Mittwoch, 24. Juni 2015

Die Ästhetik des Terrors - Gedanken zur topologischen Ordnung der Videos des IS

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We live as we dream - alone. While the dream disappears, the life continues painfully.”
-Joseph Conrad: Heart Of Darkness-

Es mögen sich die Nachrichten häufen, dass der Islamische Staat (IS) in den letzten Wochen und Monaten so manche Bastion seiner Herrschaft verloren hat, doch auch wenn seine Herrschaft in absehbarer Zeit einmal gebrochen werden sollte, so ist ihm doch etwas gelungen, dass seine reale Existenz um Jahre überdauern wird: Die Erschaffung kultureller Artefakte, die sich tief in das Gedächtnis der westlichen Welt eingebrannt haben. Vermummte, in schwarz gekleidete und bis an die Zähne bewaffnete Männer, die ihre Opfer, einem Ritual, dessen Sinn wir nicht zu kennen scheinen, folgend, enthaupten, steinigen, verbrennen und andersartig töten. Menschen, die antike Städte und deren kulturelle Güter blindlings zerstören und dem Staub der Wüste gleichmachen. Es mögen die Waffen einst schweigen, die Bilder werden die Gewalt und all die vergangenen und noch kommenden Herrschaften überdauern. Denn sie haben ein immerwährendes, da niemals löschbares, ästhetisches Reich des audiovisuellen Terrors erschaffen.

Pop-Dschihad, Gewalt und die Topologie der Narrative 

Es wurde viel über die Videos, die dem Islamischen Staat zugeschrieben werden, berichtet und analysiert. „Pop-Dschihad“ war und ist eines der großen Stichwörter.
Andere wiederum analysierten die Snuff-Videos in einem Akt der Detailversessenheit und kamen zu Ergebnissen, wie dem, dass die Rezeption dieser Videos nur deswegen auf solch breiter Basis erfolgt, da die Videos sich per se genuinen Mustern westlicher Narration und Bildästhetik bedienten; bis hin zu den Enthauptungen, die, anders als in den Videos anderer terroristischer Organisationen, niemals als Ganzes gezeigt würden und deswegen die Rezeption erst ermöglichen würde, da sich das wirklich brutale im Kopf der RezipientInnen abspielen würde. Filme wie „The Silent Of The Lambs“ und „Seven“ lassen grüßen. Die Fiktion wird zur bluttriefenden Realität, die sich wiederum im fiktionalisierten Gewand kleidet.

Gemein ist diesen Darstellungen und Einschätzungen, dass sie alle richtig sind, zugleich aber auch falsch, da sie sich alle grundsätzlich von den Signifikanten des Spektakels täuschen lassen und so den wahren Kern der Videos nicht zu fassen vermögen.
Die vom IS erstellten und in das globale Kommunikationsnetz eingespeisten Videos als eine Art Genre unter dem Begriff „Pop Dschihadismus“ zu fassen ist hierbei wohl die erste große Missinterpretation. Selbstredend sind die, vom IS erschaffenen, Videos kulturelle Artefakte und durch die breite Rezeption und ihre omnipräsente Verfügbarkeit im weltweiten Datenstrom sind sie, ohne Zweifel, zum Teil populärer Kultur geworden. Wohl kaum ein Mensch in der westlichen Hemisphäre hat nicht den blutigen Kopf eines der Opfer gesehen oder eines der Bilder, das die Ausführenden irgendwann ins Internet gestellt haben. So, wie die Bilder des 11. September, so sind auch die Bilder des IS Ikonen und als Ikonen sind sie in unsrer Bilderwelt omnipräsent.

Jedoch ist das Wesen der Videos selbst eher dialektisch. So betreiben sie zum einen eine markante und beeindruckende Mimesis der Topologie westlicher Popkultur. Zum anderen aber verfügen die Videos stets auch über eine Unzahl an Symbolen und Signifikanten, die dezidiert nicht einem westlichen Kulturkreis zuzuordnen sind und demgemäß von westlichen RezipientInnen zwar oberflächliche Zuordnung erfahren können (Schriftzeichen, Gesänge, Sprache usw.), zumeist aber nicht vollends entziffert werden können. Wer weiß, was die arabischen Schriftzeichen aussagen, was die gesangs-ähnlichen Passagen zum Inhalt haben oder was genau die Stirnbanner der KämpferInnen für Inschriften tragen?
So sehr diese Details das Gesamtbild bestimmen, sosehr sind sie vielfach eben nicht Fokus der Narration. Geschweige denn braucht es ein basales Verständnis dieser, denn vielmehr ist der Akt der Zerstörung, sei dieser nun gegen menschliches Leben oder kulturelle Objekte gerichtet, Nukleus der Narration. Er ist Zentrum, Ausgangs- und Endpunkt. Ein endloser, da symbolischer, Zyklus des Leidens und der Vernichtung.

Wichtig erscheint hierbei zuerst folgende Differenzierung zwischen dem bloßen Akt der Gewalt, wie ihn zum Beispiel eine Straßenschlägerei darstellen kann, und dem, was hier unter dem Topus des „terroristischen Akts“ verhandelt werden soll. Es ist dem terroristischen Akt, wohl als einzigem Akt der Gewalt, zu eigen, dass er seine mögliche Rezeption vorab plant und als integralen Bestandteil seines Prozesses begreift. Der terroristische Akt ist immer ein pervertierter Schöpfungsakt, der aus der Destruktion seines Handelns neue Bilder erschafft. Der Akt der Gewalt muss rezeptionsfähige Bilder gebären, die das erschaffene Leid aus der Dimension des Individuellen herauslösen und sie in das symbolische Sein überführen.
So, wie das weiße Blatt den Autor in einen Modus der totalen Offenbarung zwingt, so sehr zwingt der Akt der Gewalttat die TäterInnen1 in den Akt der symbolischen Determination. So, wie ihr Handeln den Akt gebiert, so reproduziert der Akt ihr Sein und ihre Ideale selbst.
Gemein ist hierbei all diesen Akten terroristischer Gewalt, dass sie in ihrer medialen Inszenierung zu einem performativen Akt geformt werden, indem die blanke Gewalt mit Signifikanten versehen wird, um sie dergestalt topologisch zu ordnen und ideologisch zu kodifizieren.

1Hierzu zählen deswegen gerade auch jene, die den Akt medial inszenieren und nicht allein die, die den Akt der Gewalt begehen.

Entgrenzung und mediale Imagination

Gemeinsam ist den Akten vorrangig ihr Moment der Entgrenzung, wobei Entgrenzung hierbei im Sinne einer negativen Transgression, einer gezielten Überschreitung der westlich hegemonialen Konventionen, zu begreifen ist. Terror ist aber nicht nur allein diese Form der Grenzüberschreitung der Konvention der Heiligkeit der Körper, sei es in Form von schweren Akten der Gewalt, bis hin zu extrem detaillierten Tötungen, sondern gerade deren öffentliche Präsentation und die, von den TäterInnen gezielt bearbeitete, Einspeisung der Narration in das weltweite Datennetz.
Nicht der Terror, in Form der Gewalt gegen die Körper, bildet hierbei den Nukleus dessen, was wir als entgrenzt erfahren, denn vielmehr dessen vulgäre Zurschaustellung im kulturellen Artefakte. Die Ästhetisierung des Leids und dessen symbolische Prostitution, die den Akt in die Sphäre der endlosen Wiederholbarkeit erhebt. In der Realität kann der Mensch nur einmal sterben, in der Narration endlos. Das Leiden und die symbolische Kodierung dieses Leidens werden somit immer wieder reproduzierbar. Jederzeit an jedem Ort der Welt. Kostenlos.

Das Artefakt verwischt hierbei bewusst, in seinem Sein, die Grenzen zwischen objektiviertem Sein und einer, scheinbar prozesshaften, Ästhetik des Performativen. Das Artefakt verweist in seinen Signifikanten immer darauf, Teil einer größeren Gesamtheit zu sein, ebenso wie in der größeren Gesamtheit jedes einzelne Teil drauf verweist, dass es einen jeden kleineren Teil als Teil seiner Selbst begreift. So, wie der Akt, den die Videos in ihren Narrationen darstellen, nicht ohne die reale Existenz des Islamischen Staats zu denken ist, so ist der Islamische Staat nicht in seinem Wesen denkbar ohne die gezeigten Gräuel.
Dergestalt vernichten die kulturellen Artefakte die Grenze zwischen medialer Imagination und realem Sein: Die kathartische Hypothese, die davon ausgeht, dass in den medialen Imagenationen Prozesse stellvertretend ausgelebt werden können, wird hierbei zur konkreten Androhung des Subjekts.
Die Entgrenzung der Gewalt vollzieht sich nicht nur in seiner vulgären Exploitation gegen die Objekte seines Prozesses selbst, sprich die zu marternden Menschen; vielmehr verfolgt die Narration als Ziel eine Drohung auszuformulieren, die die Entgrenzung zwischen medialer Narration und objektivem Sein des rezipierenden Objekts fokussiert: Auch du könntest getötet werden!

Die scheinbare Angst-Lust in der Rezeption von Videos, wie sie nicht allein der IS verbreitet, ist deswegen keineswegs als sinnlich motivierte Lust an den Bildern allein, die abseits jeglicher Vorstellung ihr Sein zu vollziehen scheinen, zu begreifen, denn vielmehr als Lust an der explizit implizierten Bedrohung des Subjekts selber. Die Rezeption wird hierbei zum masochistischen Prozess der eigenen Objektivierung im Rahmen der entgrenzten Ästhetik der Narration. Auch deswegen gemahnen die Videos so sehr an unsere populäre Kultur, da sie in ihrem Sein und ihrer Rezeption so sehr an das erinnern, was Marcus Stiglegger in seinem Essay „Terrorkino“ beschreibt. Stigleggers Seduktions-Theorie, die Film und dessen Artefakte immer als einen Akt der Verführung des Rezipienten begreift, lässt sich wohl an keinem medialen Objekt klarer verdeutlichen, als an den Videos des IS.

Die symbolische Ordnung des Schlachtens

Es ist jedoch grundlegend falsch, die kulturellen Artefakte und ihre Narrative allein und einzig auf ihren Höhepunkt, nämlich den Akt der entgrenzten Gewalt, zu reduzieren.
Es gilt sich hierbei bewusst zu werden, dass Medien und populäre Kultur als Speicher, Reservoir und Verhandlungsort von Konzepten dienen, wobei Konzepte hier im Sinne von Konstruktionen gefasst werden müssen, deren Sinn und Gehalt gesamtgesellschaftlich diskursiv hergestellt wird.
Die Videos des IS nutzen diesen global zugänglichen Diskursraum, indem sie ihre Philosophie in Form von Artefakten einspeisen, die wiederum popkulturelle Montagen darstellen. Der globale Akt des Terrorismus ist deswegen zuerst und primär immer ein medialer Akt. Die Bereitstellung der eigenen Narration und die Eröffnung der Option, überall auf der Welt diese Narrative unzensiert und ohne Zugangsbeschränkungen zu verbreiten.
Die TäterInnen affirmieren hierbei die Bilder unmittelbar, da sie direkt im Modus visueller Bildkulturen operieren. Dies bedeutet wiederum aber auch, dass die audiovisuellen Narrationen des IS eine spezifische topologische Ordnung zu entfalten vermögen. Selbstverständlich im Rahmen der spezifischen Logik der Bilder, wie sie Mersch am treffendsten in seinem Artikel „Die Logiker der Bilder“ darlegt. Allen voran die Nicht-Negativität der Bilder, was nichts anderes heißen soll, als dass Bilder nicht direkt in der Lage sind zu negieren, da sie das zu Verneinende immer zeigen müssen. Die Negation muss also über die Narration erfolgen. Beim IS vollzieht sich diese Negation des Gezeigten immer in der Destruktion des physikalischen und symbolischen Körpers.

Auffällig bei fast allen Videos, die dem IS zugeschrieben werden, ist die formal strenge Ordnung. Sowohl ästhetisch, als auch im Narrativen. Die Narration dient nur der groben Rahmung des eigentlichen Akts der Gewalt, der Höhepunkt und Ausgangspunkt zugleich darstellt. Oftmals wird das Geschehen audiovisuell von melodiös anmutenden „Gesängen“ und andersartigen Symbolen gerahmt und begleitet. Bedeutet jedoch, dass es keinerlei Verständnis um und für diese verschiedenartigen Symbole bedarf, da der Akt der Gewalt und die, mit ihm einhergehende, Zerstörung als universell verständliches Symbol funktionieren. Im Fokus der Narration stehen immer zwei Figuren(gruppen) und ihre Beziehung zueinander. Der/Die, die Gewalt Ausführende und das Opfer. Beide durch ihre Darstellung, allen voran die Kleidung, ihrer Individualität entrissen und zu Ikonen transformiert. Auf der einen Seite die, in einen farblichen Overall gewandeten, Opfer, oft mit verbundenen Augen, auf der anderen Seite die, in schwarz gekleidet, maskiert und bewaffnet, Ausführenden.
Der Tod des Opfers nimmt in diesem Ritual die Gestalt einer mathematischen Lösung an. Selbst der Tod des Opfers verliert dabei seine Individualität und wird zu einem Moment der topologischen Ordnung. Er erscheint unabdingbar, durch nichts auf der Welt zu verhindern. Er ist logische Konsequenz, Vorhersehung und Schicksal zugleich. Wo die Folter, Jean Amery folgend, immer eine Anerkennung des Anderen, im politischen Sinne implementiert, da negiert der Islamische Staat diese Anerkennung seiner Opfer. Die Opfer sind keine Menschen, sie sind Symbole und als Symbole finden sie Vernichtung.

