Montag, 16. Juni 2014

Träume vom perfekten Chaos – Gedanken zu Hiroshimabend

„Auch ein perfektes Chaos ist etwas Vollkommenes.“
- Jean Genet-

„avant-noise...ambient...strange...beautiful...hypno...“


Obwohl die Selbstbeschreibung es vermuten lässt: Nein, Hiroshimabend ist kein, auf seinem letzten LSD-Trip hängengebliebener, Ex-Nazi-Hippie, der gerne mit seinen Fingernägeln über Tafeln kratzt und diese „Geräusche“ anschließend zu 100-Stunden-Loops verarbeitet, um damit sein
pseudoelitäres Publikum zu verzaubern, sondern eines der facettenreichsten und wahrlich auch spannendsten neuen Projekte aus dem Bereich Noise/Ambient!


Es ist gerade das Spannungsfeld zwischen schrägen Geräuschteppichen, poppig leichten Melodien und sich ziehenden Abfolgen von Samples, Klangkosmen und Musik, die in kurzen Momenten Struktur anzudeuten vermag, sich dann aber wieder sofort im Endlosen verliert.

Obwohl die Musik von Hiroshimabend grundlegend von einer schier undurchdringlichen Dunkelheit determiniert wird, gibt es immer wieder einzelne Passagen und Strukturen innerhalb der Stücke, die Licht in den Schatten werfen. Die Musik Hiroshimabends ist wie ein Tauchgang durch schwarze, milchige Tinte, in der Hoffnung irgendwann das Licht zu finden, das sich ganz leicht durch die Schichten der Flüssigkeit versucht seinen Weg zu uns zu bahnen, auch wenn es uns vielleicht nie zu erreichen vermag.


Die bisherigen Veröffentlichungen, die der Musiker alle zum kostenlosen Stream und Download auf seiner Homepage anbietet, in einzelne Teile zu zerlegen und dem Versuch einer Analyse und Beschreibung zu unterziehen, scheitert deswegen auch allein an der basalen Ausgestaltung des Projektes selbst, dessen Ziel nicht die Ablieferung einzelner Hit-verdächtiger Tracks ist, sondern vielmehr die Erarbeitung musikalischer Gebilde, die sich immer wieder neu um die RezipientInnen zu schmiegen wissen. Es ist das wirklich Große an Hiroshimabend, dass seine Stücke von Grund auf so chaotisch sind, dass man immer wieder aufs Neue in die Logik dieses Chaos gezogen werden kann und immer wieder neue Strukturen der Klarheit und Schönheit in ihr zu finden vermag.
Wo andere Projekte auf stupide Wiederholung, aggressive Ästhetik oder Präsentation setzen, da beschränkt sich Hiroshimabend auf das Wesentliche: Die Musik. Keine fragwürdigen Samples, keine regressiven ästhetischen Bezugnahmen und keine Sounds aus der Kriegskiste - pure Noise!

Allein der Ansatz, seine Musik zum Download anzubieten, verbunden mit der Aufforderung CDs zu brennen und an FreundInnen zu verschenken, verweist auf den chaotischen Moment des Künstlers. Eine Anomalie im System des Noise, indem soviel Schlechtes zu oftmals völlig phantastischen Preisen unter die Menge williger (und/oder meist geistig völlig verwirrter) KäuferInnen gebracht wird.
Es bleibt deswegen hier nur die Aufforderung, sich aktiv auf die Musik einzulassen und Hiroshimabend in seinen diversen Facetten zu entdecken. Mögen noch viele weitere Liebeserklärungen an das perfekte Chaos folgen!


Mehr Infos und alle Veröffentlichungen zum kostenlosen Stream/Download unter: