Donnerstag, 31. Oktober 2013
Samstag, 12. Oktober 2013
AIDS-nur ein Problem in „Drittweltländern“?
Ein Gastbeitrag von Marlen Sommer:
„I just think that the premise of discussion of HIV status is ridiculous in the context of a dark, slippery sexual situation. My assumption was, it's the year 2000. He wasn't mentally challenged. He did not have a learning disability. He seemed pretty normal. He wasn't a fresh 18-year-old off the farm. He was a middle-aged, decent-looking, healthy guy. So if he's wanting me to penetrate him without a condom, I'm assuming that he's positive himself, because a lot of people who are positive like to get fucked without a condom.“1
Die,
im Zitat von einem jungen Mann geschilderte Sexualpraktik, namens
„Bareback“, bezeichnet den ungeschützten Verkehr homosexueller
Männer, bei dem eine bewusste Entscheidung gegen den „Safer Sex“
getroffen wird und damit das Risiko einer Ansteckung mit dem
HIV-Virus in Kauf genommen wird.
In
einem Zeitraum von nicht einmal 15 Jahren hat der Begriff und die,
mit ihm bezeichnete Sexualpraktik ihren Weg aus den dunklen,
subkulturell determinierten, US-Darkrooms in den amerikanischen und
europäischen Mainstream gefunden.
Der
Gedanke, dass Barebacking eine „etwas verwirrte Einzelmeinung“
und Praktik einiger weniger homosexueller Männer darstellt, ist, in
Anbetracht der Masse an Praktizierenden, schlicht und ergreifend
falsch.
Einen
ersten Eindruck vermittelt hierbei die mediale Vermittlung von
Barebackpornografie: Pornografische Filme mit homosexuellen
Praktiken, in denen eben kein Safer-Sex praktiziert wird, schaffen es
in Europa auf einen Marktanteil von 60%! In Filmen mit
heterosexuellen Inhalten ist die Rate von Safer-Sex sogar nochmals
deutlich niedriger, beziehungsweise bildet er hier, um genauer zu
sein, eher die Ausnahme der ungeschützten Regeln.
Nachdem
in den 1980er die „Entdeckung“ von AIDS zu einem starken Umdenken
in Bezug auf Verhütung beim sexuellen Verkehr, gerade unter
homosexuellen Partnern, führte, ist seit einigen Jahren nun eine
dimetrale Bewegung im Gange: AIDS wird nicht mehr als die
todbringende Erkrankung angesehen, sondern vielmehr als ein Moment
des thanatorischen Nervenkitzels im sexuellen Akt.2
Das
das Thema „Bareback-Sex“ bei Weitem kein Randgruppenthema mehr
ist, lässt sich nicht zuletzt aber auch daran erkennen, dass
bekannte Zeitungen, wie zum Beispiel „Die Zeit“ mit Artikeln wie
zum Beispiel „Sex auf Leben und Tod“, zu dieser Thematik schon
vor Jahren Stellung bezogen haben.3
Barebacking
ist längst nicht mehr nur in der Szene, in welcher sich dezidiert
homosexuelle Männer bewegen, als ein abstraktes Phänomen anzusehen,
was sich gerade daran messen lässt, dass sich einstige subkulturelle
soziale Codes, wie der des „Hanky Codes“, in eben dieser Szene
und weit über sie hinaus, etabliert haben. Der Hanky Code, zu
deutsch: der Taschentuch Code, bezeichnet eine Methode, auf deren
Wege Männer in der Lage sind sich gegenseitig auf der Straße, in
Bars, Clubs oder Parks erkennen können, und mit der Farbe, als auch
der Lage (rechts oder links) Auskunft über die eigenen sexuellen
Interessen preisgeben4.
Die Vorliebe für die Sexualpraktik des Bareback wird hierbei durch
eine eigene Farbkombination, blau und weiß, signalisiert. Ob das
Tuch auffallend rechts oder links, zum Beispiel in der Hosentasche,
getragen wird, spielt bei dieser Praktik keine Rolle5.
Die Zuordnung rechts/links gibt hierbei immer über eine dichotome
Verortung, wie aktiv/passiv, sub/top usw., Auskunft. Ebenso gibt es
für die Praktik des Safer-Sex eine eigne Farbordnung, schwarz-weiß
kariert.
Obwohl
geschätzte Marktanteile von 60% „Bareback-Pornographie“,
Geschichten von HIV-Infektionen während Pornodrehs6
oder auf Sexpartys und farbige Codezies, die über Taschentücher
vermittelt werden, wie dystopische Anekdoten aus einem unbekannten
Universum anmuten, präsentieren sie in ihrem Kern eine traurige und
zumeist tödliche Wahrheit: Die Rezeption von AIDS als Krankheit, die
Gefahren der Ansteckung und die Folgen einer Infektion haben sich
innerhalb der letzten Jahre radikal verändert.
Eine
Veränderung die aus zweierlei Gründen, von solch hoher Bedeutung
ist. Zum Einen, da sie sich nicht in irgendeinem entfernen und als
„Entwicklungsland“ degradierten Land vollzog, sondern mitten in
unsrer Gesellschaft, in der doch der Konsens immer der ist, bzw. eher
war, dass die Konsequenzen von AIDS als Allgemeinbildung anzusehen
sind. Zum Anderen, weil sie sich, wie im Folgenden dargestellt wird,
in ihrer konstituierenden Logik vollends gegen die vorherrschende
Logik der Prävention richtet und damit, letztendlich, ein Phänomen
abbildet, dass gerade wegen seiner Logik des paradoxen besonderer und
intensivierter Betrachtung bedarf.
Laut
WHO (Weltgesundheitsorganisation) sind die Zahlen der
HIV-Neuinfektionen in den Europäischen Regionen steigend. Über
121.000 neue HIV-Diagnosen wurden 2011 aus Europäischen Regionen
gemeldet. Schätzungen allerdings besagen, dass die Zahl der
tatsächlichen Neuinfektionen im selbigen Jahr bereits bei über
170.000 lag.
