegt werden kann, die aber auch zur Zeit +/- zehn Menschenleben festgesetzt wird3.
Weiterführend markiert die Aussage von Fromm aber auch das Ende einer Entwicklung, dass für die drei TerroristInnen, Böhnhardt, Mundlos und die überlebende Beate Zschäpe, zu Beginn ihres Untergrundkampfes stand: Es ist das Ende einer Entwicklung einer politischen Radikalisierung, die sich dominierend um eben diese, von Fromm angeführte, Dimension des Hasses drehte. Eine Radikalisierung, die ihren Anfang im thüringischen Jena nahm, dass in den 1990er Jahren mit den Folgen der Wiedervereinigung konfrontiert wurde und die in ihrer Form so einzigartig, wie es in Anbetracht der drei Täterinnen und Täter vorschnell scheint, gar nicht ist. Die Neonaziszene, beziehungsweise das, was unter einer neonazistisch geprägten Subkultur gruppiert werden kann, erlebte in den 1990er Jahren, kurz nach der Wiedervereinigung, einen großen Aufschwung und versuchte mit mannigfaltigen Arten der Agitation die „neuen Handlungsräume“ für sich zu gewinnen. Ein Prozess, der zu diesem Zeitpunkt immer stärker staatlicher Repression unterlag, da die Rechtsradikalen, bedingt durch extreme Gewaltanwendungen, verstärkt in den Fokus staatlicher Sicherheitsorgane geraten waren4. Dominierend und sehr erfolgreich vollzog sich die politische Indoktrination aber vor allem auf einem Feld und unter zur Hilfenahme eines Mediums: Jugend und Musik!
Für die stark identitätsbildenden- und gruppenidentitätsbildenden Momente der Musik gibt es zahlreiche Beispiele. Dies lässt sich gerade eben an jenem Umstand aufzeigen, dass oftmals eben jene Versuche in starke Schwierigkeiten geraten, die versuchen Momente der Gruppenkonstitution abseits von musikalischen Bezugspunkten zu definieren5. Die Musik bestimmt, definiert und verhandelt das Wesen und den Geist der Gruppe, die sie konstituiert und somit zugleich auch immer konstruiert. Sie ist Bilderreservoir und zugleich Verhandlungsort der eigenen Bilderwelten. Hans Wanders zeigt dies auf sehr komprimierte Weise in seinem Artikel „The wonderful and frightening World of...Gothic, Grufts und Industrial – die schwarze Szene und deren Musik im Überblick“6. Das eben diese Form der, in der Musik ihren Ursprung findende, Vergemeinschaftung auch in Bezug auf neonazistische Formen der Subkulturen anwendbar ist, zeigen Theresa Wobbel und Dirk Trüller in ihrem Aufsatz „Georg Simmels Soziologie emotionaler Vergemeinschaftungen. Zur Gruppenbildungen in der rechten Skinheadszene“7. Auch die Annahme der beiden AutorInnen am Ende ihrer Abhandlung, die zu dem Schluss kommt, dass die Musik, die auch sie als das entscheidende Medium für die Vergemeinschaftung begreifen8, eine „Doppelstruktur von kognitiver und emotionaler Wirklichkeitskonstruktion“ bildet9, wird innerhalb dieser Arbeit vollends geteilt.
Allerdings sehen die beiden AutorInnen in den Emotionen, die die Musik evoziuert und die die Wirklichkeit der neonazistischen Subkuturen ihrer Meinung nach konstruieren10, mannigafltige Facetten von Emotionen. So heißt es:

Im Binnenraum der Gruppe werden Emotionen wie Freude und Spaß in Gang gesetzt, die Gemeinschaft verdichten; zugleich werden Emotionen wie Feindseligkeit und Hass moduliert.“11

Innerhalb dieser Arbeit soll die Ansicht herausgearbeitet werden, dass eben jener Moment des Hasses einer ist, der nicht nur zugleich, sondern immer primär moduliert wird. Hieraus folgt, dass in den, von der Musik produzierten, Gefühlen, eine klare Ebene der Hierarchie eingezogen wird: Der Hass ist primärer Kommunikationsfähig. Erst aus ihm speisen sich Momente wie Feindseligkeit und daraus das, was die AutorInnen als „Handlungsorientierung“ begreifen.