Der Wille zur totalen Vernichtung des Abstrakten

Carl Schmitt folgend, geht mit dem Willen der totalen physischen Vernichtung der Zwang zur vollständigen moralischen Vernichtung einher. Das Opfer muss nicht als Mensch den Tod erfahren, denn vielmehr als Symbol für die totale moralische Vernichtung dienen, die das Video als Artefakt in den medialen Kurs einspeisen kann. Die Imagination der Anderen muss hierbei zwangsläufig dergestalt kodiert werden, dass die Anderen in ihrer Gesamtheit als VerbrecherInnen und Unmenschen deklariert und deklassiert werden. Auch so und gerade so können die eigenen Exzesse und die eigene Entgrenzung Rechtfertigung und Absolution erfahren. Es ist dies der Grund, warum in den Videos so konsequent von der Gruppe der Ungläubigen fantasiert wird.
Der vom IS ausformulierte Islamismus ist in diesem Sinne eine absolute Feindschaft, die letztendlich der abstrakten und totalen Vernichtung von Ideen trachtet und weniger der Vernichtung eines konkret materiellen Feindes.
Die mediale Narration generiert dergestalt eine Ordnung, die die religiösen Fragmente nur indirekt zur Rechtfertigung des eigenen Handelns anführt, denn vielmehr zur Argumentation und Konstruktion einer absoluten Feindschaft dient.
Das diese absolute Feindschaft in der exzessiven und drastisch bebilderten Schlachtung der Körper ihre ästhetische Form findet, ist dergestalt logisch, ist doch die Verletzung Heiligkeit der Körper, deren Unversehrtheit und die, an den Körper gekoppelte, Individualität der Existenz eines jeden Menschen eines der großen Tabus westlicher Gesellschaft.
Eben deswegen müssen die Videos, die die Tötung von Menschen und die, die die Zerstörung von kulturellen Artefakten, in Form konkret physischer Objekte, wie zum Beispiel die Stadt al-Hadra, oder andere Stätten, als eine Einheit definiert werden. Es ist erklärtes Ziel beider nicht den Menschen als Subjekt und Individuum zu eliminieren, denn die übergeordnete Ordnung, als dessen Symbole und RepräsentantInnen die Körper und Objekte symbolisch dienen.

Der Partisan und die Ordnung des Raumes

Es vermag deswegen auch nicht weiter zu verwundern, dass einer Figur in den Videos immer eine zentrale Position zukommt: Dem maskierten Ausführenden. Nicht nur ist er/sie direkt Subjekt des Handelns, sondern vielmehr ästhetisierte Ikone. Durch Gewandung seiner/ihrer Individualität entrissen und durch das schwarz auf nichts weiter als auf die Waffe und andere, weniger scheinbare und religiös konnotierte Symbole, wie Stirnband und Co., reduziert, verweist er/sie darauf, dass er seine Identität und Individualität aufgegeben hat, um Teil des Kollektivs zu werden, dass uns optisch durch gleichgeartete Symbole präsentiert wird. So, wie die Videos in makrokosmischer Dimension darauf verweisen, dass sie Teil einer größeren ideologischen Ordnung sind, so verweist der Ausführende, als Symbol, darauf, dass er Teil einer symbolischen Ordnung ist und nicht deren herausragender Repräsentant. Die Ausführenden sind keine RevolutionärInnen. Keine Ernesto Guevaras und keine Maos. Sie sind Partisanen. Arbeiter, im Sinne Ernst Jüngers, für eine zu erschaffende Ordnung und Industriepartisanen im Sinne von Carl Schmitt. Sie sind Kodizies für die Wiederkehr des konkret Politischen. Sie definieren, strukturieren und hierarchisieren durch ihr konkretes Handeln einen realen und einen medial-virtuellen Raum zugleich. Vorwiegend dadurch, dass sie in diesen Räumen sowohl real, als auch virtuell, die Symbole eliminieren, die für eine abstrakte Ordnung des Raums durch Ideale stehen, die ihren eigenen Idealen widersprechen.

Obwohl dieser Raum nicht identisch mit Ordnungen, wie der Nation, dem Stammesgebiet, der Region, oder der abstrakten überregionalen politischen Vereinigung ist, so entfaltet er doch seine Logik, deren Spezifika am ehesten mit Carl Schmitts Idee von der Einheit von Ordnung und Ortung zu greifen sind. Die Videos sind gerade deswegen immer in einem klar sichtbaren und grob geographisch verortbaren Setting arrangiert, weil sie dergestalt so an einen konkreten geographischen Ort gemahnen: Das Territorium des Islamischen Staats.
Im Gegensatz zu anderen Regimen, die ihre Taten der entgrenzten Gewalt oftmals in Gebieten vollzogen, die nicht mehr direkt, oder nur peripher, dem Gebiet ihrer Hoheit zugeschrieben werden konnten, so vollzieht der Islamische Staat seine Taten im Herzen seines Hoheitsgebiets. Die gewalttätige Entgrenzung gegen die imaginierte Masse der Anderen wird dergestalt zum integralen Bestandteil der eigenen Ordnung und verweist so auch auf eine Einheit von Ortung und Ordnung. Nur im beherrschten und eigenhändig geordneten Bereich können die Anderen endgültig Vernichtung erfahren. Der Partisan ist VollstreckerIn dieser Einheit von Ortung und Ordnung und zugleich in seiner, scheinbar massenhaften Existenz, deren AnhängerIn, RepräsentantIn und GönnerIn. Die perverse Blume, verwurzelt in der Ästhetik des Terrors.
Er ist symbolische Ikone, als auch konkreter Exekutor zugleich! Sein Individuum und das, an den Individuen verursachte, Leid ist dergestalt immer nur Teil im Prozess einer Ästhetik des Performativen, deren Ziel die reale, als auch multimediale, topologische Neuordnung und ideologische Hierarchisierung des symbolischen Diskursraums ist.

Vulgäre Anerkennung

Nach Max Weber bedarf die Anerkennung einer existierenden Ordnung immer die Anerkennung der Ordnung derjenigen, an die sie sich richtet. Die Anerkennung des Islamischen Staats vollzieht sich hierbei in einem dualistischen Prozess, dessen Bezug durchaus als dialektisch beschrieben werden kann: Auf der einen Seite dieses Prozesses finden sich die direkt Regierten, die einem konkreten geographischen Zugriff unterliegen. Auf der anderen Seite diejenigen, deren Anerkennung abstrakt, in Bezug auf die Anerkennung der ausformulierten Ideologie und Topologie, zu erfolgen hat.
Die produzierten kulturellen Artefakte fordern dergestalt in einer primitiv vulgären Form immer auch die Anerkennung der Anderen, denen in den Artefakten immer die Vernichtung angedroht wird.
Der Wunsch und die Forderung nach Anerkennung ist deswegen immer eine des sich stärker Generierenden, der die Hierarchie und Ordnung über die bloße Fähigkeit zur steten und immer wiederkehrenden Fähigkeit der Entgrenzung des eigenen Seins organisiert.
Gerade deswegen lässt sich der Islamische Staat auch in realer Konsequenz nicht nur rein argumentativ bekämpfen, sondern muss immer zwangsläufig militärisch im konkret realen Raum konfrontiert werden.

So, wie die Videos über ihre Entgrenzung eine Topologie des Terrors ausformulieren und ästhetisieren, deren Ziel die Hierarchisierung der Anderen, über die stete Drohung der Vernichtung ist, so sehr muss sich bewusst gemacht werden, dass diese kulturellen Artefakte immer auf ein reales Sein Bezug nehmen. Ein Sein, indem diese Ordnung der Entgrenzung eine geographische Ortung strukturiert und beherrscht. Die Opfer sind Symbole, jedoch immer auch Menschen, die dem Willen zur totalen Vernichtung anheimgefallen sind. Ein Toter mag eine gewisse ästhetische und symbolische Topologie be- und ergründen, am Ende bleibt er/sie aber ein Individuum, dass auf grausame Weise dem Leben entrissen wurde. Die topologische Ordnung der Ästhetik des Terrors formt die Leidenden und ihre Pein zu Symbolen, um sie als Argumente in den globalen Diskursraum einzuspeisen. Eine Analyse, wie die hier vorliegende, kann dies analysieren. Es obliegt aber uns allen stets daran zu denken und zu gemahnen, dass eben diese Individuen mehr sind als bloße Symbole. Sie sind Menschen. Eine Ästhetik des Terrors kann nicht mit einer „Ästhetik der Menschlichkeit“ entgegengewirkt werden, da es diese Ästhetik nicht geben kann. Menschlichkeit ist konkret, da sie konkrete Subjekte kennt. Der Terror kennt diese Subjekte nicht. Er kann und will sie nicht kennen.

Eine Analyse der Videos allein wird und kann diese topologische Ordnung nur analysieren, nicht aber ändern. Dies kann nur die konsequente und letztendlich auch bewaffnete Konfrontation. Es ist eben dies das große Paradox, dass der entgrenzten Gewalt mit Gewalt begegnet werden muss. Auch und mit Unterstützung von Ländern, die ihre eigene Ordnung auf der Begrenzung von Gewalt konstituieren. Die Heiligkeit der Körper kann nur durch den unheiligen Akt der Opferung dieser verteidigt werden.  


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Sonntag, 14. Juni 2015

Dystopische Utopie - Turbobier als katharisches Theater

„Du bist schön und jung und starkNimm dir was du willstNimm dir was du willstSolang du nur noch kannstVerschwende deine Jugend“-D.A.F. / Verschwende deine Jugend-


„Floschnpfand“, „Fuaßboiplatz“, „Notstandshüfe“, oder eben „Arbeitlos“. Wer sich derzeitig in Österreich mit aktuellen Bands und KünstlerInnen beschäftigt, der wird neben den obligatorischen „Chart-Stars“, wie „Bilderbuch“, „Wanda“, „Nazar“ und den „Makemakes“, an einer Formation nicht vorbeikommen: „Turbobier“1.
Die Jungs Doci Doppler, Fredi Füzpappn, Baz Promüü und der umtriebige Marco Pogo sorgen nicht nur allein wegen ihrer Namen für Knoten in den Zungen ihrer „hoch“deutschsprachigen Fans, sondern begeistern mit ihren Videos zehntausende ZuschauerInnen. Und auch im realen Leben spielt sich die Formation seit geraumer Zeit von einer ausverkauften Location zur Anderen. Den vorläufigen Höhepunkt im Universum „Turbobier“ bildet aber mit Sicherheit das seit dieser Woche erhältliche Album „Irokesentango“.

Doch was steckt hinter den vier, scheinbar immer volltrunkenen, Herrn und ihrem künstlerischen Output?

In der moralischen Entrüstung schwingt auch immer die Besorgnis mit, vielleicht etwas versäumt zu haben.
-Jean Genet-

Der naheliegende Versuch „Turbobier“ als dreckige Stiefgeschwister eben dieser Bands, wie den oben erwähnten „Wanda“ und „Bilderbuch“, zu begreifen ist allein deswegen zum Scheitern verurteilt, da es „Turbobier“ nicht eben nur um die Musik allein geht; denn diese dreht sich Punk/Oi-typisch vordergründig erst einmal um Bier, staatliche Zwangsmaßnahmen zur Wiedereingliederung und Fußball und ist damit, bis auf die Vortragsweise in Wiener Mundart nicht unfassbar innovativ, sondern besticht mehr durch das variantenreiche Spiel mit den genretypischen Klischeefacetten.
Was „Turbobier“ aus der Menge herausragen lässt, ist ihre Verquickung von Musik, Theater, Videokunst und der medialen Präsentation dieses Gemisches über die verschiedensten Netzwerke der digitalen Welt und den Bühnen des deutschsprachigen Raumes.
Es ist deswegen nicht nur der Versuch falsch „Turbobier“ mit anderen Bands zu vergleichen, denn vielmehr grundlegend die Klassifizierung von „Turbobier“ als Band überhaupt. Der Versuch all die dargelegten Bereich der Tätigkeit zu subsumieren weckt deswegen bewusst auch eher Assoziationen zu anderen Künstlerkollektiven, wie „Laibach“ oder auch „Crass“, denn zu Bands, wie „Kraftclub“ oder eben „Wanda“ - „Turbobier“ ein anarchistisches Gesamtkunstwerk!

Gewichtig wird diese Erweiterung des Fokus in Anbetracht eines Zitats von Christoph Schlingensief:

Das ist eben das große Pro von Theater, von Fiktion: dass es sich Dinge erlauben kann, zum Beispiel auf der Bühne jemanden zu töten oder seinen Kopf zu fordern – ohne Konsequenzen. Ich war immer ein Gegner von diesem blöden griechischen Theater, aber, auch hier wieder: Je älter ich werde, desto mehr finde ich es toll, von Katharsis zu reden.“2

Und weiter, den Effekt der Katharsis auf das Individuum begreifend:

Wenn ich eine gute Theaterinszenierung anschaue, genauso wie einen guten Film, dann denke ich inzwischen tatsächlich manchmal: Wie gut, dass der den umgebracht hat, dann brauch ich´s nicht mehr zu machen.“3

Es ist deswegen auch der Moment des Exzesses und dessen theatralische Darstellung die „Turbobier“ von anderen Bands aus dem Bereich des Oi- und Punkrock differenziert.
„Turbobier“ ist per se die proletoide Version von Herman Nitschs „Orgien Mysterien Theater“, was aber keinesfalls als Abwertung zu verstehen ist, denn vielmehr als großes Kompliment. Wo Nitsch über Bedeutungslosigkeit mit mythengeschwängerten Bildern hinwegtäuscht, da generieren „Turbobier“ aus den scheinbar bedeutungslosen Bildern und Aktionen neue Mythen des Seins.