Insgesamt
ist hierbei von mehr als 2,3 Millionen HIV-Infizierten die Rede. Als
am stärksten Betroffene gelten laut WHO „gefährdete“ und
„ausgegrenzte“ Bevölkerungsgruppen. Hier werden neben der Gruppe
der Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten, auch die der
injizierenden DrogenkonsumentInnen, SexarbeiterInnen, Häftlinge und
MigrantInnen genannt. AIDS wurde in den Ländern Westeuropas am
häufigsten bei Männern mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten
diagnostiziert7.
In
Rekapitualtion zur sexuellen Praktik des Bareback-Sex muss hieraus
wiederum folgen, dass trotz des Wissens um die
Ansteckungsmöglichkeiten und die nicht zu unterschätzenden
Konsequenzen, welche dieses Krankheitsbild mit sich bringt, die obig
angesprochenen Gruppen und Andere, diese Gesundheitlichen Risiken
bewusst in Kauf nehmen. Im Besonderen eben jene Männer mit
dominierend und ausschließlich gleichgeschlechtlichen
Sexualkontakten.
Dieses
Verhalten zeugt von einem Prozess der Identitätsbildung, der seinen
dominierenden Moment der Konstitution aus einem Moment des bewussten
Vergessens gesellschaftlich geteilter Wissensbestände speist8.
Wenn
davon ausgegangen wird, dass Handlungen zugleich immer auch Sinn
erzeugen, dann muss, in Bezugnahme auf die Präventivpolitik diverser
Organisationen9,
davon ausgegangen werden, dass in Bezug auf die Wirksamkeit von
Präventionsarbeit immer noch dominierend eine Annahme die Richtlinie
definiert, nämlich die, das durch Aufklärung, im Sinne von Wissen
über einen bestimmten Tatbestand, eine Änderung im Handeln erreicht
werden kann.
In
Bezug auf die, in diesem Essay verhandelte, Problematik bedeutet dies
wiederum, dass ein Glauben vorherrscht, der davon ausgeht, dass das
Handeln, also der Sex ohne Verhütung und die, damit einhergehende,
Gefahr der Infektion, sich dadurch bekämpfen lässt, indem über
dessen, zum Teil tödliche, Konsequenzen unterrichtet wird.
Der
Akt des Bareback Sex ist deswegen, ganz im Sinne Erika
Fischer-Lichtes10,
als ein performativer Akt anzusehen, der einer dualistischen Funktion
unterliegt. Er generiert Gemeinschaft über den Akt selbst und den
Prozess des aktiven Vergessen/s (wollens). Der sexuelle Akt, ohne
Kondom, der die Gefahr einer Ansteckung aktiv negiert und die Person
damit in die Gemeinschaft derjenigen, die die Gefahr vergessen,
initiiert. Zugleich aber formt dieser passiv nihilistische Akt, ganz
im Sinne Alain Badious11,
eine makrokosmische Dimension ab, die sich dezidiert gegen die
gesellschaftliche Ordnung richtet. Der Akt des Bareback ist somit
letztendlich nicht nur individueller Nervenkitzel, sondern Moment,
indem die, von der Gesellschaft dem Individuum aufgezwungene,
Andersartigkeit aktiv gelebt und in einer, wenn auch extrem
gefährlichen Art, gegen die Gesellschaft selbst gerichtet wird. Das
Klischee und die diskriminierende Zuschreibung des dekadenten
Homosexuellen, auf den selbst „Die Zeit“ in ihrem, bereits
erwähnten Artikel mit dem Untertitel „Bareback-Partys sind der
letzte Kick unter Schwulen-ein Zeichen von Hoffnungslosigkeit und
Dekadenz“ Bezug nimmt, wird hierbei aus seiner Dimension der
symbolischen Zuschreibung gerissen und zum Moment der real-physischen
Gruppenkonstitution. Der Akt selbst aber speist seinen Moment der
Dekadenz nicht aus dem Moment der Gefahr, denn mehr in der, hier Jean
Baudrillard folgend12,
der Reintegration des Todes und der Verletzbarkeit des eigenen und
des fremden Körpers. Die letzten Bastionen der westlichen
Tabuisierung.
Am
Ende dieses Essays muss deshalb festgehalten werden, dass der
Bareback Akt, gerade im Moment seiner performativ immanenten
Singerzeugung, ein Akt ist, der nicht mit den, gesellschaftlich
vorherrschenden, Kategorien der Prävention erfasst und erklärt
werden kann. Der Akt selbst ist es, der den grundlegenden Moment
unsrer gesellschaftlichen Konstitution negiert, nämlich die
Anwendung menschlicher Ratio und stattdessen einem Moment des
bewussten Vergessens und der bewussten Negation frönt.
Ein
Akt der seine Wucht nicht nur auf der soziologischen Ebene der
Gruppenkonstitution entfaltet, sondern, und dies wiegt hierbei viel
schwerer, gerade auch in Bezug auf das Leben vieler individueller
Menschen, die mit dem Vollzug des Bareback-Aktes bewusst den eigenen
Tod zum Moment ihrer Subjektgenese generieren.
„Sie
mögen ihre Zeichen den geschundenen Körpern einbrennen,
letztendlich stehen ihre Zerstörungen doch für sich.“13
Marlen Sommer
Quellen
Baudrillard,
Jean: Der Geist der Terrorismus, Wien, 2003, S.19-20.
Berking,
Helmut: Kulturelle Identitäten und kulturelle Differenz im Kontext
von Globalisierung und Fragmentierung, in: Loch, Dietmar; Heitmeyer,
Wilhelm (Hrsg.): Schattenscheiten der Globalisierung.
Rechtsradikalismus, Rechtspopulismus und separatistischer
Regionalismus in westlichen Demokratien, Frankfurt am Main, 2001
Fischer-Lichte,
Erika: Ästhetik des Performativem, Frankfurt am Main, 2004, S.
19-20.