Die Handlungsorientierungen sind auf die Erlebnisdimension ausgerichtet. Die erzeugte ambivalente Gefühlsstimmung erleichtert schnelle Mobilisierung von Emotionen.“12

Das die, musikalisch begründete Gemeinschaft, ihre emotionales Erleben zumeist in kognitives Erleben transformieren will, ist, im Angesicht der Häufungen rechtsradikal motivierter Gewaltaten, eine logische, wenn auch traurige Konsequenz, in der das „NSU“-Trio den radikalsten und totalitärsten Punkt der Entwicklung beschreibt. Diese Arbeit will jedoch aufzeigen, dass die Musik nicht nur die Kreation und Evozierung von Emotionen, auf die später beliebig zugegriffen werden kann, um „Mensch, Masse und Material“ zu aktivieren, erfüllt, sondern zugleich auch und dies sogar vorrangig, kollektive Bilder und Bilderwelten in den Köpfen ihrer MitgliederInnen verankert, die, das ist ebenso Erkenntnisinteresse dieser Arbeit, der bipolaren Ordnung neonazistischer Ideologie entsprechen. Das der Prozess der Vergemeinschaftung von und durch Musik nicht nur auf das Hören eben dieser Reduktion erfahren kann und darf, begreifen auch Wobbel und Trüller. Auch sie führen weitere Kategorien für die Gemeinschaftsbildung an. Nichts desto trotz vergessen sie eines der wichtigsten Ereignisse: Das Hören von Musik im Kollektiv. Das Konzert oder das gemeinsame Fest. Dabei muss gerade eben dieser Moment der gemeinsamen Freizeitgestaltung, indem das, was die Musik evoziert und die Lebenswelten der verschiedenen AkteuerInnen der Gemeinschaft aufeinandertreffen, als der wichtigste Moment in der Vergemeinschaftung von neonazistischen Subkulturen aufgefasst werden.
Das solche ästhetischen Inszenierungen von Wirklichkeit einen extrem hohen Stellenwert für die Szene besitzen, zeigen die diverse Texte im Buch Buch „Rechtsrock“ des Herausgebers Christian Dornbusch, auf die in den folgenden Ausführungen ausführlicher Bezug genommen werden soll, zum Teil sehr detailliert13. Im Buch von Andreas Speit über rechtsextreme Tendenzen in der Dark Wave Subkultur und im Besonderen in deren Abspaltung der Gattung des Neofolk, wird diese Bedeutung multimedialer Inszenierungen bereits im Titel aufgeführt: Ästhetische Mobilmachung14.
Innerhalb dieser Arbeit soll diese, doch recht oberflächliche Erkenntnis weitere Spezifikation erfahren. So ist doch die Frage nicht, was, in Bezug auf die Vergemeinschaftung wirkt, sondern warum eben dies seine Wirkung entfalten kann. Das „Was“ ist hierbei mit den Konzerten leicht beantwortet werden. Das „Warum“ aber gestaltet sich hierbei durchaus differenzieller. Innerhalb dieser Arbeit soll die Wirkung von solch sozialen Ereignissen unter Bezugnahem auf drei TheoretikerInnen Untersuchung erfahren. Erika Fischer Lichte15, Katharina Schultz16 und Marcus Stiglegger17. Bei Letzterem wird zudem der Versuch unternommen, seine Seduktionstheorie des Films auf ein anderes Metier, nämlich das Konzert zu transformieren.
Die so gewonnen Erkenntnisse über die orginären Strukturen und die Funkltionssysteme, indem diese Strukturen ihre Wirkung entfalten, sollen zum Ende dieser Arbeit in Bezug zu konkreten historischen Epochen gesetzt werden, die innerhalb der neonazistischen Subkulturen ein extremes Maß an Vergemeinschaftung bedurften. Es handelt sich hierbei um zwei Abschnitte in der neueren Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Zum Einen die Jahre nach 1989, also jener Zeitraum, indem neonazistische Subkulturen und auch politische Kräfte der, zu diesem Zeitpunkt erstarkten, Rechten, die neuen Bundesländer als Agitationsterretorium zu gewinnen versuchten.
Als zweiten Zeitpunkt fokussiert diese Arbeit den Zeitraum ab 1992. Ein Zeitraum, indem neonazistische Subkulturen und im Besonderen ihre sozialen Ausdrucksformen, die Musik und ihre sozialen Gemeinschaftsaktione, die Konzerte, verstärkt in das Interesse staatlicher Sicherheitsorgane gerieten.
Diese beiden Zeiträume sind gerade auch aus einer Perspektive heraus interessant, definieren sie doch auch als solche eben jenen Zeitraum, indem sich Mundlos, Böhnardt und Zschäpe der Szene zuwandten, in diese vergemeinschaftet wurden und letzten Endes deren tödliche Saat des Hasses zu unvorstellbarer Blühen brachten.