Kommen wir deswegen zurück zu geistigen Steinbrüchen der Band: Das Fundament des Oi bildet vielfach die Konstitution eines, wie auch immer gearteten, Gefühls als „Working-Class“. Über die imaginierte Schichtzugehörigkeit, deren Sedimentierung und die „Lobgesänge“ wird Gemeinschaft generiert und erhalten. Punk ist, oberflächlich geschrieben, zwar ideologisch ausdifferenzierter, verweist aber in seiner Musik im Jahr 2015 in den wenigsten Fälle auf das einstige Motto „No Future“ und verweigert sich damit einer radikalen Ablehnung und Apathie gegenüber dem gesellschaftlichen Fortbestand. „Turbobier“ hingegen wählen als künstlerischen Ausgangspunkt einen stark existenzialistischen Fokus, der das Individuum und dessen aus der Essenz zu schaffende Existenz als primären Zirkulationspunkt wählt.
„Turbobier“ gehen hierbei bewusst weiter. Weiter, als DAF es noch in den 80er taten, als sie ihre HöhrerInnen dazu aufforderten, ihre Jugend zu verschwenden. Bei „Turbobier“ wird das Verschwenden zum primären Moment der Existenz erweitert: Verschwende dich selbst!
Die Verschwendung und damit grundlegend der Moment des Exzesses werden jedoch einer positiven Umdeutung unterzogen: Der Moment des selbstzerstörerischen wird zum hedonistischen Nihilismus.


„Turbobier“ feiern nicht die Option eines richtigen Lebens im Falschen, oder eben die Illusion, dass die kapitalistische Ordnung der Körper eine Inszenierung des Selbst im Korsett der Norm belohnen könnte. „Turbobier“ feiern vielmehr, wenn auch unter einer Schicht von Humor und Sarkasmus verborgen, die Option der bedingungslosen Selbstauflösung des Ichs im masochistischen Rausch als letzten wirklich selbstbestimmten Moment, in einer gesellschaftlichen Ordnung, deren Wesen die Zerstörung des Individuums zwecks sinnentleerter Mehrwertproduktion feiert.
Der „Drangler“ ist deswegen keine „No-Future“ Ikone, denn vielmehr die mythische Ikone, die ihr Sein in gesellschaftlicher Isolation und selbstauferlegter Marter fristet, um, ganz im Sinne Batilles, wirkliche Transzendenz und Individualität erleben zu können. Der „Drangler“ als Märtyrer und die „Hüsn“ als Relikt und Reliquie des kathartischen Aktes den „Turbobier“ in ihrem Theater aufführen, in ihren Liedern besingen und in ihren Facebookposts kreieren. Die, allein und gerade wegen ihres Strebens nach Freiheit und dem Aufzeigen gesellschaftlich hegemonial getarnter Lügenmärchen, positive Antithese zu den Heilsversprechen des glücklichen Menschen in der „Sozialen Marktwirtschaft“.

Alkoholismus ist bei „Turbobier“ deswegen immer als ein sinnlicher Akt zu begreifen, der seinen Vollzug in einer Umgebung erfährt, die ihre Sinnlichkeit und Lust längst in den vollends entleerten Pornos und übersexualisierten Medienformaten aller Art verloren hat. Das Bier ist auch deswegen Fetisch, gerade eben auch in sexueller Natur, weil es eine direkte Sinnlichkeit im Sinne des bloßen Seins verspricht. Das Bier und der Rausch nehmen der Essenz ihre Existenz. Der Rausch wird zum Akt der Zerstörung der Konventionen, das Bier zum Zeremonienmeister, dem „Turbobier“ selbst zudem in einer theoretisch abstrakten Form in ihrem „Format“ der „Bierpartei (BPÖ)“ huldigen.



Die positiven Gesänge über den Rausch, die Suche nach einem offenen Beisl in der Nacht, oder dem Flaschenpfand können und müssen deswegen als lyrische Figuren und Kompositionen verstanden werden, die in ihrem Wesen fast unausweichlich an die lyrischen Bilder Jean Genets gemahnen. Wo Genet Matrosen und Mörder besingt, da sind es bei „Turbobier“ die „Drangler“ und sozial Ausgegrenzten.



Ganz im Sinne Batilles verweist der scheinbar dystopische Akt der Selbstauflösung und Zerstörung immer auf den Moment der Transzendenz, indem die Dystopie in die Utopie kippt und letztendlich bei „Turbobier“ nicht mehr und nicht weniger ist als die völlige Befreiung des Individuums aus den Zwängen des gesellschaftlichen Seins, allen voran die sinnlose Ausbeutung des Selbst für eine Ordnung, die niemals ihre Versprechen eingehalten hat. Die Kunst von „Turbobier“ ist allein deswegen Katharsis, da sie uns einen existenziellen und dystopischen Weg in die Utopie gemahnt. Zugleich aber auch auf das kreative, humorige und gewaltige Potential aller Menschen verweist, die
ihren Frust ziellos sublimieren: Arbeitslos durch die Nacht, dass heißt auch frei durch die Nacht! Prost!


Das Album kann unter: http://turbobier.at/irokesentango bestellt werden. 
Wer sich Turbobier live geben möchte - hier geht das:http://turbobier.at/tour


1In Deutschland wird ein „Turbobier“ eher unter dem Namen „Dosenstechen“ ein Begriff sein. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Dosenstechen
2Schlingensief, Christoph: Ich weiß, ich war´s, München: Kiepenhauer und Witsch, 2012, S. 104

3Ebd.

Donnerstag, 12. Februar 2015

Noise, Nitsch, Pasolini and the renaissance of abstract electronics and experimental sound in Vienna. An Interview with Hiroshimabend

 Hiroshimabend
interviewed by Barbara Grim and J.N.T.

Before reading the following interview feel free to check out Opiumdenpluto to listen to the music of Hiroshimabend for free.

A translation will be ready in a week or two. So stay tuned!



Abseitiges: 
Michael, first, let me say thank you for your interest in this interview. Surely, it is a premiere both for you and for “abseitiges”.
You are producing under the name of “puppy38”, however, without a doubt, your dominant musical output is “Hiroshimabend”. Before we dedicate ourselves to this cryptic name, I have other questions:

On your website, you are asking your listeners to burn your music on CDs, and to distribute it! What does this kind of marketing mean to you and why did you not decide on a traditional form of label distribution?

Hiroshimabend:
In 1998, after composing and recording my own self-produced works for over a year, I was made aware of MP3 technology through a good friend telling me about Napster. In that instance I understood the traditional record business model to be effectively over. Here was a technology that could make music almost instantly accessible to anyone in the world having access to the internet. To me this meant that even if hiroshimabend got a record deal, only one CD had to be sold, converted to MP3, put on a file sharing service, and at that point, for all intents and purposes, nobody would have to buy another copy of the CD. So I figured it would take the industry a while to catch up and decided to learn how to build my own website, where the music would available to download for free in lossless MP3 format. At live shows and on my website (www.opiumdenpluto.com) I have been selling limited edition USB flash drives called “23-8-1” which is basically my entire discography (including all sleeve designs) excluding newer material. I ask for (but do not require) donations for downloads of my music via opiumdenpluto. This has generated some income, but the exposure this has generated, not only for the music, has been sufficient enough to get me on the bill opening for several well-known acts, plus a lot of solo shows. It has also helped draw attention to my production work, so I have had the opportunity to produce and remaster releases by other bands, some of which, ironically enough, are on independent labels, such as Klanggalerie. 


Abseitiges:
Positively speaking, the music of “Hiroshimabend” is not only cryptic, but also hypnotically closed. Once, I did compare the listening experience to the swimming in a milky lake out of jet-black ink. Why did you chose this taciturnity and labyrinthine structure? Do you want to emphasise a general refusal of pop, or do we have to deal with an aesthetic or even ideological decision?

Hiroshimabend:
I cannot tell you how much I enjoyed that description of my music. I cannot tell you how many times I have been listening to one of my pieces during post-production that I have practically “tranced out” and almost forgotten what I was doing. It can really take you away from wherever your mind is and put you in a different, hopefully more special place. More than one person has described it as very hypnotic. I never consciously decided to do something so out of the ordinary or “taciturn” as you describe. It is just something that happened naturally. I come from a background of having listened to music from so many varying genres that I have always had one ideal, which is to create something that didn’t sound like anything I had heard before, something that was my own, yet at the same time could give the listener the same feeling a lot of music gave me when I was younger. The complex simplicity of true art is that it should engage the viewer/listener on their level. They make up the stories in their mind as to what the music means. Of course there are sometimes subtle guides along the way; it could be a sample from a movie, or the title of the piece (albeit often in the form of an undecipherable acronym), or even the sleeve design. The point is to make something where the listener is not being told what to think or how to feel. It’s totally up to them.


Abseitiges:
But still, your music creates certain associations. Personally speaking, I had been often reminded of “Muslimgauze”, partly of Job Karma, and additionally, of diverse noise and former industrial bands, such as Throbbing Gristle, or Psychic TV. If I am not mistaken, there are photographs depicting you visiting Herman Nitsch. Please excuse this brief excursus, but pictures by Nitsch, which somehow always oscillate with beastly rawness and tenderly exposure to colour, are, in my opinion, partly pictorialized sequels of your music. Where does your inspiration come from? Are there any musicians, bands, or inspirations from the field of art or literature influencing your work? Are there any musicians who you want to strongly recommend to our readers from abseitiges?

Hiroshimabend:
First I will answer something with regards to Nitsch. My wife told me about him when she planned for us to go to the “Pentecost-Feast” at his estate. I had never even heard of him, so I did a little research and found a connection to Coil. Upon seeing his stacks of canvas and massive body of work I envisioned finding a way to contact him about using some of the photographs I took for a future sleeve design. While I was there I recorded some audio from a video that was playing and plan on fitting samples from it into a piece I am working on for later release. I could completely relate to the subject matter as well as the method of creation he used and was inspired a good deal by the experience. With regards to inspiration, it was actually Muslimgauze that inspired me to take the music of hiroshimabend into longer formats. When I first listened to “Gulf Between Us” by Muslimgauze I had such incredible sensations. It was like a full meal with coffee, dessert, sex and a cigarette afterwards. As a listener I could not have asked for more. I realized that while some of my pieces at that point were shorter, to tell a whole story and allow the listener to really sit back and become immersed in the sounds would require a longer track. Uninhibited and unconstrained with regards to the length of the tracks became my modus operandi. This allowed me to really get into the environment of the soundscapes I was creating and explore the ideas more fully without having to edit them as much just for the sake of making something quick and easily digestible. I would have to say as far as other artists/musicians/writers that have in many ways shaped my own music, the list is long. I mentioned Coil earlier, and was once flattered that my friend Joe Lifto, who I was giving a preview of a track I was working on (assuming he knew it was mine), asked if it was a new Coil release. Certainly I have to also include ambient/instrumental pieces by artists like Cindytalk, Throbbing Gristle, Chris & Cosey, Einsturzende Neubauten, Skinny Puppy, Nurse With Wound, David Sylvian, This Mortal Coil, Maeror Tri, Troum, Job Karma, Cabaret Voltaire, and Voices of Kwahn. Two instrumentalists, Mick Karn (fretless bass) and Dwayne Rudolph Goettel (synthesist) have had a great deal of influence on me for over half of my life. I have also taken a lot of inspiration from producers such as Martin Hannett (my biggest influence and a spirit I try to channel during production and post-production) and Dave “Rave” Ogilvie. Authors Clive Barker, Anne Rice, Neil Gaiman, Phillip K. Dick, and Arthur C. Clarke have inspired many of my creative means. The hiroshimabend piece “Mspais” is actually a musical interpretation of the emotional scale I went through when reading “Imajica” by Clive Barker. Artistically I am inspired by my wife Katja Svejkovsky (approaching her about using some of her artwork for sleeve designs was pretty much how we met). I am also a big fan of: the graphic design work of Peter Saville, illustrators John J. Muth (who interestingly enough also composed a flexi-disc of ambient sounds for a comic book series he worked on) and Pierre Clement, paintings by Dali, Miro, Rothko, Henri Fantin LaTour, Bosch, Mondrian (to name but a few), and architect Frank Lloyd Wright. I can easily say that without influences from these and many more creators I would not be here talking with you today. 





Abseitiges:
Now, we are coming to the question that surely the majority of our readers is interested in: „Hiroshimabend“? What does this actually mean? Did you deliberately chose this name, since it possesses so much associative potential that ranges from the German romanticism to the technical revolution and the atomic fallout? Or are we additionally confronted with personal levels of meaning at this point?

Hiroshimabend:
I have always been fascinated with wordplay and double-meanings. I saw a documentary about Trinity and the scientists developing the atomic bomb at Los Alamos, New Mexico that featured Hans Bethe and many more. I then did a little research on current-day Hiroshima, and very little remains to show how decimated the city was. I couldn’t help but reflect sadly upon the fact that despite it now being a beautiful city (which I hope to visit one day), just the mention of the name conjures up such horrifying imagery. I had just began composing and recording my first E.P. “Beta1” and the sounds were simultaneously dark and droning with hints and glimmers of hope. One late evening during a session I was taking a break from recording and noticed that despite the solitude of the studio and darkness of what I was creating, the place I was in mentally was really exciting and energising. I remembered an aerial photo of Hiroshima focused on the Ōta River and the name just occurred to me…hiroshimabend…a beautiful bend of the river situated so close to a city whose name evokes dreadful imagery.


Abseitiges:
In your performances, visual elements, mostly in form of video players have been prominent, which, according to my opinion, repeatedly formed a surprising symbiosis. Still, as far as the visual dimension is concerned, you are denying the concrete, remaining in the abstract. Which status does this visualisation hold for you? Do you think that “Hiroshimabend” is a project that is more successful in this multimedia space than alone, at home, in front of the own sound system?