Pluth,
Ed: Badiou. A Philosophy Of The New, Cambridge, 2010
Stiglegger,
Marcus: Begleitheft zu „Die 120 Tage von Sodom“, veröffentlicht
in: Die 120 Tage von Sodom, Kino Kontrovers. Legend Films, DVD.
1Interwievpassage
eines anonymen Barebackers.
Zit.n.: „Glenn
Gaylord“ from AIDS
Project Los Angeles (2000), auf: www.thebody.com,
einzusehen unter:
http://www.thebody.com/content/art32638.html.Letzter
Zugriff am 28.05.2013 um 8:46 Uhr.
2Vgl.
Klein, Dennis
(2008), Bareback-Skandal
in Englands Porno-Szene, auf: www.queer.de, einzusehen unter:
http://www.queer.de/detail.php?article_id=8396.
Letzter
Zugriff am 28.05.2013 um 8:46 Uhr.
3Joop,
Wolfgang (2004), auf: www.zeit.de, einzusehen unter:
http://www.zeit.de/2004/49/aids-Joop.
Letzter
Zugriff am 28.05.2013 um 8:46 Uhr.
4Lewis
Chris (2010), auf: www.odps.org, einzusehen unter:
http://www.odps.org/glossword/index.php?a=term&d=8&t=7363.
Letzter Zugriff am 28.05.2013 um 18:30 Uhr.
5berlin.gay-web.de
(Hrsg.) (2010), auf: http://web.archive.org,
einzusehen unter:
http://web.archive.org/web/20100604045133/http://berlin.gay-web.de/kontakte/index_hankys.shtml.
Letzter Zugriff am 28.05.2013 um 19:00 Uhr.
6Interwiev
eines anonymen Barebackers. Vgl.: „Glenn Gaylord“ from AIDS
Project Los Angeles (2000), auf: www.thebody.com,
einzusehen unter: http://www.thebody.com/content/art32638.html.
Letzter Letzter Zugriff am 28.05.2013 um 8:46 Uhr.
7Vgl.
WHO (Hrsg.) (2012), auf: http://www.euro.who.int, einzusehen unter:
http://www.euro.who.int/de/what-we-do/health-topics/communicable-diseases/hivaids/news/news/2012/11/hiv-rising-in-europe.
Letzter
Zugriff am 28.05.2013 um 18:45 Uhr.
8Vgl.
Berking, Helmut: Kulturelle Identitäten und kulturelle Differenz im
Kontext von Globalisierung und Fragmentierung, in: Loch, Dietmar;
Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.): Schattenscheiten der Globalisierung.
Rechtsradikalismus, Rechtspopulismus und separatistischer
Regionalismus in westlichen Demokratien, Frankfurt am Main, 2001
9Vgl.
z.B. die ausführliche Kategorie „Sich schützen“ der Deutschen
AIDS Hilfe, einzusehen unter:
http://www.aidshilfe.de/de/sich-schuetzen
oder die Seite http://www.aids.org/,
die in ihrem Untertitel „Information, Education and Action“
dirket die Triangulation von Wissen und einem hieraus resultierenden
Handeln suggeriert. Letzter Zugriff auf beide Quellen am 28.05.2013
um 8:58 Uhr.
10Fischer-Lichte,
Erika: Ästhetik des Performativem, Frankfurt am Main, 2014. S. 82.
11Vgl.
Pluth, Ed: Badiou. A Philosophy Of The New, Cambridge, 2010
12Vgl.
Baudrillard, Jean: Der Geist der Terrorismus, Wien, 2003.
S.19-20.
13Stiglegger,
Marcus: Begleitheft zu „Die 120 Tage von Sodom“, veröffentlicht
in: Die 120 Tage von Sodom, Kino Kontrovers. Legend Films, DVD.
Samstag, 20. Juli 2013
Zurück zu den Wurzeln der Zukunft Au Bout Du Monde - The Jules Verne Compilation
Es gibt literarische Figuren, deren Geschichten so oft erzählt
wurden, dass sie einem nicht mehr vorkommen wie Fiktionen, sondern
wie immer dagwesene Begleiter. Der, die Tiefsee bereisende Kapitän
Nemo ist mit Sicherheit eine dieser Figuren. Ein rätselhafter Mann,
der Jung wie Alt gleichermaßen begeistert, gerade weil seine
Geschichte in all ihrer symbolischen Konnotation die komplexen
Schwierigkeiten des modernen Subjekts im Angesicht des rasanten
technischen Forschritts verkörpert und das, obwohl das Werk “20.000
Meilen unter dem Meer” erstmalig im Jahr 1869-1870 erschien.
Es sind neben diesen komplexen Charakteren die schillernden Welten
und die technischen Raffinessen, welche immer wieder dafür sorgen,
dass das Werk Jules Vernes einen in seinen Bann zieht. Einem Bann,
dem sich auch eine ganze Riege großartiger Künstlerinnen und
Künstler nicht entziehen konnte und die nun ihre Ergebnisse in Form
der “Au Bout Du Monde - The Jules Verne Compilation” präsentieren
– eine Art musikalische Auseinandersetzung mit den Wurzeln der
Ästhetik des Steampunk.
Die Schar der Beteiligten
erstreckt sich dabei von altgedienten Helden des Post-Punk, wie Tony
Wakeford (Sol Invictus), über hoffnungsvolle New-Comer Bands, wie
:MARS:, bis hin zu bislang eher weniger
in Erscheinung getretenen, dafür aber umso überragenderen
Projekten, wie zum Beispiel THE TRAIL.
Musikalisch spannt die Compliation dabei einen beindruckenden und
facettenreichen Bogen, was, vorrausgesetzt der eigenen Offenheit
gegenüber solch einer Ausrichtung, dazu führt, dass die
musikalische Reise, die das Album initiiert, selbst wie eine wilde
Fahrt mit Nemos legendärem Uboot “Nautulius” anmutet. Ruhige
Folknummern wechseln mit krachigem Material, verspielte
Gothic-Nummern mit experimentellen Stücken. Immer aber ist es die
inhaltliche Konzentration auf Jules Verne und damit auch auf die
Interdependenz zwischen Mensch, Industrie und technologischen
Artefakten, die das Wesen der Compilation maßgeblich bestimmt.