    1.1. Hypothesen

Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit lässt sich auf drei Hypothesen aufsplitten. Die erste Hypothese in Bezug auf das Sujet dieser Arbeit lautet:

  1. Die Emotion Hass bildet den konstituierenden Moment neonazistischer Musik

Die zweite Annahme gründet in dieser, erweitert diesen Moment aber, indem sie die konkrete Funktionsweise der, so konstruierten, Musik hinterfragt. Die zweite Hypothese ist, auf die Gesamtheit der Arbeit bezogen, ihr wichtigster Teil, da sie konkret zu erfassen versucht, wie die Musik und wie die Gemeinschaft, unter Bezugnahme auf die Musik, sich konstruiert und konstituiert. Sie lautet:

  1. Die performative Inszenierung der Musik und der, diese Musik gestaltenden Emotionen, ist maßgeblicher Moment der Vergemeinschaftung neonazistischer Subkulturen und prägt dominierend deren kollektiv geteilte Imaginationen
Die dritte Hypothese kann und muss in direkter Korrelation zur zweiten Hypothese gelesen werden und dient dazu, deren Inhalt an konkrete historische Episoden rückzukoppeln. Sie lautet:

  1. In Zeiten, in denen die Gemeinschaft starker Momente der Gemeinschaft bedarf, zum Beispiel durch eine, so wahrgenommene, Bedrohung von außerhalb, radikalisiert sich die Gemeinschaft, was sich vor allem in der inhaltlichen Radikalisierung der Musik manifestiert.