Hiroshimabend:
I have been a graphic designer since my early teen years and later worked as a Production Assistant and Producer at an advertising agency in the U.S. The visual element has always been important to me, but only in the last few years have I acquired access to the tools to make deeper ideas come to fruition. This has enabled me to recreate the realms I envision when I am composing and recording. I have not yet fully realised these realms for any sort of full-on audio/visual spectacle outside of the visuals I have produced for live performances, but I do have plans for several pieces including a potential feature-length production that will have absolutely no dialogue other than what is implied by the soundtrack and score. One project I am rather proud of is probably my least accessible due to its very nature. It is a version of Pasolini’s “Salò: or the 120 Days of Sodom” in which the score and dialogue were completely removed. I then inserted my own composition called “The Morning Julia Regiment” which has elements and sound samples from the film that I synchronised within the movie. Due to the fact that the dialogue is not in the finished piece, I burned in the subtitles. While the movie itself is very difficult to watch, it is an exploration of a truly immersive experience. You hear the music, read the dialogue, and in certain moments (the click of a gun hammer or a group of people singing) things run in tandem to each other. Since it has been almost impossible to arrange a performance where I perform the music while the film is being played, I recently began work on a similar, yet more accessible project. I cannot fully disclose the basis of the project here but I can give you a hint: it is tentatively titled “IYCSWISWYE.”



Abseitiges:
However, are there any plans from your side to publicly present such adaptations? I know that you have been performing in Vienna various times before and that you are soon organizing your own event, which I will address later, for the first time in this city. Until now, what are your experiences with the Viennese audience? How did you experience your gigs so far? Is abstract, electronic music suitable for a city like Vienna, which seems to be completely fallen out of time?

Hiroshimabend:
Since attending a show recently by Christian Fennesz at Grelle Forelle Club here in Vienna, I have planned to discuss a performance of the above mentioned audio/visual piece there. It is, in my estimation, probably the best suited venue for such a performance. I was recently discussing the state of the scene here in Vienna with Manuel Knapp and we both agree that the city is ripe and ready for a renaissance in live abstract electronics and experimental sound sculpture. Everything is there; plenty of artists working in the medium, and certainly interest in the music once people are exposed to it, but I think it will take a more collaborative spirit to really make that happen. Visual artists could easily tap into the well of sound designers to use for performing at gallery openings or using long sound loops of experimental music at exhibits. Maybe independent film makers could have a hand in things if they used artists in the field to compose soundtracks or film scores. As far as my experiences with Viennese audiences at live shows, the reception has been overwhelmingly positive at places like Club Rhiz, Xi-Bar, Fluc, and Down Under. In the states it was much harder to even get shows at more than an independent coffee shop or maybe an “alternative” dance club just due to the nature of being in such a niche genre as what I like to call “Ambient/Avant-Noise,” so being here has increased my visibility several times over. The trouble is getting people out of their homes and away from their televisions, computers and playstations. I opened (as a D.J.) for Factory Records legends Section 25 in December of 2013 at Fluc and barely 20 people showed up. This instance stuck with me and inspired me to create Up Your Jam (which I understand we will discuss later) with the intention of changing this dynamic and shaking the scene up a bit not only locally here in Vienna, but on a global scale.


Abseitiges:
Let us briefly focus on the multimedia aspect of your project. Are you planning to break open the space of frontal acoustic irradiation? To be more precise, are 5.1, 6.1, etc. systems and sound systems an option for you, which you can use as elaboration for your musical expression?

Hiroshimabend:
Definitely! In fact, all of my recordings are currently archived in a format that will allow me to easily go back and remaster them in 5.1 DVD-A (5.1 Surround Sound DVD Audio). I sold everything I had in my studio (except for my primary studio system and a laptop) prior to moving to Vienna about a year and a half ago. As soon as I have replaced the audio interface that was damaged beyond repair in the move with a more suitable one than the one that’s on the motherboard of my main studio desktop I am currently stuck using, I plan on getting to work on the first of the series to be remastered in the DVD-A format. My only hope is that I can actually get some sort of distribution deal with an independent label since it is a growing market and actually one of the few with consistent growth, especially to audiophiles. I think the music of hiroshimabend is best suited to this format as it completes the circle of immersiveness the sounds barely intonate in standard stereo format. I have also been reading up on 22.2 surround sound systems used in Ultra HD for further possibilities down the line.


Abseitiges:
What type of software and hardware are your currently working with, and do you have any kind of dream-setup?

Hiroshimabend:
As mentioned previously, my current studio setup is quite scaled down from what I worked with in the states. I use a laptop running Propellerhead Reason and Native Instruments Traktor, an Ensoniq ASR-X Sampler/Resampler, and my main studio system is running Cakewalk Sonar Producer Edition with tons of plug-ins, soft-synths and FX, including all of the software for mastering in 5.1 for surround sound DVD-Audio. For video production/editing I use Adobe Production Premium CS 6. All registered versions in case anyone is wondering. My dream setup sounds ominous but is well thought out, covering not only my own personal needs (some of which will be replacing gear I previously owned*) for recording/production/mastering, but should also be more than adequate when the time comes to build a world class studio for other artists to record in, so I will break it down into those two groups:

Instruments:
Ensoniq ASR-X & ASR-X PRO Sampler/Resampler (at least two)*
Roland SP 808 Sampling Workstation (with dual d-beam controllers…similar to a theremin)*Korg Radias Synth*
Six and Four String fretless basses*
A decent electric guitar*
Line 6 X3PRO FX unit (dual channel version)*Roland VS-2480DVD (primarily for live shows)*
Korg MR-1 Mobile Recorder (for high quality field recordings)*
Korg MR-1000 Mobile Recorder (for even better high quality field recordings)
Studio:
8 Focusrite ISA-430-MKII Producer Pack Channel Stripsplugged into
8 Korg MR-200S dual channel recorders (5.6 MHz/1-bit satellite broadcast quality recording)plugged into
One or two RME Fireface 800 Audio Interfaces
plugged into a really kick-ass Desktop with so much power that it’s ridiculous.
As many ART M3 Microphones as I can get my hands on (used to own one of these as well) along with proper equipment such as Mic Shields suitable for capturing surround sound recordings
Several more Line 6 X3PRO units
Enough Pro Audio speakers and reference monitors to warrant living far outside the city
Maybe a fire extinguisher or two


Abseitiges:
For the first time, you are planning your own event this Saturday where you will give a live performance. What kind of format will it be and what can we expect from this evening?

Hiroshimabend:
The event is called “Up Your Jam presents ‘TASTE’” and will focus primarily on underground/experimental/noise styles. We are actually expecting a pretty good turnout, not only at the venue, but also a global online audience since we will be streaming the event live (audio and video via webcam) on Up Your Jam, the website business I mentioned earlier. We are almost finished with the testing phase of the site and preparing soon for a “soft launch” that will enable viewers to log in and check out shows from all over the world. The hiroshimabend performance will debut a new piece I am currently working on and expect to have finished rehearsing and ready to perform by showtime around 9:00 p.m. Vienna time. After that will be Burkhard Stangl (10:00), then Manuel Knapp (11:00) who are both affiliated with klingt.org. Just a small taste of the scene here in Vienna, and depending on how things go, it may become a fairly regular event, so if you, the reader are interested, stay tuned to www.upyourjam.com and www.facebook.com/upyourjam for more.


Abseitiges:
At this point, I only have to say to our readers: Go visit the concert! All links are listed below, and to you, Michael, let me say thank you for this great interview!

Hiroshimabend:
Thank you for an outstanding series of questions. It has been a joy to shed a little insight into the world of hiroshimabend and opiumdenpluto.

Links:









Dienstag, 6. Januar 2015

Von schwulen Nazis, deutschem Wein und den rosa Wolken des Holocaust: "Death In June"

"Untersuchung über den Stellenwert von Homosexualität, Faschismus und dem männlichenIndividuum im Werk der Band „Death in June“ unter besonderer Betrachtungdes Art-Works und der medialen Inszenierung“



Da ich in meinem Leben wahrscheinlich nicht mehr die große Lust verspüren werde, mich nochmal mit Death In June, Neofolk, schwulen Nazis, der Apokalypse und Dergleichen auseinanderzusetzen, stelle ich hier meine Arbeit dazu als Fragment kostenlos zur Verfügung.

Den kompletten Artikel gibt es hier zum kostenlosen Download: KLICK

Enjoy!

Es sei mir jedoch eine Anmerkung noch erlaubt.
Ich erachte für kommende Forschungen eine basale Trennung für unabdingbar. Die zwischen Apokalyptic-Folk und Neofolk!

Zum Apokalyptic-Folk rechne ich alle Bands aus dem „World Serpent Distribution“ Umfeld. Apokalyptic-Folk ist für mich primär ein Post-Punk-Phänomen, dessen geographische Lokalisierung in den Anfangsjahren eindeutig auf England liegt.
Neofolk ist, m.M.n., primär als eine dominant (ost)deutsche Interpretation der Elemente des Apokalytptic-Folk zu werten, indem dessen Motive mit Motiven der deutschen Romantik, heidnischen Religionsfragmenten und zum Teil völkischen Ideologiefragmenten verschmilzen.

„Death In June“ in dieser Bipolarität zu begreifen fällt gerade, angesichts des aktuellen Ausverkaufs, reichlich schwer; geht es hierbei doch letztendlich nur noch um Kommerz, nicht aber künstlerischen Diskurs. Letztendlich beantwortet Douglas Pearce sein Credo „What Ends When The Symbols Shatter?“ selbst: Money. Und das passt dann doch irgendwie auch wieder...

Neuere Bands wie „Cult Of Youth“, „Chelsea Wolfe“, „Blood And Sun“ oder „King Dude“ stehen hierbei, wiederum m.M.n., dem Apocalyptic-Folk sowohl musikalisch, als auch inhaltlich, deutlich näher, da sie Elemente, wie Runen, Mythologie und materialistische Elemente mehr als punkartige Provokation einsetzen, denn als ernstgemeinte Diskursobjekte.





Wer Anmerkungen, Diskussionsbedarf oder üble Beschimpfungen hat, kann mich aber gerne anschreiben. In einsamen Nächten beschäftigt mich das Thema eben doch noch manchmal.


:Heilige: oder so :)


Die vollständige Arbeit als kostenloser Download: Hier

It's a womans world

Quentin Tarantinos Film „Death Proof“ als filmischer Diskursraum über die Heteronormativität des amerikanischen Action-Kinos

Den kompletten Artikel als kostenlosen Download gibt es 


Es gibt wohl derzeitig kaum einen Regisseur im internationalen Filmmarkt, dessen Filme so sehnsüchtig erwartet werden wie die Quentin Tarantinos!
Als Wunderkind der 1990er Jahre gefeiert und von Kritikerinnern und Kritikern, sowie dem Gros der Fans, für Filme wie „Reservoir Dogs“1, „Pulp Fiction“ oder auch „Inglorious Basterds“ heiß geliebt. Ein Mann, den nicht nur das Feullition, sondern auch der gesellige Bierabend gleichermaßen zu ihrem ganz eigenen Gott der Popkultur erhoben hat. Ein Mann, der fast immer gleichrangig mit seinen Film in das Licht der Öffentlichkeit gerückt wird, gerade eben weil Tarantinos Filme, anders als die in mannigfaltiger Arbeitsteilung produzierten amerikanischen Megablockbuster, wie zum Beispiel Marvels „The Avengers“, doch immer noch, obwohl sie unter ähnlichen Bedingungen der Produktion entstehen, eine ganz starke und auch sehr eigene Handschrift tragen: Die Quentin Jerome Tarantinos.