Au Bout Du
Monde - The Jules Verne Compilation ist in seiner Gesamtheit eine
sehr spannende Zusammenstellung, gerade auch weil sie vielen bislang
weniger bekannten Künstlerinnen und Künstlern die Chance
gibt sich zu präsentieren.
Infos & Bestellung unter:
Die Dystopie als Utopie? Trent Reznor und die NINE INCH NAILS
„Nichts bewahrt uns so
gründlich vor Illusionen wie ein Blick in den Spiegel.“
-Aldous Huxley-
No Future!? Es ist die Vorstellung von der Stagnation der Geschichte
- die Idee, dass sich nichts mehr ändern kann und auch erst recht
nicht mehr wird, die die verschiedensten Subkulturen nach dem Ende
des zweiten Weltkrieges zutiefst prägte. Wo das Credo der Punks zur
selbstgefälligen Rechtfertigung wurde, da war es die Kultur des
Industrial, die in ihren Performances die Horrorszenarien einer
hochtechnisierten Ordnung künstlerisch ver- und bearbeitete.
Theorien, wie dass die technische Entwicklung der Moderne geradewegs
hinein in die Kanonenrohre der Weltkriege und die Öfen der
Konzentrationslager führten, bildeten Momente, die Gruppen wie
„THROBBING GRISTLE“ konsequent zum Thema ihrer künstlerischen
Agenda erhoben. Die Vorstellung von der Zivilisierung als endgültiger
Befriedung – eine enttäuschende Illusion!
Doch auch wenn die dystopischen Vorstellungen vom Ende der Geschichte
uns immer wieder aufs Neue faszinieren, so gibt es immer noch
DenkerInnen, deren Überlegungen fest in der utopischen Überzeugung
wurzeln, dass sich eines Tages alles grundlegend ändern könnte. Der
Philosoph Alain Badiou gehört zu diesen Denkern und seine
Vorstellungen von der Veränderung kumulieren im Begriff des
Ereignisses:
„Ein Ereignis ist für mich
etwas, das eine Möglichkeit erscheinen lässt, die unsichtbar oder
sogar undenkbar war.“1
Was aber verbindet die Dystopie
des Industrial, die NINE INCH NAILS (NIN) und Badious Vorstellungen
vom Ereignis? Mehr, als vorerst anzunehmen ist!
Trent Renzor, Begründer und
einziges permanentes Mitglied der NIN, hat bei Weitem keinen Grund
sich zu beschweren. Seine Musik wurde mit den höchsten Musikpreisen
ausgezeichnet und verkaufte sich von Beginn an sensationell gut.
Johnny Cash coverte das Lied
„HURT“ von Reznors Opus Magnum „THE DOWNWARD SPIRAL“ und
prominente Musiker, wie Dave Grohl, sind Gäste auf aktuelleren
Alben. Im Jahr 2011 folgte ein weiterer Höhepunkt: Die Musik zu
David Finchers „THE SOCIAL NETWORK“, die Reznor zusammen mit
Atticus Ross komponiert hatte, erhielt einen Oscar.
Zur Zeit sind es wohl die immer
wieder aufkommenden Gerüchte, dass das Werk „YEAR ZERO“ der NIN
aus dem Jahr 2007 für den Sender HBO in eine
Mini-Serie verwandelt werden soll, die nicht nur Musik- sondern auch
Filmfans aufhorchen lässt.
Jedoch ist es nicht der Erfolg
oder die Sehnsucht nach Rum und Anerkennung, die Raznor antreibt,
sondern seine radikale und kompromisslose Wut, als Resultat der
eigenen Ohnmacht und zugleich sein Glaube und Wunsch nach
Veränderung.
Früh findet diese Attitüde im
Werk „THE DOWNWARD SPIRAL“ ihren brachialen Ausdruck. Im Song
„PIGGY“ formuliert Raznor wie folgt:
„Nothing can stop me now
I don't care anymore“
Die Zeile „Nothing can stop me now“ taucht dergestalt noch in
vielen weiteren Songs der NIN auf und kann zurecht als die zentrale
Botschaft des gesamten Oeuvres angesehen werden; gerade weil sie in
dualistischer Funktion auf die Wurzeln der NIN verweist, zugleich
aber immer auch einen Moment der Utopie transportiert.
Immer wieder wird das Schaffen der NIN in Bezug zu Gruppen wie
„THROBBING-GRISTLE“ oder „SPK“, gesetzt. Was hierbei jedoch
klar sein sollte, ist, dass die NIN ideell, wie musikalisch, der Band
„MINISTRY“ immer näher standen, als den experimentellen
Geräuschorgien von Genesis Breyer P-Orridge und Co. Was die NIN mit
dem Industrial aber wiederum eint, ist der Modus der Kritik: Wenn
Diedrich Diederichsen vom Pop als einem Ort spricht, indem Männer
ihre Liebe zu Frauen besingen, dann verweist diese Hypothese auf eine
wichtige Tatsache, nämlich die, dass Kritik im Pop ein ziemlich
unerwünschter Faktor ist und höchstens in solch pathetisch
„subversiven Dimensionen“ wie dem letzten UNHEILIG Hit zu denken
ist, der die ganze Familie gemeinsam vor dem heimischen Radio
vereint.
Es ist die radikal pessimistische Aggression gegenüber der
gesellschaftlichen Ordnung, die sich bei den NIN ganz im Geiste des
Industrial vollzieht, gepaart mit dem Glauben, dass sich eines Tages
doch noch alles ändern könnte. Eben jener Gestus der seinen
kompromisslosesten Ausdruck in der Zeile „Nothing can stop me now“
findet!