    1.2. Erläuterungen zum Aufbau


Der erste Teil dieser Arbeit widmet sich in seinen Ausführungen konzentriert der soziologisch determinierten Analyse der Emotion Hass18. Hierbei wird zuerst zwischen der individuellen Dimension19 und einer kollektiven ausdifferenziert20. Hieran anschließend wird der Versuch unternommen, in Bezug auf Jörn Ahrens Werk „Wie aus Wildnis Gesellschaft wird“21, die Emotion des Hasses als eine Emotion, die gegen den zivilisatorischen Moment gerichtet ihr Sein entfaltet, zu definieren22.
Das folgende, dritte Kapitel dieser Arbeit, folgt dann der Diskussion der ersten Hypothese. Es versucht die Emotion Hass als die Emotion zu erfassen, die die Musik neonazistischer Subkulturen maßgeblich prägt und formt23. Die Analyse und Diskussion erfolgt hierbei nicht rein auf die künstlerischen Artefakte, soweit eben diesen überhaupt ein künstlerischer Wert zugesprochen werden kann24, bezogen, sondern inklusiviert kontinuierlich die verschiedenen historischen Entwicklungen und Ausdifferenzierungen der verschiedenen nationalen und internationalen neonazistischen Subkulturen.
Das vierte Kapitel ist, gründend in den Ausführungen der vorherigen, der zweiten Hypothese gewidmet. Diese Analyse ist hierbei dualistisch gestaltet. Sie widmet sich zum Einen der Reflektion von performativen Inszenierungen in Bezug auf die orginären faschistischen Bewegungen, im Besonderen, selbstredend, dem deutschen Nationalsozialismus. Im Vordergrund dieser Ausführungen steht hierbei der Stellenwert und die Funktion eben dieser performativen Insezenierungen in Bezug auf die Gemeinschaftsbildung, hierbei dominierend die der „Volksgemeinschaft“. Es wird aber zugleich, im Besonderen im Kapitel 4.1.2. Neofaschismus und Selbstinszenierung25, aber auch versucht, diese, in der Historie gründenden Ergebnisse, in Bezug zu gegenwärtigen Tendenzen in neonazistischen Subkulturen zu setzen.
Im Anschluss an diese Überlegungen folgt der Kernteil dieser Darstellungen. Er widmet sich der strukturellen Analyse der performativen Inszenierungen und fragt dominierend nach den Funktionsprinzipien und Effekten eben dieser Inszenierungen. Bezugspunkte eben dieser Teile sind dominierend die Schriften Stigleggers26, sowie Fischer-Lichtes27. Abschließend werden diese Erkenntnisse, gerade auch, weil die Hyopthese ja die Bildung kollektiver Images fokussierte, mit den Erkenntnissen Daniel Goldhagens28 und denen von Wobbel und Trüller in Bezug gesetzt, um letztendlich die Konstruktion der Gemeinschaft in ihrer Gänze erfassen zu können.
Das fünfte Kapitel, dass den Abschluss dieser Arbeit ausdefiniert, widmet sich, an die beiden vorherigen Teile anschließend, einer Fusion der beiden Erkenntnisse. In dem Versuch der konkreten Analyse von historischen Situationen, die die neonazistischen Subkulturen in Deutschland maßgeblich geprägt haben, nämlich das Wiedervereinigungsjahr 1989 und die Jahre ab 1992, in denen die Szene(n) erstmalig verstärkt mit starken, staatlich organisierten, Repressionsmaßnahmen umzugehen hatte, wird versucht an konkreten Beispielen und historischen Bezugnahmen aufzuzeigen, wie sich die subkulturelle Gemeinschaft in Zeiten, in denen es starker Momente der Vergemeinschaftung bedurfte, um die Kontingenz in ihren Formirrungen aufrecht zu erhalten, über die Musik radikalisierte und vergemeinschaftete und das eben die Emotion Hass den zentralen Kommulationspunkt dieser Prozesse abbildete.


Weiterer Inhalt:
  1. Einleitung und Aufbau
    1.1. Hypothesen
    1.2. Erläuterungen zum Aufbau
  2. Hass: Eingrenzungen und Abgrenzungen
    2.1. Individuelle Ebene
    2.2. Kollektiver Hass?
    2.3. Hass als Emotion gegen den zivilisatorischen Moment
  3. Hass als konstituierender Moment der neonazistischer Musik
    3.1. Entwicklungen neonazistischer Musik bis 1989
    3.2. Entwicklungen ab 1989
      3.2.1. Wiedervereinigung und „Aufbau Ost“
      3.2.2. Staatliche Repression ab 1992
    3.3. Neonazistische Musik und ihre mannigfaltige Ausdifferenzierung
  4. Vom Konzertbesuch zum Pogrom: Hass als Emotion der kollektiven Identitätsbildung und Vergemeinschaftung
    4.1. Faschismus und Emotionen
      4.1.1. Typologie des Faschismus nach Stanley Payne
      4.1.2. Neofaschismus und Selbstinszenierung
    4.2. Mechanismen der Seduktion und eine Ästhetik des Performativen
      4.2.1. Das Konzert als Medium mit seduktiver Qualität nach Marcus Stiglegger
      4.2.2. Das Konzert als eine Ästhetik des Performativen nach Erika Fischer Lichte
    4.3. Die emotional begründete Gemeinschaft als Prozess des bewussten Vergessens
  5. Der Hass in der Musik als Emotion der kollektiven Identitätsbildung und Vergemeinschaftung unter Bezugnahme auf die historischen Situationen ab 1989 und 1992
    5.1. Eine neue Gemeinschaft muss generiert werden: 1989
    5.2. Eine bestehende Gemeinschaft muss verteidigt werden: 1992
  6. Fazit
  7. Quellen