Tarantino schaffte es, mit vergleichsweise nur wenigen Filme, einen sehr eigenen Stil zu kreieren, der seine Stärken weniger in der Narration, noch in unkonetioneller künstlerischer Gestaltung seiner Werke, entfaltet, denn vielmehr in einer Technik, die Tarantino konsequent in jedem seiner Filme anwendet: Das Zitat.
Tarantino ist ein Meister in der Bezugnahme auf andere Produkte und Artefakte der Populärkultur und immer wieder schafft er es, diese Bezugnahmen nicht als blanke und einfallslose Plagiate erscheinen zu lassen, sondern als durchdachte und immer wirksame Zitate an die Popkultur einer Welt, die nach 1945, gerade auch kulturell, stark von Prozessen der Globalisierung beeinflusst und geprägt wurde. Tarantino ist per se der Endpunkt dieser Entwicklung, kennen seine Filme doch keine kulturellen Grenzen mehr und sind glokale Hybride aus den verschiedensten global vorfindbaren künstlerischen Strömungen. Ein Western mit Elementen des japanischen Samurai-Kinos? Bei Tarantino kein Problem, denn vielmehr eine Frage der stilvollen Inszenierung.
Im Vordergrund des Interesses von Tarantino stehen hierbei aber fast immer eher unbekannte Werke und Artefakte, allen voran solche, die gemeinhin mit dem amerikanischen B-Movie Kino der 1960-1980er Jahre assoziiert werden.
Diese Vorliebe kann aber, im Besonderen unter Bezugnahme auf Tarantinos späteres Schaffen, nicht sonderlich verwundern, ist es doch gerade eben dieses Underground-Kino, dass immer auch zur medialen Konstituierung subkultureller Bewegungen, ganz im Sinne Helmut Berkings Theorie der partizipativen Identitäten, beitrug. Als Beispiel kann hier die kollektive Subjektgenese der entstehenden schwarzen Mittelschicht in den USA angeführt werden, die sich auch im Blaxploitationkino der 1960-1980er Jahre vollzog2. Von den Auswirkungen der, sogenannten, amerikanischen Midnight-Movies auf die Konstituierung früher subkultureller Strömungen, wie die der Hippie-Kultur, ganz zu schweigen3.
Das für Tarantino diese, metaphysisch vermittelte, Ebene der Emanzipation eine nicht zu unterschätzende Bedeutung beseitzt, zeigen im Besonderen seine Filme, die nach dem Megaerfolg „Pulp Ficition“, der Tarantino eine goldene Palme in Cannes bescherte, folgten. Hierzu aber an späterer Stelle mehr.
Tarantinos erste Filme, also besagter „Pulp Ficition“ und dessen Vorgänger, „Reservoir Dogs“, sind vor allem eines: Bildgewordene Diskursräume über den Status Quo der Popkultur zu Beginn der 1990er Jahre4. Beide Filme warten hierbei nicht mit einer großangelegten Narration auf, noch entfalten sie charakterliche Dramen. Auch sind Action-Elemente und Momente in diesen Filmen eher selten, wenn dann aber, durch die extrem inszenierte Gewalt, von hochgradiger Körperlichkeit geprägt, was sie oftmals, ganz im Geiste der Seduktions-Theories Marcus Stigleggers, zu stark seduktiven Momenten formt5. Die Essenz der Filme liegt aber weniger in diesen seduktiven Momenten, noch in der, wie bereits obig dargestellt, eher minimalistischen Handlung. Vielmehr ist es die Art der Inszenierung: Allen voran die mäandernden Dialoge der Protagonisten und Protagonistinnen und der Einsatz von Musikstücken zur Untermalung der Szenarien.
Da die AkteurInnen innerhalb der Dialoge in hohem Maße entweder im Generellen über Konsumgüter oder über Musik im Spezifischen diskutieren, entsteht, im Zusammenspiel mit der restlichen Inszenierung, eine filmisches Artefakte, dass auf mehren Ebenen seines Seins als Diskursraum für populäre Kultur fungiert. Die filmische Inszenierung und die, auch durch die Dialoge evozierte, Narration stehen hierbei in einem, nicht voneinander trennbaren, Wechselspiel. Hinzu kommt zum Teil die symbolische Verschlüsslung eben dieser Diskursräume; in Form des Zitats. So bedürfen Tarantinos Filme ein enormes Wissen über die verschiedensten Artefakte der populären Kultur, um in ihrem symbolischen Gehalt entschlüsselt werden zu können. Ein Umstand, der sicherlich auch für die Popularität seiner Filme sorgt, was nicht zuletzt an der Tatsache abgelesen werden kann, dass selbst größere Magazine, nach Erscheinen eines neuen Tarantino Films, Artikel veröffentlichen, die die Bezugspunkte und Bezugssysteme in dem jeweiligen Tarantino-Streifen offenlegen.

Bei „Reservoir Dogs“ und „Pulp Fiction“ ist die Gesamtheit der Inszenierung vor Allem eine solche, die per se die kühle und glänzende Oberflächlichkeit der 1990er Jahre reproduziert, die sich gerade eben dominierend im Moment des ungebändigten Konsums manifestiert. In gewisser Hinsicht sind die frühen Streifen Tarantinos hierbei sehr ähnlich zu den frühen literarischen Werken des amerikanischen Autors Breat Easton Ellis, allen voran dessen Werken „Less Than Zero“, oder dem berühmten „American Psycho“, dass unter gleichem Titel verfilmt wurde.
Auch die Werke des jungen Chuck Phalahiniuck weisen in ihrer Darstellung eine gewisse Ähnlichkeit auf, auch wenn die Akteure hierbei zumeist eine Rebellion oder Flucht als Ausweg und Gegenweg bezüglich dieser, vom Konsum bestimmten, gesellschaftlichen Ordnung versuchen.

Bei Tarantino jedenfalls führt diese Inszenierung dazu, dass wir bei „Reservoir Dogs“, in Designer-Anzüge gekleidete, Gangster dabei beobachten, wie eben diese, unter Einsatz psychischer und physischer Gewalt, versuchen herauszufinden, wer sie bei einem geplanten Juwelenraub an die Polizei verraten hat. Dabei zeigen die Gangster alles: Stil, Modebewusstsein, Manieren, ein außerordentliches Wissen um Artefakte der populären Kultur – eines aber nicht: Emotionen!
Auch der folgende Film, „Pulp Ficition“, widmet sich dieser Leere der 1990er Jahre, auch wenn sie hierbei, gründend in der anachronistischen Montage der Narration, nicht so offensichtlich erscheint.



Tarantinos dritter Film, „Jackie Brown“, bricht, wenn auch unter starker Beibehaltung der, für Tarantino so eigenen Art der Inszenierung, mit vielen dieser, in den ersten beiden Filmen gesetzten, Normationen.
Diese Brüche sind dominierend durch Tarantinos sehr starke Bezugnahme auf das amerikanische Blaxploitation-Kino6, spezifisch die Filme der schwarzen Darstellerin Pam Grier, die auch in „Jackie Brown“ die Hauptrolle übernimmt, begründet.
Sich aus dem Umstand generierend, dass eben diese Blaxploitation-Filme immer auch Filme über die emanzipative, oftmals weibliche, Subjektgenese waren, handelt auch Tarantinos Filme von einer Frau, die sprichtwörtlich, ihren Mann in einer männerdominierten Lebenswelt stehen muss. Hinzu kommt, dass „Jackie Brown“ eine relativ freie Romanerzählung als Grundlage hat, was zu einer, für Tarantinoverhältnisse, durchaus komplexen Narration führt.
„Jackie Brown“ begründet hierbei eine Linie starker Frauenfiguren in den Filmen Quentin Tarantinos. Diese Linie reicht dabei über die Filme „Jackie Brown“, „Kill Bill“, findet ihren symbolischen Höhepunkt im Film „Death Proof“ und ist selbst noch in Tarantinos Auseinandersetzung mit dem Naziexploitation-Kino, dass Marcus Stiglegger so passend als “Sadiconazista“ eingrenzte, dem Film „Inglorious Basterds“, in Form der jüdischen Kinobesitzerin, präsent.
Wo allerdings die weiblichen Hauptfiguren in „Jackie Brown“, gleichnamige Jackie Brown, und in „Kill Bill“, Beatrix Kiddu aka. Die Braut, eine Art habituelles Cross-Dressing betreiben, da obliegt der Sachverhalt im Film „Death Proof“ doch anders. Doch vorerst kurz zurück zu „Jackie Brown“ und „Kill Bill“:

Beide Filme, also „Jackie Brown“ und „Kill Bill“, handeln grundlegend von zwei Frauen und ihrem Kampf gegen eine heteronormativ geordnete Welt. Die Erstere, Jackie Brown, versucht in eben dieser Welt das FBI, dass sie beim Schmuggeln von Drogen ertappt hat und, darin begründet, versucht sie als verdeckte Ermittlerin einzusetzen, und den Drogenboss, für den sie nebenbei arbeitet, gegeneinander auszuspielen, um an einen größeren Geldbetrag zu kommen.
Auffällig ist, dass neben Jackie Brown in dieser Welt nur eine einzige Akteurin agiert, die Freundin des Drogenbosses, die sich munter und freimütig durch den Freundeskreis ihres Bosses und Geliebten schläft und per se eine Art „dummes Blondchen“ ausformuliert. Alle anderen Akteure sind, zumeist von Macht korrumpierte, Männer, die in der Beschaffung von noch mehr Macht ihre Erfüllung suchen und damit letztendlich symbolisch auch eines verkörpern: Das Paradox, sich phallozentrisch orientierender, männlicher Machtstrukturen, die sich immer nur in einem Mehr an Macht generieren können.
In „Kill Bill“ hingegen rächt sich die Hauptdarstellerin an ihrem ehemaligen Arbeitgeber und Exgeliebten, dem Chef eines Killerkommandos: Dem namensgebenden Bill.
Eben jener hatte, zusammen mit dem, ihm untergebenen, AuftragsmörderInnen versucht, sie und und ihre, zu diesem Zeitpunkt ungeborene Tochter, zu töten.
Während „Jackie Brown“ die Mechanismen seiner Inszenierung und die Stereotypen innerhalb seiner Narration vorwiegend im Blaxploitation-Kino, zu dem allein die Haupdarstellerin, die Ikone diverser Filme dieses Genres, starken Bezug herstellt, gründet, da ist „Kill Bill“ hingegen eher ein geschicktes filmisches Spiel mit den Geschlechterrollen in den Genres des Western und des Eastern. Angemerkt sei hier jedoch, dass die Kategorisierung Eastern stark eurozentrisch bzw. amerikanzentristisch motiviert ist und per se verschiedenste Genres des japanischen, asiatischen und auch koreanischen Films, in grober Art und Weise, zusammenfasst.
Passend ist dieser Ausdruck jedoch gerade in Bezugnahme auf Tarantinos „Kill Bill“, da eben dieser Film, im Besonderen sein erster Teil, „Kill Bill Vol.I“, filmisch alles zitiert, was diesen Ländern entstammt.
Die Hauptakteurin nimmt innerhalb dieser Filme die Rolle des, sonst zumeist männlich besetzten, Helden ein und löst ihre Probleme durch eine mimetische Aneignung der männlichen Handlungsmuster, die sie mit ihrer weiblichen Identität hybridisiert. Dieses Hybridwesen in „Kill Bill“ ist letztendlich in der Lage, ihre Widersacher zu besiegen, was sie letzten Endes in die Lage versetzt, zu ihrer Mutterrolle zurückzukehren. Das nur am Rande: Die Tochter ist nämlich nicht, wie seit Beginn des Filmes vermutet, tot, sondern lebt bei Bill, ihrem Ersatzvater. Auffällig ist bei „Kill Bill“ zu Einen die Evolution der Hauptakteurin, anderseits die anderen weiblichen Akteurinnen, die eben diese Entwicklung zum Teil schon erfolgreich vollzogen haben.
Besonders deutlich wird dies an der Entwicklung der Killerin Oh-Ren-Ishi, einem Mitglied von Bills Kommando, die zugleich eine führende Rolle in der japanischen Mafia, der Yakzua einnimmt. Ihr Vater wurde, das erzählt uns der Film in einer Rückblende, von Mitgliedern eines feindlichen Clans getötet. Ishi wird daraufhin zuerst Auftragsmörderin, tötet dann die Peiniger ihres Vaters und schwingt sich letztendlich, vollends das anarchistische Wesen der Macht, ganz getreu de Sade, kostend, zur Anführerin aller Yakuza-Clans auf. Ihren symbolischen Höhepunkt findet diese Entwicklung in einem Akt tiefster Körperlichkeit. Ein Mitglied beschimpft und reduziert Ishi bei einer Versammlung als Frau und Hure. Diese enthauptet daraufhin diesen Mann, womit die Diskussion ein für alle Mal als beendet angesehen werden muss. Ishi ist nicht mehr länger nur „eine gewöhnliche Frau“, als die sie der Mann beschimpfte, sie hat sich erfolgreich einen männlich-phallozentrischen Habitus angeeignet. Eben diese Melange aus Weiblichkeit und kriegerischer Männlichkeit ist es, parallel zu Hauptakteurin, die ihre Macht konstituiert.


In „Death Proof“ führt Tarantino diese Auseinandersetzung um die Heteronormativität der Bilder des, vorwiegend amerikanischen, Kinos nochmals einen symbolischen Schritt weiter: Dieses Mal bedient er sich jedoch nicht einer emanzipatorischen Vorlage aus dem schwarzen Underground-Kino, noch zwingt er seine Charaktere innerhalb der Narration zur mimetischen Aneignung männlicher Handlungsmuster, jenem Prozess, den ich zuvor, in Bezugnahme auf Siegfried Kaltenecker, als eine Form des pervertierten Cross-Dressings beschrieb7. Tarantinos Film „Death Proof“ ist vielmehr, wenn auch rein symbolisch, ein Kampf um die normativen Implikationen der filmischen Vorbilder. Ganz im Sinne Michel Foucaults muss der Film, beziehungsweise die Rezeption des Artefakts Film, hierbei als etwas definiert werden, dass die Rezipientinnen nicht, wie Formen aus Wachs, ganz seinem Willen folgend, modelliert, sondern immer als etwas, dass auf ein bereits vorhandenes Sein stößt und mit diesem in Wechselwirkung gerät.

Quentin Tarantinos „Death Proof“ erschien hierbei in den USA als ein Teilfilm des Filmprojektes „Grindhouse“. Eben dieser Film „Grindhouse“8 bestand aus zwei Teilfilmen. Zum Einen Tarantinos „Death Proof“, zum Anderen der Film „Planet Terror“, realisiert von Robert Rodriguez, mit dem Tarantino bereits zuvor an mehren Projekten, unter anderem dem bekannten Streifen „From Dusk Till Dawn“, gearbeitet hatte. Zusammengefasst wurden die beiden Filme durch gefakte Trailer für andere Filme, die so aber niemals realisiert werden sollten. Ziel des Projektes war es, eine filmische Hommage an das amerikanische Grindhousekino, dass B-Movies eben vielfach in Doppelvorstellungen zusammenfasste, zu erschaffen. Die Aneignung dieser Konzeption ging bei Quentin Tarantino und Robert Rodriguez sogar soweit, dass das digitale Filmmaterial mit den, für analoges Filmmaterial, typischen Beschädigungen und Effekten der Alterung versehen wurden. Ein fingierter Filmriss inklusive.
In Deutschland kam das Projekt so allerdings nicht in die Lichtspielhäuser. Die beiden Filme wurden voneinander getrennt, in ihren Szenen erweitert und dann jeweils einzeln im Kino und auf DVD veröffentlicht. „Planet Terror“ ist in dieser Fassung in Deutschland später sogar indiziert wurden und darf seitdem nur noch an Volljährige vertrieben werden. Die Grindhouse-Fassung, die interessanterweise so nicht indiziert wurde, wurde erst Jahre später auf DVD veröffentlicht.