Auch wenn sich diese inhaltlichen Momente, gerade in ihrer
monumentalen musikalischen Inszenierung, zum Teil nicht dagegen
erwehren können, in Naivität, Kitsch und Pathos zu verfallen, so
ist es die inhaltliche Gesamtheit, die den Glauben und Hoffnung
weckt, dass es Reznor wirklich ernst um das ist, was er mit seiner
Musik zum Ausdruck bringt: Die Hoffnung, ganz im Sinne Alain Badious,
dass sich eines Tages etwas unvorhersehbares ereignet, dass
alles ändern könnte. Gepaart mit dem Blick des Künstlers in den
Spiegel, der die NIN vor allzu viel Utopie befreit und der sich in
ihrem Werk immer wieder im großen Unbehagen über den
gesellschaftlichen, wie individuellen, Status Quo niederschlägt. Die
NINE INCH NAILS sind eines der wichtigsten popkulturellen Phänomene
der letzten Jahrzehnte. Gerade weil sie einen Gedanken in den Pop
getragen haben und seitdem immer wieder aufs Neue ausformulieren und
ihrem Publikum entgegenschreien: Der Status Quo ist nicht das Ende
der Geschichte!
Der arabische Frühling, Griechenland, die Türkei und Brasilien
haben es längst gezeigt: Die philosophische und musikalische Idee
vom Umbruch ist nicht längst keine Illusion mehr...
Nothing can stop us now!
1Badiou,
Alain; Tarby, Fabien: Die Philosophie und das Ereignis. Mit einer
kurzen Einführung in die Philosophie Alain Badious, Wien, 2012 S.17
Dienstag, 19. März 2013
It's the massage that makes the music!
Hass
als Emotion der kollektiven Identitätsbildung am Beispiel der medial
generierten Vergemeinschaftung deutscher neonazistischer Subkulturen
Die vollständige Arbeit kann unter folgendem Link kostenlos als pdf-Datei heruntergeladen werden: HIER!
„Wir haben die jetzt bekannt
gewordenen Täter nicht wirklich verstanden. Wir haben ihre Dimension
ihres Hasses ebenso unterschätzt wie ihren Willen zur Tat.“1
Dieses
Statement, dass Heinz Fromm, damals noch Präsident des Bundesamtes
für Verfassungsschutzes, nach dem Bekanntwerden der Existenz einer
Organisation, die sich selbst als „Nationalsozialistischer
Untergrund“ (NSU) deklarierte, der Presse zu Wort gab, markiert
einen Endpunkt. Ein Endpunkt mit mannigfaltigen Facetten. Primär
hatte erst das physische Ende der beiden Terroristen Uwe Mundlos und
Uwe Böhnhardt, die sich, nach einem misslungenen Banküberfall und
einem Schusswechsel mit der Polizei, in einem Wohnwagen, den sie als
Versteck genutzt hatten, selbst richteten2,
zum Bewusstsein über die Existenz einer Organisation geführt, die
seit mehr als zehn Jahren mordend durch die Bundesrepublik zog.
Eben
dieser Sachverhalt markiert dann auch den zweiten Endpunk: Er
markiert das Ende der Mordserie von Böhnhardt und Mundlos, deren
Opferzahl bis heute noch nicht vollends festgelegt werden kann, die
aber auch zur Zeit +/- zehn Menschenleben festgesetzt wird3.
Weiterführend
markiert die Aussage von Fromm aber auch das Ende einer Entwicklung,
dass für die drei TerroristInnen, Böhnhardt, Mundlos und die
überlebende Beate Zschäpe, zu Beginn ihres Untergrundkampfes stand:
Es ist das Ende einer Entwicklung einer politischen Radikalisierung,
die sich dominierend um eben diese, von Fromm angeführte, Dimension
des Hasses drehte. Eine Radikalisierung, die ihren Anfang im
thüringischen Jena nahm, dass in den 1990er Jahren mit den Folgen
der Wiedervereinigung konfrontiert wurde und die in ihrer Form so
einzigartig, wie es in Anbetracht der drei Täterinnen und Täter
vorschnell scheint, gar nicht ist. Die Neonaziszene, beziehungsweise
das, was unter einer neonazistisch geprägten Subkultur gruppiert
werden kann, erlebte in den 1990er Jahren, kurz nach der
Wiedervereinigung, einen großen Aufschwung und versuchte mit
mannigfaltigen Arten der Agitation die „neuen Handlungsräume“
für sich zu gewinnen. Ein Prozess, der zu diesem Zeitpunkt immer
stärker staatlicher Repression unterlag, da die Rechtsradikalen,
bedingt durch extreme Gewaltanwendungen, verstärkt in den Fokus
staatlicher Sicherheitsorgane geraten waren4.
Dominierend und sehr erfolgreich vollzog sich die politische
Indoktrination aber vor allem auf einem Feld und unter zur Hilfenahme
eines Mediums: Jugend und Musik!
Für
die stark identitätsbildenden- und gruppenidentitätsbildenden
Momente der Musik gibt es zahlreiche Beispiele. Dies lässt sich
gerade eben an jenem Umstand aufzeigen, dass oftmals eben jene
Versuche in starke Schwierigkeiten geraten, die versuchen Momente der
Gruppenkonstitution abseits von musikalischen Bezugspunkten zu
definieren5.
Die Musik bestimmt, definiert und verhandelt das Wesen und den Geist
der Gruppe, die sie konstituiert und somit zugleich auch immer
konstruiert. Sie ist Bilderreservoir und zugleich Verhandlungsort der
eigenen Bilderwelten. Hans Wanders zeigt dies auf sehr komprimierte
Weise in seinem Artikel „The wonderful and frightening World
of...Gothic, Grufts und Industrial – die schwarze Szene und deren
Musik im Überblick“6.
Das eben diese Form der, in der Musik ihren Ursprung findende,
Vergemeinschaftung auch in Bezug auf neonazistische Formen der
Subkulturen anwendbar ist, zeigen Theresa Wobbel und Dirk Trüller in
ihrem Aufsatz „Georg Simmels Soziologie emotionaler
Vergemeinschaftungen. Zur Gruppenbildungen in der rechten
Skinheadszene“7.