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1Statement von Heinz Fromm, anno 2011 noch Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, zitiert nach: Fuchs, Christian; Goetz, John: Die Zelle. Rechter Terror in Deutschland, Hamburg, 2012 S.5
2Vgl. Ebd. S. 236-237
3Ebd. S. 9
4Vgl. Kapitel 4.2. Entwicklungen ab 1989 und 5.1. Eine Gemeinschaft muss generiert werden: 1989
5Ein Beispiel hierfür und damit auch exemplarisch für die konstituierende Funktion von Musik ist: Nym, Alexander: Jenseits der Musik, in: Ders.: Schillerndes Dunkel. Geschichte, Entwicklung und Themen der Gothic-Szene, Leipzig, 2010
6Wanders, Hans: The wonderful and frightening World of...Gothic, Grufts und Industrial – die schwarze Szene und deren Musik im Überblick, in: Speit, andreas (Hrsg.): Ästhetische Mobilmachung. Dark Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien, Münster, 2002 S. 23-58
7Wobbel, Theresa; Trüller, Dirk: Georg Simmels Soziologie emotionaler Vergemeinschaftungen. Zur Gruppenbildungen in der rechten Skinheadszene, in: Klein, Ansgar; Nullmeier, Frank (Hrsg.): Masse – Macht – Emotionen. Zu einer politischen Soziologie der Emotionen, Wiesbaden, 1999 S. 137-151
8Ebd. S. 147
9Ebd.
10Ebd.
11Ebd.
12Ebd.
13Dornbusch, Christian; Raabe, Jan(Hrsg.): RechtsRock. Bestandsaufnahme und Gegenstrategien, Münster, 2007
14Speit, Andreas (Hrsg.): Ästhetische Mobilmachung. Dark Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien, Münster, 2002
15Fischer-Lichte, Erika: Ästhetik der Performativen, Frankfurt am Main, 2004
16Schultz, Katharina: Die ästhetische Inszenierung der Subjektivität. Untersuchung zum Phänomen der Präsenzerfahrung im Kontext der Erziehungswissenschaften. Inauguraldissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln, Köln, 2009, unveröffentlicht
17Stiglegger, Marcus: Ritual und Verführung. Schaulust, Spektakel und Sinnlichkeit im Film, Berlin, 2006
18Vgl. Kapitel 2. Hass: Eingrenzungen und Abgrenzungen
19Vgl. Kapitel 2.1. Individuelle Ebene
20Vgl. Kapitel 2.2. Kollektiver Hass?
21Ahrens, Jörn: Wie aus Wildnis Gesellschaft wird. Kulturelle Selbstverständigung und populäre Kultur am Beispiel von John Fords Film ' The Man Who Shoot Liberty Valance'“, Wiesbaden, 2012
22Vgl. Kapitel 2.3. Hass als Emotion gegen den zivilisatorischen Moment
23Vgl. Kapitel 3. Hass als konstituierender Moment der neonazistischer Musik und alle Unterkapitel.
24Georg Seeßlen zum Beispiel spricht der Musik im seinem Beitrag eben genau diesen künstlerischen Wert explizit ab. Vgl. Seßlen. Georg: Gesänge zwischen Glatze und Scheitel. Anmerkungen zu den musikalischen Idiomen der RechtsRock-Muik, in: Dornbusch, Christian (Hrsg)u.a.: Rechtsrock. Bestandsaufnahme und Gegenstrategien, Münster, 2002 S. 125-145
25Vgl. Kapitel 4.1.2. Neofaschismus und Selbstinszenierung
26Vgl. Stiglegger, Marcus: Ritual und Verführung, a.a.O.
27Vgl. Fischer-Lichte: Ästhetik des Performativen, a.a.O.
28Goldhagen, Daniel: Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust. Berlin, 1996

Geschichten aus tausend und einer Nacht... BDSM, Populärkultur und die Unaussprechlichkeit der Erotik und Sinnlichkeit

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