Tarantinos „Death Proof“ wird innerhalb dieses Essays in eben dieser erweiterten Version, ohne Bezugnahme auf „Plant Terror“, Behandlung erfahren. Es sei vielleicht hier schon angeführt, dass „Death Proof“ sowohl von Fans, als auch von KritikerInnen als Tarantinos schlechtester Film gehandelt wird. In der „International Movie Database“ kumuliert der Film bei einer Bewertung von 7,3 Punkten auf einer Richterskala von 1(schlecht) bis 10 (sehr gut). Ein miserabler Wert im Vergleich zu Tarantinos anderen Filmen, die alle eine Wertung von <8 Punkten erreichen.
In gewisser Hinsicht ist „Death Proof“ hierbei mit David Cronenbergs „M. Butterfly“ vergleichbar der ebenso floppte und bei dem die Kritik, gleichgeartet wie bei „Deat Proof“, vermeidliche Fehler innerhalb der Inszenierung beklagte, die doch immer vielmehr eines waren: Filmische Diskursräume um die Normativität der Bilderwelten.
Was Tarantinos „Death Proof“ aber von Cronenbergs „M.Butterfly“ unterscheidet, ist eine retroperspektivisch vorgenommene Rehabilitierung, wie jüngst von Jochen Diestelmeyer im Sammelband über Cronenberg bezüglich „M.Butterfly“ vollzogen9.

In der Tat bietet „Death Proof“, zumindest narrativ, wenig. Der Film lässt sich, grob zusammenfassend, in zwei große Handlungsteile differenzieren. Beide Teile handeln von zwei verschiedenen Frauengruppe, die jeweils mit dem Mörder „Stuntman Mike“ konfrontiert werden.
Der ersten Gruppe von Frauen folgen wir hierbei bei einem, scheinbar gemütlichen, Abend zu einer Kneipe und den dortigen Erlebnissen. Diese Erlebnisse erstrecken sich aber, wie sollte es anders sein, auf das trinken alkoholischer Getränke, das flirten mit allerlei männlichen Publikum und dem Austausch von Small-Talk. So erfahren wie, als was die Frauen arbeiten, mit wem und warum sie mal Sex hatten, oder was für Alkohol sie mögen oder eben auch nicht. In der Bar sitzt neben der Gruppe Frauen und den bereits erwähnten Männern auch eben jener „Stuntman Mike“, dessen richtiger Name im Film selbst nicht genannt wird. Mike ist allein von seiner äußeren Inszenierung ein kitschiges Relikt aus den 1980er Jahren und wird Kongenial von Kurt Russel im Film verkörpert.
Getragen wird dieser Teil der Handlung von einer Wette, die die Mädchen zu Beginn des Films bei einer Autofahrt besprechen. Eine der Frauen, genannt „Jungle Julia“, die als Moderatorin für das Radio arbeitet, hat in einer ihrer morgendlichen Sendungen verkündet, dass eine ihrer Freundinnen, Butterfly, einem Fremden einen Lap-Dance, eine sehr intime Art des Tanzes, gibt, wenn dieser ihr einen Trink spendiert und dazu ein, vorher festgelegtes, Gedicht aufsagt. Selbstredend ist es eben dieser Tanz und die Person, die eben jenen Tanz einfordert, die die Spannungskurve des gesamten ersten Teils bestimmt, wobei relativ schnell feststeht, dass kein anderer als „Stuntman Mik“ eben diese Person sein wird. Der Logik der Narration folgend, dauert es aber relativ lange, bis der Film diesen ersten Höhepunkt zusteuert. Mike bekommt, fast zum Ende des ersten Teilabschnittes des Films, seinen Tanz kredenzt. Dieser Tanz ist, hierbei kann wieder auf Stigleggers These der Seduktion, die den Film ja als eine Art der Verführung begreift, Bezug genommen werden10, ein erster großer Moment der Seduktion, der über eine Inszenierung extremer Körperlichkeit erfolgt. Bewusste Anklänge an den pornographischen Film inklusive.
Am Ende des Films überredet Mike eines der Mädchen mit ihm nach Hause zu fahren. Der Rest tritt, leicht berauscht, den Heimweg im eigenen Auto an. Mikes Auto entpuppt sich hierbei als der, für ihn namensgebende Moment: Ein Stuntauto, dass durch diverse Verstrebungen, einen internen Käfig und andere Extras todsicher gemacht wurde – Death Proof.

Das Mikes Pläne sich hierbei nicht auf die bloße Rolle des Taxifahrers beschränken, dürfte den Zuschauerinnen und Zuschauern lange vor dem Fahrtantritt klar gewesen sein und so folgt einer der ersten blutigen Höhepunkt des Films, in dessen Verlauf alle Gruppenmitglieder ein grausamer Tod ereilen wird.
Mike tötet zuerst seine Beifahrerin durch starkes Beschleunigen und Abbremsen, was dazu führt, dass deren Schädel effektvoll an der verstärkten Windschutzscheibe zerspringt! Im Anschluss an diese Tat provoziert Mike einen Frontalzusammenstoß mit der Gruppe, die sich im Auto auf dem Heimweg befindet. Dieser Frontalzusammenstoß führt dazu, dass Mikes Auto praktisch durch das Auto der Frauengruppe stößt, was letztendlich zur Folge hat, dass deren Leiber in kleine Stücke zerrissen werden und blutig detailliert über den Highway verteilt werden.
Tarantino inszeniert diese Szene zeitlich sehr ausgedehnt und in mehrfacher Wiederholung und mit einem großen Fokus auf die Details des blutigen Aktes selbst.
Mike überlebt diesen Unfall leicht verletzt, wie eine kurze Folgeszene zeigen wird. Jedoch widmet sich der Rest des Films nicht der polizeilichen Jagd nach dem brutalen Mörder, sondern einer anderen Frauengruppe, die gleich zu Beginn ihres Tages Bekanntschaft mit dem stuntautofahrenden Psychopathen macht.
Auch der zweite Teils des Filmes handelt hierbei von einer Gruppe von Frauen, denen wir durch ihre Erlebnisse an einem Tag folgen. Höhepunkt dieses Tages ist für einen Teil der Frauen eine Anzeige in einer örtlichen Zeitung, die einen alten amerikanischen Sportwagen zum Verkauf anbietet. Die Gruppe fährt zu eben jenem Verkäufer und verpfändet dort, um eine Probefahrt unternehmen zu dürfen, eines ihrer Mitglieder.
Der Rest der Gruppe begibt sich auf eine Probefahrt, die gespickt ist mit einem halsbrecherischen Stunt, bei dem sich eine der Frauen, zwecks Nervenkitzel, mittels Gürteln auf die Motorhaube schnallen lässt.
Diese Situation nutzt Mike, der die Gruppe seit Beginn des Tages verfolgt hat, aus und versucht, mittels gezielten Rammens, das Auto der Frauengruppe zum Verunglücken zu bringen. Durch das fahrerische Geschick einer der Frauen misslingt dieser Plan aber gehörig und Mike wird sogar in einer, an die Auseinandersetzung mit den Autos folgenden, körperlichen Auseinandersetzung gefährlich verletzt. An dieser Stelle wird dann der Jäger zum Gejagten und die Frauen setzen von nun an alles daran Mike zu stellen und ihrer Rache zu unterjochen. Nach einer spektakulären Verfolgungsjagd via Auto gelingt ihnen dies letztendlich auch. Mike wird verletzt und wimmernd aus dem Auto gezogen, von den Frauen verprügelt und letztendlich durch den heftigen Einsatz von Faust- und Fusshieben getötet.

Jedoch vollzieht sich diese, auf den vorherigen Seiten knapp skizzierte, Handlung auf einer symbolisch stark kodierten Ebene. Und es ist eben genau diese Dimension der symbolischen Kodierung, die aus „Death Proof“ einen komplexen Diskursraum macht, indem Tarantino, gerade auch durch die Konstruktion und den Ablauf seiner Narration, zum Teil argumentative Strukturen entfaltet. Um dies aber zu begreifen ist es vorerst von Nöten zu erfassen, in was für Wurzeln „Death Proof“ gründet: Tarantino bezieht und bedient sich für „Death Proof“ dominierend bei einer weiteren Unterkategorie des amerikanischen Exploitation-Kinos, dem so genannten Car-Exploitation - oder kurz: Carploitation. Filme, die am stärksten in einem Zeitraum der später 1960er bis Ende der 1970er Jahre produziert wurden und neben ihren, fast immer männlichen, Hauptdarstellern immer weitere Hauptdarstellern, in Form stählerner, hochgezüchteter amerikanischer Muscle-Cars, hatten. Die Storylinies der Filme waren dann zumeist auch mehr oder minder geschickte Versuche, die Autos in spektakuläre Stunts und Verfolgungsjagden zu involvieren, was letztendlich dazu führte, dass der männliche Held Problem XY unter zur Hilfenahme seiner Fahrkünste und seines Automobils lösen müsste und auch konnte.

Bekannteste Vertreter dieser Art von Filmen sind sicherlich Peter Yates „Bullit“ aus dem Jahr 1968. In den Hauptrollen Steve McQueen und ein Ford Mustang. Richards Sarafians „Vanishing Point“ aus dem Jahr 1971, dessen bekanntester Darsteller nicht menschlicher, denn eher maschineller Natur ist: Ein Dodge Challenger. Selbstredend H.B. Halickis „Gone In 60 Secounds“ aus dem Jahr 1974, der Jahrzehnte später nochmal unrühmlich mit Nicolas Cage in der Hauptrolle remaked wurde, und der, ähnlich wie „Bullit“ eines etablierte – einen Kult um den Ford Mustang. Hierbei im konkreten um das Modell „Elanore“.
Seinen, wenn auch nicht autofixierten, Höhepunkt findet das Genre, in gewisser Art und Weise, in dem, von Regie-Legende Sam Peckinpah inszenierten, Streifen „Convoy“. „Convoy“ handelt hierbei von einer Grupper Trucker, die sich, selbstverständlich unter zur Hilfenahme ihrer Trucks, gegen einen korrupten Sheriff zu Wehr setzen. Als Vorlage für die Narration des Films diente, interessanterweise, ein gleichnamiger Country-Song von C. W. McCall.



„Convoy“ entwickelt hierbei eine, durch die vorherigen Filme manifestierte, Bilderwelt konsequent weiter und bringt sie, letzten Endes, zu einer Art des Höhepunkts, indem alles kumuliert, was die filmischen Bilder zu erzählen vermögen. Am Bedeutendsten bezüglich all dieser Filme ist sicherlich zuerst, dass neben den männlichen Helden innerhalb der Filme die Autos, beziehungsweise bei „Convoy“ die schweren LKWs, heimliche Hauptdarsteller der Filme sind. Sie dominieren die Filme, gerade eben auch durch die Szenen, die sie bestimmen - die Verfolgungsjagden und Stunts - die in den Filmen oftmals die Höhepunkte abbilden und ganz im Sinne Stigleggers als Spektakel Inszenierung finden und zumeist eine konsequente Anordnung von Affektbildern darstellen. Da die Fortbewegungsmittel Zeit der gesamten Narration als eben mehr inszeniert werden, was sie eigentlich sind, nämlich Mittel zur Fortbewegung, kommt eben diesen Spektakelszenen zudem eine extreme Körperlichkeit zu.
Die Autos werden personifiziert und ihre Karossen werden innerhalb des Films zu symbolischen Körpern, die in den Action-Szenen einem destruktivistischen Körperkino ausgesetzt werden. Das eventuell die Fahrer der Karossen sterben, wenn auch nur filmisch, ist, ab diesem Moment, nicht mehr von immanenter Bedeutung, da das Verletzen und die Zerstörung des symbolischen Körpers im Zentrum der Inszenierung steht.
Es ist hierbei mehr als offensichtlich, dass die Filme, im Zuge eben dieser Inszenierung, auf symbolischer Ebene auch zugleich einen starken Fortschrittsglauben ausformulieren, indem die Technik, symbolisiert durch das Auto oder den LKW, diesen Glauben an die Kraft der Moderne versinnbildlicht: Der Mann und die Maschine im Kampf.
In Gewisser Hinsicht wird hierbei Ernst Jüngers Entwurf vom Menschen, der in den Stahlgewittern des ersten Weltkrieges seine Subjektgenese und Vergesellschaftung erlebt, ideologisch weitergeführt und positivistisch umdefiniert11. Die Technik ist nicht mehr ein Moment, die der Mensch überstehen muss, weil sie ihn eben ohne größere Anstrengung zu töten vermag, sondern wird vielmehr zu einem Sein, mit dem der Mensch verschmelzen kann, um zu wachsen. Was diese Filme also auch vorwegnahmen, ist Donna Harraways Idee des Cyborgs. Denn nichts anderes sind die Hauptakteure in eben diesen Filmen: Menschliche Wesen, verschmolzen mit der Technik der Autos. Auffällig ist hierbei jedoch, dass all diese und seien sie noch so positiv konnotierten, Symbole eine stark männliche Determinierung besitzen. Die männlichen Helden sind dem Männlichen, allein durch ihre geschlechtliche Zuordnung, immer mehr als eindeutig zugeordnet. Hinzu kommt eine Inszenierung eben dieser Charaktere, die ein zutiefst männlich geprägtes Gender ausformulieren. Aber auch das Auto und noch stärker der LKW im Film „Convoy“ muss als direktes Symbol für phallozentrische Männlichkeit definiert werden: Wo der LKW, durch seine Funktion als Lastenauto, noch einen Bezug zur, männlich geprägten, Kraft zur Gestaltung der Natur besitzt, da sind die PS-strotzenden amerikanischen Muscle-Cars, die nur noch Simulakren eben dieser Kraft zur Naturgestaltung abbilden12. Sie haben keinen Sinn mehr außer dem, die männliche Kraft und Stärke zu symbolisieren. Stärke und einen Willen zur Macht - gepresst in Zylinder, Motordichtungen und Stahlrahmen.
Das Auto symbolisiert hierbei auf mannigfaltige Art und Weise Zuschreibungen von männlichem Gender: Es ist zum Einen, wie bereits zuvor in Bezugnahme auf den LKW ausgeführt, immer noch ein Symbol, dass entfernt an den Willen zur Beherrschung der Natur erinnert. Das Auto ist per se Exekutor einer männlichen Kultur. Dies wird gerade eben in den Filmen immer dann sichtbar, wenn das Auto, beziehungsweise der LKW, zum Einsatz kommt: Das Auto dient immer der Eliminierung derjenigen, die sich der Ordnung des männlichen Helden und damit seiner Vorstellung von Kultur und Gesellschaft widersetzen. Diesem Umstand folgend ist das Auto letztendlich auch Symbol und Exekutor einer heteronormativen Gesellschaftsordnung und damit zusammenfassend dominierend eins: Ein stahlgewordenes Symbol für den Phallus. Ein Umstand, an den uns allein die Formgebung des Autos immer erinnert.