Auch die Annahme der beiden AutorInnen am Ende ihrer Abhandlung, die
zu dem Schluss kommt, dass die Musik, die auch sie als das
entscheidende Medium für die Vergemeinschaftung begreifen8,
eine „Doppelstruktur von kognitiver und emotionaler
Wirklichkeitskonstruktion“ bildet9,
wird innerhalb dieser Arbeit vollends geteilt.
Allerdings
sehen die beiden AutorInnen in den Emotionen, die die Musik evoziuert
und die die Wirklichkeit der neonazistischen Subkuturen ihrer Meinung
nach konstruieren10,
mannigafltige Facetten von Emotionen. So heißt es:
„Im Binnenraum der Gruppe
werden Emotionen wie Freude und Spaß in Gang gesetzt, die
Gemeinschaft verdichten; zugleich werden Emotionen wie Feindseligkeit
und Hass moduliert.“11
Innerhalb
dieser Arbeit soll die Ansicht herausgearbeitet werden, dass eben
jener Moment des Hasses einer ist, der nicht nur zugleich, sondern
immer primär moduliert wird. Hieraus folgt, dass in den, von der
Musik produzierten, Gefühlen, eine klare Ebene der Hierarchie
eingezogen wird: Der Hass ist primärer Kommunikationsfähig. Erst
aus ihm speisen sich Momente wie Feindseligkeit und daraus das, was
die AutorInnen als „Handlungsorientierung“ begreifen.
„Die Handlungsorientierungen
sind auf die Erlebnisdimension ausgerichtet. Die erzeugte ambivalente
Gefühlsstimmung erleichtert schnelle Mobilisierung von Emotionen.“12
Das
die, musikalisch begründete Gemeinschaft, ihre emotionales Erleben
zumeist in kognitives Erleben transformieren will, ist, im Angesicht
der Häufungen rechtsradikal motivierter Gewaltaten, eine logische,
wenn auch traurige Konsequenz, in der das „NSU“-Trio den
radikalsten und totalitärsten Punkt der Entwicklung beschreibt.
Diese Arbeit will jedoch aufzeigen, dass die Musik nicht nur die
Kreation und Evozierung von Emotionen, auf die später beliebig
zugegriffen werden kann, um „Mensch, Masse und Material“ zu
aktivieren, erfüllt, sondern zugleich auch und dies sogar vorrangig,
kollektive Bilder und Bilderwelten in den Köpfen ihrer
MitgliederInnen verankert, die, das ist ebenso Erkenntnisinteresse
dieser Arbeit, der bipolaren Ordnung neonazistischer Ideologie
entsprechen. Das der Prozess der Vergemeinschaftung von und durch
Musik nicht nur auf das Hören eben dieser Reduktion erfahren kann
und darf, begreifen auch Wobbel und Trüller. Auch sie führen
weitere Kategorien für die Gemeinschaftsbildung an. Nichts desto
trotz vergessen sie eines der wichtigsten Ereignisse: Das Hören von
Musik im Kollektiv. Das Konzert oder das gemeinsame Fest. Dabei muss
gerade eben dieser Moment der gemeinsamen Freizeitgestaltung, indem
das, was die Musik evoziert und die Lebenswelten der verschiedenen
AkteuerInnen der Gemeinschaft aufeinandertreffen, als der wichtigste
Moment in der Vergemeinschaftung von neonazistischen Subkulturen
aufgefasst werden.
Das
solche ästhetischen Inszenierungen von Wirklichkeit einen extrem
hohen Stellenwert für die Szene besitzen, zeigen die diverse Texte
im Buch Buch „Rechtsrock“ des Herausgebers Christian Dornbusch,
auf die in den folgenden Ausführungen ausführlicher Bezug genommen
werden soll, zum Teil sehr detailliert13.
Im Buch von Andreas Speit über rechtsextreme Tendenzen in der Dark
Wave Subkultur und im Besonderen in deren Abspaltung der Gattung des
Neofolk, wird diese Bedeutung multimedialer Inszenierungen bereits im
Titel aufgeführt: Ästhetische Mobilmachung14.
Innerhalb
dieser Arbeit soll diese, doch recht oberflächliche Erkenntnis
weitere Spezifikation erfahren. So ist doch die Frage nicht, was, in
Bezug auf die Vergemeinschaftung wirkt, sondern warum eben dies seine
Wirkung entfalten kann. Das „Was“ ist hierbei mit den Konzerten
leicht beantwortet werden. Das „Warum“ aber gestaltet sich
hierbei durchaus differenzieller. Innerhalb dieser Arbeit soll die
Wirkung von solch sozialen Ereignissen unter Bezugnahem auf drei
TheoretikerInnen Untersuchung erfahren. Erika Fischer Lichte15,
Katharina Schultz16
und Marcus Stiglegger17.
Bei Letzterem wird zudem der Versuch unternommen, seine
Seduktionstheorie des Films auf ein anderes Metier, nämlich das
Konzert zu transformieren.
Die so
gewonnen Erkenntnisse über die orginären Strukturen und die
Funkltionssysteme, indem diese Strukturen ihre Wirkung entfalten,
sollen zum Ende dieser Arbeit in Bezug zu konkreten historischen
Epochen gesetzt werden, die innerhalb der neonazistischen Subkulturen
ein extremes Maß an Vergemeinschaftung bedurften. Es handelt sich
hierbei um zwei Abschnitte in der neueren Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland. Zum Einen die Jahre nach 1989, also jener
Zeitraum, indem neonazistische Subkulturen und auch politische Kräfte
der, zu diesem Zeitpunkt erstarkten, Rechten, die neuen Bundesländer
als Agitationsterretorium zu gewinnen versuchten.
Als
zweiten Zeitpunkt fokussiert diese Arbeit den Zeitraum ab 1992. Ein
Zeitraum, indem neonazistische Subkulturen und im Besonderen ihre
sozialen Ausdrucksformen, die Musik und ihre sozialen
Gemeinschaftsaktione, die Konzerte, verstärkt in das Interesse
staatlicher Sicherheitsorgane gerieten.