Das Car-Exploitation-Kino ist, zusammenfassend summiert, im Gegensatz zu seinen emanzipatorischen Brüdern und Schwestern, wie dem Blaxploitation, im Gesamten betrachtet, gerade auf seiner symbolischen Ebene, ein zutiefst regressiv determiniertes Kino. Ein Kino, dass ähnlich dem amerikanischen Western die Konstituierung einer heteronormativen Gesellschaftsordnung symbolisch be- und verarbeitet und somit auch immer Eines ist: Filmische Inszenierung einer, von Männer dominierten, Kultur. Gleichgeartet dem amerikanischen Western, der nach Jörn Ahrens13 auch immer ein Diskursraum über die aktuellen Prozesse der Konstituierung von Gesellschaft ist, sind es eben diese Filme, die die Macht der Imagination des Phallus in einem filmgewordenen Diskursraum behandeln.

Auch in Tarantinos „Death Proof“ sind all diese Elemente, wenn auch zum Teil in transformierter Form, vorzufinden. Im Gegensatz zu den obigen Filmen geht es Tarantino aber in seinem Werk vielmehr um den Diskurs der Symbole und ihrer Bedeutungen. Parallel zu Filmemachern, wie dem Amerikaner Oliver Stone, ist Tarantinos Film auch nicht vollends als reiner Spielfilm zu definieren, sondern bildet vielmehr eine Art des Essaysfilms ab, indem Tarantino explizit, wenn auch symbolisch codiert, Stellungnahme bezieht. Das eben diese Art der filmischen Argumentation, ganz im Sinne von Dieter Merschs „Logik des Bildlichen“ auf einer rein symbolischen Ebene funktionieren kann, soll im Folgenden aufgezeigt werden.

Die offensichtlichsten Symbole, die Tarantino aus den Vorbild-Filmen übernimmt, sind die Autos. Obwohl sein Film in einer Zeit spielt, in der Handys bereits verfügbar sind, greifen die AketuerInnen allesamt auf Automobile zurück, die denen der Vorbilder entsprechen, also zum Zeitpunkt der fiktiven Narration, aller Wahrscheinlichkeit nach, schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel haben und, gerade deswegen, eine Art Reliktstatus entfalten. Auch die Inszenierung der Autos ist eine gleiche, wie in den Filmen, an denen Tarantino sich orientiert. Die Autos, auch wenn sie bei Tarantino zum Teil von Frauen gefahren werden, sind Fetisch-Objekte und Ikonen. In ihnen ist auch bei Tarantino die Gewalt und der Wille seine Umwelt zu beherrschen manifestiert und sprichwörtlich in Stahl gegossen wurden. Die Autos sind auch in „Death Proof“ immer mehr als ein Mittel, um von Punkt A nach Punkt B zu kommen. Sie sind der formgewordene Glauben an die emanzipatorische Kraft der Technik.
Auch eine Art des männlichen Heros findet sich in „Death Proof“. Dieser Heros ist aber nicht mehr der, vor Kraft und Tatendrang strotzende, Held der frühen Filme, vielmehr ist er eine pervertierte Art eben dieser, einst so glorreichen, Vorbilder: Stunman Mike.
Mike wird im Film, allein durch sein Äußeres, eine kitschige Manifestation modischer Irrwege aus den 1970-1980er Jahren, als eine Art historisches Relikt gekennzeichnet. Eine Art Dinosaurier, der doch den großen Knall überlebt hat und nun als einsamer Wolf durch die Lande zieht. Einziger Vertrauter in dieser Welt ist Mikes Auto, ein ehemaliges Stuntauto, dass, wie bereits geschildert, durch diverse Modifikationen so verändert wurde, dass es zum Einen nur von Mike gefahren werden kann und zum Anderen dem Fahrer und auch dem Fahrzeug selbst ermöglicht, selbst schwerste Kollisionen unbeschadet zu überstehen.
Mike und auch sein Auto in „Death Proof“ sind es dann auch, die innerhalb der Narration und der, durch diese geführten symbolischen Auseinandersetzung, den dominierenden Kristallisationspunkt abbilden. Obwohl es sich bei Mike auf den ersten Blick um einen typischen Antagonisten handelt, an dem sich die verschiedenen Gruppen „abarbeiten“ müssen, ist er doch in seiner symbolhaften Ausformung vorwiegend eins: Die leibgewordene Inkarnation männlicher Destruktion.
Anders als die Helden aus „Convoy“ oder „Bullit“ setzt Mike sein Können und seine Fähigkeiten nicht dazu ein, gegen Männer in einer, von Männer dominierten, gesellschaftlichen Ordnung zu kämpfen. Vielmehr fürchtet dieser Mike sich vor den Frauen und ihrem weiblichen Gender. Vor jenen Frauen, die in eben in diese Ordnung vorstoßen und den Anschein machen, sich in dieser Verankern zu wollen.
So wie im Mittelalter Frauen als Hexen gefürchtet und eliminiert wurden, weil sie als eine Imagination für Prozesse sozialer Kohärsion dienten, da ist es auch bei Mike das Weibliche, auf das er eben diese Prozesse sozialer Kohärsion projiziert. Mike ist in Tarantinos Film kein Mann der „einfach nur“ Frauen hasst. Vielmehr ist er und mit ihm sein Auto, das nicht zufällig von einem Totenschädel mit zwei Blitzen, die doch stark an das Logo der Waffen SS erinnern, geziert wird, der Exekutor einer phallozentrischen Gesellschaftsordnung.
Das Tarantino eben diese Ordnung aber für eine antiquierte erachtet, inszeniert er filmisch auf zwei verschiedenen Ebenen. Zum Einen ist es ist natürlich Mike der, nicht nur vom Aussehen, sondern auch von seinem physikalischen Alter und seinem Auftreten her wirkt, wie ein Relikt längst vergangener Tage. Diese filmische Inszenierung der Person ist hierbei die erste und zudem sehr offensichtliche Ebene. Eine zweite Ebene ist der Aufbau der Narration. Tarantino splittet seinen Film nicht zufällig in zwei verschiedene Frauengruppen, die jeweils mit Mike konfrontiert werden:
Die erste Gruppe ist hierbei jedoch eine, durch und durch regressive, Imagination von Weiblichkeit, die sich im Spiegel männlichen Begehrens entwirft und generiert.
So werden die Frauen innerhalb der Handlungen und Dialoge, durch die wir sie im ersten Teils des Films näher „kennenlernen“, hauptsächlich durch verschiedene Begehren definiert: Beziehungen zu Männern, das Verlangen nach Sex, Drogen und Partys und guten Jobs. Im Gesamten aber wird der Abend durch eben jene Wette bestimmt, die eine der Freundinnen mehr oder minder dazu zwingt, einem wildfremden Menschen einen sehr intimen Tanz im Gegenzug für ein Getränk zu geben. Per se auch ein Symbol, dass klare Beziehungsstrukturen zur Zwangsprostitution aufweist, da der Charakter, also die, die den Lapdance ausführt, im Film ihre habituelle Reputation nur durch die Ausführung eines stark heterosexistischen Aktes wahren kann. Das aber dieser Akt der Chimäre Mike zu Teil wird, der in den Frauen erst gar nicht das Objekt eines möglichen Begehrens erkennen kann, denn vielmehr den „Feind im eigenen Haus“, ist innerhalb der ersten Filmhälfte das große Paradox. Gerade jenes Objekt, also Mike, dass die Frauengruppe zur eigenen Subjektgenese braucht, ist es, das ihr Wollen und ihren Drang hin zu ihm, ablehnt und als Gefahr für die eigene Existenz umdeutet. Mike ist ein Wesen, dass total asexuell ist. Er hat sein sexuelles Begehren völlig degradiert und substituiert es durch den Akt des Tötens. Der anarchistische Rausch der männlichen Macht, die Zerstörung des ängstigenden Weiblichen ist es, dass Mike sucht und auch findet. Mike, der doch so konzentriert das heroische aus den frühen Car-Exploitation-Filmen in sich vereint, offenbart in seinem Sein die ständige Androhung der Eleminierung von weiblichen Elementen, die sich nicht in die phallozentrische Ordnung der Gesellschaft einpassen wollen. Einer Ordnung, die jene Helden der Filme exemplarisch manifestieren und symbolisieren.

Es kann letztendlich also nicht verwundern, dass Mike sein Ansinnen auf Destruktion in die filmisch-narrative Realität umsetzt. Das er dazu seines Autos bedarf, ist selbsterklärend, letztendlich ist Mike, ebenso wie seine Blaupausen, ein moderner Cyborg, der seinen Willen zur Macht nicht ohne die Maschine ausformulieren kann.
Tarantino überspitzt in seiner Darstellung und Inszenierung diesen Moment zusätzlich durch den Umstand, dass Mikes Auto ein Auto ist, dass nur auf eines ausgelegt ist: Zu Zerstören ohne zerstört zu werden. Hinzu kommt, dass jene Maschine nur noch von Mike persönlich bedient werden kann.
Und so kommt es, ziemlich zur Hälfte des Films, zum ersten großen Showdown, indem Mike frontal in das Auto der Frauengruppe stößt, um diese zu zerreißen. Dieser Akt der Destruktion unterliegt hierbei, nicht durch Zufall, einer zutiefst sexuellen Konnotation. Tarantino pervertiert hier Freuds Dualität von Eros und Thanatos und auch Batailles Idee von der Transgression durch Exzesse der Lust. Vielmehr wird der Akt bei Tarantino zu einem Akt, den die Cyborgs in ihren Maschinen ausführen und der, zwangsläufig, mit dem Tod enden muss. So ist es das starke Symbol des, herrschaftlich geprägten, Phallus, dass Mike verkörpert, dass in die Gruppe von Frauen stößt und diese, als per se im Akt selbst, tötet. Die Gruppe der Frauen kann sich dieser Hinrichtung nicht erwehren, da sie mit ihrem ganzen Verhalten zuvor auf die Aufmerksamkeit des männlichen Akteurs hingearbeitet hat. Letztendlich brauchte sie ja diesen männlichen Spiegel, um sich selbst in ihm zu erkennen. Mike hingegen benutzt den Akt letztendlich nicht zur Vereinigung mit den Frauen, denn vielmehr zur Exekution seiner heterosexistischen Ordnung.

Das Tarantino in dieser Szene die beiden Gruppen, Mike einerseits, die Frauen andererseits, in einen direkten, körperlich sehr stark seduktiv inszenierten, Kampf setzt, der mit dem Tod aller Frauen endet, ist zwar in Hinblick auf die Narration und auch die symbolische Argumentation, die diese entfalten soll, notwendig – die eine Gruppe Frauen muss, auch symbolisch von der anderen abgegrenzt werden und ihr Habitus diskreditiert werden.
Jedoch ist diese Szene auch ein Moment, in dem Tarantino in regressive Imaginationen von weiblichem Gender zurückfällt. Es muss, bezüglich dieser Inszenierung, ja festgehalten werden, dass Mike, gründend in der obigen Analyse, nicht allein als der Moment definiert, von dem das destruktive und frauenfeindliche Handeln ausgeht. Vielmehr wird der Frauengruppe, gründend in ihrem Verhalten, eine Art der Teilschuld zugewiesen. Im Besonderen konzentriert sich diese Art der Zuschreibung in der Funktion des Lap-Dances, den ja eine der Frauengruppe durchführen muss, um ihre Reputation innerhalb der Gruppe zu wahren, ganz in dem Wissen, dass sie hierbei ein Stück ihrer Selbstbestimmung für aufgeben muss. Das eben diese Frauengruppe dann, im Anschluss an diese Ereignisse, einen solch unerbittlichen Tod finden muss, ist eine radikale Kritik an eben dieser Einstellung der Frauengruppe. Sie ist in ihrer Ausformulierung sogar so radikal, dass sie nur noch die weibliche Selbstbestimmung und autonome Subjektgenese gelten lässt, alles andere aber, als Konstrukte und affirmative Mimesen einer heterosexistischen Lebenswelt zurückweist und am Ende symbolisch eliminiert.