Diese
beiden Zeiträume sind gerade auch aus einer Perspektive heraus
interessant, definieren sie doch auch als solche eben jenen Zeitraum,
indem sich Mundlos, Böhnardt und Zschäpe der Szene zuwandten, in
diese vergemeinschaftet wurden und letzten Endes deren tödliche Saat
des Hasses zu unvorstellbarer Blühen brachten.
1.1.
Hypothesen
Das
Erkenntnisinteresse dieser Arbeit lässt sich auf drei Hypothesen
aufsplitten. Die erste Hypothese in Bezug auf das Sujet dieser Arbeit
lautet:
- Die Emotion Hass bildet den konstituierenden Moment neonazistischer Musik
Die
zweite Annahme gründet in dieser, erweitert diesen Moment aber,
indem sie die konkrete Funktionsweise der, so konstruierten, Musik
hinterfragt. Die zweite Hypothese ist, auf die Gesamtheit der Arbeit
bezogen, ihr wichtigster Teil, da sie konkret zu erfassen versucht,
wie die Musik und wie die Gemeinschaft, unter Bezugnahme auf die
Musik, sich konstruiert und konstituiert. Sie lautet:
- Die performative Inszenierung der Musik und der, diese Musik gestaltenden Emotionen, ist maßgeblicher Moment der Vergemeinschaftung neonazistischer Subkulturen und prägt dominierend deren kollektiv geteilte Imaginationen
Die
dritte Hypothese kann und muss in direkter Korrelation zur zweiten
Hypothese gelesen werden und dient dazu, deren Inhalt an konkrete
historische Episoden rückzukoppeln. Sie lautet:
- In Zeiten, in denen die Gemeinschaft starker Momente der Gemeinschaft bedarf, zum Beispiel durch eine, so wahrgenommene, Bedrohung von außerhalb, radikalisiert sich die Gemeinschaft, was sich vor allem in der inhaltlichen Radikalisierung der Musik manifestiert.
1.2.
Erläuterungen zum Aufbau
Der
erste Teil dieser Arbeit widmet sich in seinen Ausführungen
konzentriert der soziologisch determinierten Analyse der Emotion
Hass18.
Hierbei wird zuerst zwischen der individuellen Dimension19
und einer kollektiven ausdifferenziert20.
Hieran anschließend wird der Versuch unternommen, in Bezug auf Jörn
Ahrens Werk „Wie aus Wildnis Gesellschaft wird“21,
die Emotion des Hasses als eine Emotion, die gegen den
zivilisatorischen Moment gerichtet ihr Sein entfaltet, zu
definieren22.
Das
folgende, dritte Kapitel dieser Arbeit, folgt dann der Diskussion der
ersten Hypothese. Es versucht die Emotion Hass als die Emotion zu
erfassen, die die Musik neonazistischer Subkulturen maßgeblich prägt
und formt23.
Die Analyse und Diskussion erfolgt hierbei nicht rein auf die
künstlerischen Artefakte, soweit eben diesen überhaupt ein
künstlerischer Wert zugesprochen werden kann24,
bezogen, sondern inklusiviert kontinuierlich die verschiedenen
historischen Entwicklungen und Ausdifferenzierungen der verschiedenen
nationalen und internationalen neonazistischen Subkulturen.
Das
vierte Kapitel ist, gründend in den Ausführungen der vorherigen,
der zweiten Hypothese gewidmet. Diese Analyse ist hierbei dualistisch
gestaltet. Sie widmet sich zum Einen der Reflektion von performativen
Inszenierungen in Bezug auf die orginären faschistischen Bewegungen,
im Besonderen, selbstredend, dem deutschen Nationalsozialismus. Im
Vordergrund dieser Ausführungen steht hierbei der Stellenwert und
die Funktion eben dieser performativen Insezenierungen in Bezug auf
die Gemeinschaftsbildung, hierbei dominierend die der
„Volksgemeinschaft“. Es wird aber zugleich, im Besonderen im
Kapitel 4.1.2. Neofaschismus und Selbstinszenierung25,
aber auch versucht, diese, in der Historie gründenden Ergebnisse, in
Bezug zu gegenwärtigen Tendenzen in neonazistischen Subkulturen zu
setzen.
Im
Anschluss an diese Überlegungen folgt der Kernteil dieser
Darstellungen. Er widmet sich der strukturellen Analyse der
performativen Inszenierungen und fragt dominierend nach den
Funktionsprinzipien und Effekten eben dieser Inszenierungen.
Bezugspunkte eben dieser Teile sind dominierend die Schriften
Stigleggers26,
sowie Fischer-Lichtes27.
Abschließend werden diese Erkenntnisse, gerade auch, weil die
Hyopthese ja die Bildung kollektiver Images fokussierte, mit den
Erkenntnissen Daniel Goldhagens28
und denen von Wobbel und Trüller in Bezug gesetzt, um letztendlich
die Konstruktion der Gemeinschaft in ihrer Gänze erfassen zu können.
Das
fünfte Kapitel, dass den Abschluss dieser Arbeit ausdefiniert,
widmet sich, an die beiden vorherigen Teile anschließend, einer
Fusion der beiden Erkenntnisse. In dem Versuch der konkreten Analyse
von historischen Situationen, die die neonazistischen Subkulturen in
Deutschland maßgeblich geprägt haben, nämlich das
Wiedervereinigungsjahr 1989 und die Jahre ab 1992, in denen die
Szene(n) erstmalig verstärkt mit starken, staatlich organisierten,
Repressionsmaßnahmen umzugehen hatte, wird versucht an konkreten
Beispielen und historischen Bezugnahmen aufzuzeigen, wie sich die
subkulturelle Gemeinschaft in Zeiten, in denen es starker Momente der
Vergemeinschaftung bedurfte, um die Kontingenz in ihren Formirrungen
aufrecht zu erhalten, über die Musik radikalisierte und
vergemeinschaftete und das eben die Emotion Hass den zentralen
Kommulationspunkt dieser Prozesse abbildete.