Nun aber findet Tarantinos „Death Proof“ in dieser ersten Frauengruppe nicht sein Ende, sondern nach einer kurzen Zwischensequenz begegnen wir filmisch einer weiteren Frauengruppe. Diese Gruppe wird von Beginn an, im Gegensatz zur ersten Gruppe, sehr heterogen charakterisiert. Es finden sich auf der einen Seite zwei Stuntfahrerinnen, auf der anderen Seite, eine, symbolisch in eine Cheerleaderinnenuniform gesteckte, Frau, die gleich zu Beginn der Handlung in einem Geschäft mehrere Ausgaben der Modezeitschrift „Vouge“ kauft und damit habituell direkte Verbindungslinien zur ersten Frauengruppe setzt. Zwischen diesen beiden Gruppen, wenn denn die letzt genannte in ihrer Singularität als Gruppe bezeichnet werden darf, findet sich eine vierte Akteurin, die vom Verhalten, Zeit der Handlung, zwischen den beiden Gruppen schwangt, sich letzten Endes aber doch der Gruppe der Stuntfahrerinnen anschließt, was die Endszene, auf die später noch zurückzukommen ist, symbolisch in Szene setzt.
Auch dieser Gruppe folgen wir während der Ereignisse eines Tages. Nur lernt eben diese Gruppe Stuntman-Mike nicht in einer Kneipe kennen, sondern er folgt ihnen bereits von Beginn an. Mikes Charakter wird hierbei zuerst sogar, wenn auch nur sehr schemenhaft, mit einer sexuellen Determination versehen. Er beobachtet und begiert in einer der ersten Szenen, dieser zweiten Hälfte des Films, die Füße einer der Frauen, die diese aus dem Fenster des Autos gestreckt hat. Diese Szene ist zwar dominierend als eine Hommage an Tarantinos andere Werke zu verstehen, so sind Szenen, in denen weibliche Füße den Fokus bilden, neben der berühmten Kameraeinstellung aus dem Kofferraum heraus, wiederkehrendes Motiv im Schaffen von ihm.
Auf der anderen Seite aber ist es gerade diese Szene, die Mike nochmals als einen innerlich sehr zerrissenen Charakter darstellt. So ist ihm die Weiblichkeit, die er in seinem tiefsten Inneren doch so fürchtet und auch der Eliminierung zuführen möchte, doch etwas, dass ihn auch zu berühren vermag und dem er sich doch auch zugewandt fühlt. Das diese Gefühle, wenn sie denn überhaupt als solche definiert werden können, aber vom Drang des Vernichtens übermannt werden, kredenzt direkt die, auf diese Szene folgende, Einstellung. Mike stalkt die Mädchen und wir, als RezipientInnen wissen bereits jetzt, was der Höhepunkt dieses schrecklichen Spiels sein wird.
Die Erlebnisse der Gruppe zentrieren sich innerhalb dieses Teils der filmischen Narration um ein seltenes Auto, natürlich ein, wie sollte es anders sein, amerikanisches Muscle-Car. Aufmerksam wurden die Frauen der Gruppe auf dieses Auto durch eine Anzeige in einer Zeitung. Ziel der Gruppe, allen voran der beiden Stuntfahrerinnen, ist es ab diesem Zeitpunkt, unbedingt eine Probefahrt mit diesem Auto zu unternehmen, was im Verlauf der Handlung, logischerweise, dazu führen muss, dass die Akteurinnen auf dem Hof des Besitzers aufkreuzen. Der Besitzer des Autos entpuppt sich hierbei jedoch, wie sollte es auch anders sein, als eine dreckige und machohafte Inkarnation eines Red-Neck-Stereotypen. Und in dieser Funktion ist dem Mann auch nicht so sehr an dem Wohlergehen seines Autos gelegen, denn mehr an seinem persönlichen sexuellen Wohlbefinden, was eventuell eine der Frauen doch deutlich steigern könnte. Tarantinos Lösung dieser Problemlage (die Frauen wollen das Auto, der Mann, relativ offensichtlich, körperliche Zuwendung) ist hierbei in direkter Korrelation zu der Tötung der ersten Gruppe zu setzen. Die Frauen entscheiden sich, eine aus ihrer Gruppe als Pfand gegen das Auto einzutauschen. Natürliche ohne das Wissen und die Zustimmung dieser Auserwählten.
Das es sich bei dieser Person um keine andere handeln kann, als die, die uns zu Beginn, so symbolisch, im Cheerleaderoutfit vorgestellt wurde, ist hierbei logische Konsequenz. Auf der symbolischen Ebene entledigen sich die Frauen mit dieser Exklusion dem Teil von Weiblichkeit, der sich am meisten im Spiegel eines imaginierten männlichen Begehrens geformt hat. Das Symbol für diesen Prozess der Subjektwerdung sind hierbei ganz klar die Modezeitschriften, sowie das Outfit. Eben dieses Element wird nun aus der Gruppe ausgeschlossen und damit zugleich einem radikalen, filmisch realen, männlichen Begehren, in Form des Bauern, preis gegeben. Das innerhalb dieser Szene dezidiert Implikationen von sexuellem Missbrauch mitschwingen, wirkt, den obigen Ausführungen folgend, demnach umso krasser, da wiederum impliziert wird, dass sich die Frau, gründend in ihrer Konstituierung, auch selbst zum Teil als Opfer erschafft. Jedoch ist diese Szene für die Konstituierung der restlichen Frauengruppe von enormer Bedeutung. So spalten sie nicht nur den Teil ab, der innerhalb ihrer Gruppe eine regressive Imagination von Weiblichkeit symbolisiert hat, sondern sie inklusivieren zugleich das andere Mitglied der Gruppe in ihre Imagination von Weiblichkeit. Die zögernde wird sich somit im Verlauf der anstehenden Szenen als ein vollwertiges Mitglied in dieser neuen Gemeinschaft beweisen (müssen).
Die Frauen bekommen also letztendlich den Wagen ausgeliehen und begeben sich mit ihm auf eine waghalsige Spritztour, während der sie entscheiden, eine von sich, mittels Gürteln, auf der Motorhaube zu fixieren.
Für Stuntman-Mike schlägt nun wiederholt die Stunde seiner Rolle als Exekutor und so versucht er auch dieses Mal die Frauen mit seinem Gefährt von der Bahn abzudrängen und somit dem Schicksal eines tödlichen Unfalls zuzuführen. Den Frauen gelingt es aber, Grund ihrer Erfahrungen als Stuntfahrerinnen, diesem Schicksal zu entgehen. In diesem Punkt ist wiederum ein klarer Bezug auf die vorherigen Filme Tarantinos, wie „Kill Bill“ oder „Jackie Brown“, zu erkennen. Den Frauen gelingt es, die Angriffe der Männer abzuwehren, weil sie in ihrer Selbstkonzeption männliche Verhaltensmuster assimiliert haben. In „Death Proof“ handelt es sich hierbei um die Kunst des Autofahrens, die fast immer nur Männern in vollem Umfang zugestanden wird, auch wenn es für eine solche Zuschreibung keinerlei logische Grundlagen gibt. Jedenfalls beherrschen die Frauen das Territorium, in dem Mike sie richten möchte, besser als eben dieser, was dazu führt, dass Mike vom Jäger zur Beute wird. In einer kurzen, aber doch sehr körperbetonten Inszenierung, gelingt es den Frauen Mike mittels einer Schusswaffe ernst zu verletzten und in die Flucht zu schlagen. Da die Frauen das Gelände, auf dem Mike sich, gründend in seiner relikatartigen Existenz, doch anscheinend so sicher zu bewegen vermochte, besser beherrschen als er selbst, kehren sie nun den Spieß um, und beginnen Mike zu jagen. Diese Jagd muss hierbei auch, auf symbolischer Ebene, als eine Revolution gegen die Heteronormativität der Bilder, die in Mike Konzentration erfährt, angesehen werden. Die „neuen“ Frauen setzen sich gegen die „alten“ Männer, nicht nur symbolisch zu Wehr und bekämpfen sie in ihrem orginären Jagdgebiet.
Letztendlich ist es Mike, der die Jagd verliert, von den Frauen gestellt wird und, wiederum höchst symbolisch, im Faustkampf von den Frauen getötet wird. Den finalen Schlag setzt dabei die Frau, die zu Beginn der Episode zwischen den beiden Frauenpolen schwankte, sich aber durch den finalen Todesstoß zu einem vollwertigen Mitglied der Gruppe wandelt. Hier endet der Film. Das Ende des Films ist somit nicht nur das Ende von Stuntman-Mike, sondern auch das Ende der phallozentrischen Ordnung, die der tote Mike und sein zerstörtes Gefährt verkörperten und symbolisierten. Die neue Imagination von Weiblichkeit im Action-Film siegt letzten Endes über die alten, heternormativen, Heroen, die ihre Macht allein aus dem Phallus zu speisen vermochten. Somit ist dieses Ende nicht nur ein Sieg der neuen Bilder über die Alten, sondern ein Sieg Bellerophons über die Chimäre, auch wenn eben dieser griechische Held in Trantinons Vision eine Gruppe von Frauen ist. Tod sind alle Heroen, lang leben die neuen Heldinnen!


Literatur:
Ahrendt-Schulte, Ingrid: Weise Frauen – böse Weiber. Die Geschichte der Hexen in der Frühen Neuzeit, Freiburg, 1994Ahrens, Jörn: Wie aus Wildnis Gesellschaft wird. Kulturelle Selbstverständigung und populäre Kultur am Beispiel von John Fords 'The Man Who Shot Liberty Valance', Wiesbaden, 2012Barthel, Korinna: Das Quentchen Gewalt. Heiße und kalte Gewalt in den Filmen Quentin Tarantinos, Marburg, 2005Baudrillard, Jean: Der symbolische Tausch und der Tod, München, 1982Ders.: Kool Killer oder der Aufstand der Zeichen, München, 1978Cuntz, Vera: SheDevils. Kaneto Shinados Onibaba & Kuroneko, in: :Ikonen:, einzusehen unter: http://www.ikonenmagazin.de/artikel/Shindo.htm. Letzter Zugriff am 22.03.2013 um 20:07 Uhr.
Dijkstra, Bram: Das Böse ist eine Frau. Männliche Gewaltphantasien und die Angst vor der weiblichen Sexualität, Hamburg, 1999Fischer, Robert, u.a.: Quentin Tarantino, Berlin, 2004Howard, Josiah: Blaxploitation Cinema: The Essential Reference Guide, Fab Press, 2008Jünger, Ernst: In Stahlgewittern, Stuttgart, 1978Kaltenecker, Siegfried: Ich bin die,der ich bin. Das männlich-heterosexuelle Crossdressing und die Komödie In: Ders., Spie(ge)lformen. Männlichkeit und Differenz im Kino, Basel, 1996
Monaco, James: Film verstehen. Kunst.Technik.Sprache.Geschichte und Theorie des Films und der neuen Medien, Hamburg, 2007Stiglegger, Marcus: Inquisition, in: Splatting Image, einzusehen unter: http://www.ikonenmagazin.de/artikel/hexen_nonnen.htm. Letzter Zugriff am 22.03.2013 um 20:06ders.:Ritual und Verführung. Schaulust, Spektakel und Sinnlichkeit im Film, Berlin, 2006Theweleit, Klaus: Männerphantasien 1+2, Frankfurt am Main, 2000Verwendete Filme:
Alle Filme unter der Regie von Quentin Tarantino sind aus der folgenden Veröffentlichung:Stuidocanal: Tarantino XX – 20 years of Filmmaking, Blu-Rays, 20131Alle Tarantino Filme die Versionen aus der folgenden Gesamtwerksveröffentlichung: Stuidocanal: Tarantino XX – 20 years of Filmmaking, Blu-Rays, 2013
„From Dusk Till Dawn
2Howard, Josiah: Blaxploitation Cinema: The Essential Reference Guide, Fab Press, 2008
3Samules, Stuart: Midnight Movies: From the Margin to the Mainstream, 2005. Vgl. http://www.imdb.com/title/tt0457414/. Letzter Zugriff am 21.03.2013 um 22:41 Uhr.
4 Barthel, Korinna: Das Quentchen Gewalt. Heiße und kalte Gewalt in den Filmen Quentin Tarantinos, Marburg, 2005
5 Stiglegger, Marcus: Ritual und Verführung. Schaulust, Spektakel und Sinnlichkeit im Film, Berlin, 2006
6Howard, Josiah: Blaxploitation Cinema, a.a.O.
7Kaltenecker, Siegfried: Ich bin die,der ich bin. Das männlich-heterosexuelle Crossdressing und die
Komödie. In: Ders., Spie(ge)lformen. Männlichkeit und Differenz im Kino, Basel und
Frankfurt/Main, Stroemfeld, 1996
8Tarantinos Werk wird hierbei nicht in der „Grindhouse“-Version rezitiert, sondern in der deutschen Kinofassung, die der Studiocanal-Veröffentlichung entstammt.
9 Diestelmeyer, Jan: M. Butterfly (1993). In Marcus Stiglegger (Hg.), David Cronenberg, Berlin, Bertz + Fischer,
2011, 212-216.
10Stiglegger, Marcus: Ritual und Verführung, a.a.O.
11Jünger, Ernst: In Stahlgewittern, Stuttgart, 1978
12Baudrillard, Jean: Der symbolische Tausch und der Tod, München, 1982 sowie: Ders.: Kool Killer oder der Aufstand der Zeichen, München, 1978
13Ahrens, Jörn: Wie aus Wildnis Gesellschaft wird. Kulturelle Selbstverständigung und populäre Kultur am Beispiel von John Fords 'The Man Who Shot Liberty Valance', Wiesbaden, 2012