Weiterer Inhalt:
- Einleitung und Aufbau1.1. Hypothesen1.2. Erläuterungen zum Aufbau
- Hass: Eingrenzungen und Abgrenzungen2.1. Individuelle Ebene2.2. Kollektiver Hass?2.3. Hass als Emotion gegen den zivilisatorischen Moment
- Hass als konstituierender Moment der neonazistischer Musik3.1. Entwicklungen neonazistischer Musik bis 19893.2. Entwicklungen ab 19893.2.1. Wiedervereinigung und „Aufbau Ost“3.2.2. Staatliche Repression ab 19923.3. Neonazistische Musik und ihre mannigfaltige Ausdifferenzierung
- Vom Konzertbesuch zum Pogrom: Hass als Emotion der kollektiven Identitätsbildung und Vergemeinschaftung4.1. Faschismus und Emotionen4.1.1. Typologie des Faschismus nach Stanley Payne4.1.2. Neofaschismus und Selbstinszenierung4.2. Mechanismen der Seduktion und eine Ästhetik des Performativen4.2.1. Das Konzert als Medium mit seduktiver Qualität nach Marcus Stiglegger4.2.2. Das Konzert als eine Ästhetik des Performativen nach Erika Fischer Lichte4.3. Die emotional begründete Gemeinschaft als Prozess des bewussten Vergessens
- Der Hass in der Musik als Emotion der kollektiven Identitätsbildung und Vergemeinschaftung unter Bezugnahme auf die historischen Situationen ab 1989 und 19925.1. Eine neue Gemeinschaft muss generiert werden: 19895.2. Eine bestehende Gemeinschaft muss verteidigt werden: 1992
- Fazit
- Quellen
Die vollständige Arbeit kann unter folgendem Link kostenlos als pdf-Datei heruntergeladen werden: HIER!
1Statement
von Heinz Fromm, anno 2011 noch Präsident des Bundesamtes für
Verfassungsschutz, zitiert nach: Fuchs, Christian; Goetz, John: Die
Zelle. Rechter Terror in Deutschland, Hamburg, 2012 S.5
2Vgl.
Ebd. S. 236-237
3Ebd.
S. 9
4Vgl.
Kapitel 4.2. Entwicklungen ab 1989 und 5.1. Eine Gemeinschaft muss
generiert werden: 1989
5Ein
Beispiel hierfür und damit auch exemplarisch für die
konstituierende Funktion von Musik ist: Nym, Alexander: Jenseits der
Musik, in: Ders.: Schillerndes Dunkel. Geschichte, Entwicklung und
Themen der Gothic-Szene, Leipzig, 2010
6Wanders,
Hans: The wonderful and frightening World of...Gothic, Grufts und
Industrial – die schwarze Szene und deren Musik im Überblick, in:
Speit, andreas (Hrsg.): Ästhetische Mobilmachung. Dark Wave,
Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien, Münster,
2002 S. 23-58
7Wobbel,
Theresa; Trüller, Dirk: Georg Simmels Soziologie emotionaler
Vergemeinschaftungen. Zur Gruppenbildungen in der rechten
Skinheadszene, in: Klein, Ansgar; Nullmeier, Frank (Hrsg.): Masse –
Macht – Emotionen. Zu einer politischen Soziologie der Emotionen,
Wiesbaden, 1999 S. 137-151
8Ebd.
S. 147
9Ebd.
10Ebd.
11Ebd.
12Ebd.
13Dornbusch,
Christian; Raabe, Jan(Hrsg.): RechtsRock. Bestandsaufnahme und
Gegenstrategien, Münster, 2007
14Speit,
Andreas (Hrsg.): Ästhetische Mobilmachung. Dark Wave, Neofolk und
Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien, Münster, 2002
15Fischer-Lichte,
Erika: Ästhetik der Performativen, Frankfurt am Main, 2004
16Schultz,
Katharina: Die ästhetische Inszenierung der Subjektivität.
Untersuchung zum Phänomen der Präsenzerfahrung im Kontext der
Erziehungswissenschaften. Inauguraldissertation zur Erlangung des
Doktorgrades der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität
zu Köln, Köln, 2009, unveröffentlicht
17Stiglegger,
Marcus: Ritual und Verführung. Schaulust, Spektakel und
Sinnlichkeit im Film, Berlin, 2006
18Vgl.
Kapitel 2. Hass: Eingrenzungen und Abgrenzungen
19Vgl.
Kapitel 2.1. Individuelle Ebene
20Vgl.
Kapitel 2.2. Kollektiver Hass?
21Ahrens,
Jörn: Wie aus Wildnis Gesellschaft wird. Kulturelle
Selbstverständigung und populäre Kultur am Beispiel von John Fords
Film ' The Man Who Shoot Liberty Valance'“, Wiesbaden, 2012
22Vgl.
Kapitel 2.3. Hass als Emotion gegen den zivilisatorischen Moment
23Vgl.
Kapitel 3. Hass als konstituierender Moment der neonazistischer
Musik und alle Unterkapitel.
24Georg
Seeßlen zum Beispiel spricht der Musik im seinem Beitrag eben genau
diesen künstlerischen Wert explizit ab. Vgl. Seßlen. Georg:
Gesänge zwischen Glatze und Scheitel. Anmerkungen zu den
musikalischen Idiomen der RechtsRock-Muik, in: Dornbusch, Christian
(Hrsg)u.a.: Rechtsrock. Bestandsaufnahme und Gegenstrategien,
Münster, 2002 S. 125-145
25Vgl.
Kapitel 4.1.2. Neofaschismus und Selbstinszenierung
26Vgl.
Stiglegger, Marcus: Ritual und Verführung, a.a.O.
27Vgl.
Fischer-Lichte: Ästhetik des Performativen, a.a.O.
28Goldhagen,
Daniel: Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und
der Holocaust. Berlin, 1996
Geschichten aus tausend und einer Nacht... BDSM, Populärkultur und die Unaussprechlichkeit der Erotik und Sinnlichkeit
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