Vom Terminator zur Fickmaschine -
Der Cyborg und die Digitalisierung des Sexuallebens
Einleitung
„She is not entirely human and it is
not even clear if she is a woman at all“1
Auch im Video zur Single „All is full
of love“2
der isländischen Künstlerin „Björk“ gestaltet sich die binäre
Zuordnung von Geschlechtlichkeit bei den beiden ProtagonistInnen
ziemlich schwierig. Das Video handelt von zwei Robotern, die sich in
einem liebevollen Akt der Zuneigung und Sexualität ergeben; inmitten
ihrer Stätte der Produktion, begleitet von „Björks“ Lied „All
is full of love“, dass in seiner textlichen Essenz so auch Essenz
des Videos selbst abbildet: Alles ist voller Liebe!
Schwierig gestaltet sich die Zuweisung
im Video vor allem deswegen, weil wir, als Zuschauerinnen und
Zuschauer, es augenscheinlich nicht mit Menschen, sondern
wahrscheinlich mit Robotern zu tun haben, die aber doch starke
menschliche pyhsionomische Merkmale aufweisen: Gesicht und sekundäre
Geschlechtsmerkmale suggerieren uns Weiblickeit, bei beiden Wesen!
Auch wenn die Anfangsszenen, die das
Hantieren von Maschinen an den Wesen zeigen, uns doch in unseren
Versuchen, oberflächlich zuzuordnen und somit Sinn zu stiften, doch
kontinuierlich verunsichern. Menschlich oder nicht? Weiblich oder
nicht? Liebesakt oder Kurzschluss?
Und wenn auch diese Fragen keiner
klaren, eindeutigen, Zuordnung unterjocht werden können, so streben
die Wesen im Video doch zu einem der menschlichsten Bedürfnisse
überhaupt hin: Zuneigung in Form von sexueller Zuneigung.
Liebevoll umarmen sich die Wesen,
berühren sich sanft und intim und vollführen mit ihren menschlichen
Geschichtszügen die zartesten Küsse und sanftesten Bewegungen und
provozieren so die Fragen: Können Roboter weiblich/lesbisch sein?
Können Roboter, oder besser RoboterInnen lieben?
Das Video bricht in vieler Hinsicht mit
tradierten Sehgewohnheiten: Es inszeniert roboterähnliche Wesen beim
offensichtlichen Vollzug des Geschlechtsakts. Zumal eines
Geschlechtsaktes, gespeist aus tiefster Zärtlichkeit. Hinzu kommt,
dass die Wesen nicht einem hetrosexistischen Normativ unterworfen
wurden, da es sich augenscheinlich um Roboter mit stark weiblichen
Zügen handelt. Letztendliche Sicherheit über die Beantwortung
dieser Frage gibt es aber nicht. Ist das, was wir sehen, wirklich
lesbischer Robotersex?
Wo nun pornographische Medien in die
brachiale, genitalfixierte, Darstellung des Sexualaktes verfallen
würden, der seine Befriedigung rein aus der gegenseitigen
Stimulation der primären Geschlechtsmerkmale zu ziehen vermag,
verbleiben die Wesen im Video beim zarten Spiel mit der Gesamtheit
ihrer Körper. Ein durch und durch pornographischer Vollzug des Aktes
wäre den Wesen ansich auch gar nicht möglich. Sie verfügen nicht
über die „Ausstattung“, die zum Vollzug eines solch gearteten
Geschlechtsakts, wie ihn die Pornographie so sehr fokussiert, von
Nöten ist und trotzdem wirken sie, entweder trotz oder gerade wegen
dieser fehlenden Insignien der Lust, von einer vollendeten
Zufriedenheit durchdrungen.
Das Video zu „Björks“ Single
erschien 19993
bei dem Musikriesen „Universal“, also gut 13 Jahre vor
Niederschrift dieser Arbeit, und ist eines der ersten Musikvideos,
dass innerhalb der westlichen Mainstreamkultur Sexualität zwischen
Roboterwesen inszenierte und darstellte. Von den freakigen
Darstellungen der Band „Mariyln Manson“ in ihrem 1998 erschienen
Album „Mechanical Animals“4
an dieser Stelle mal abgesehen und ganz zu schweigen von solchen
musikalischen Unternehmungen, wie dem deutschen Projekt „Sopor
Aeternus & the ensamble of shadows“, die beide zu keinem
Zeitpunkt ihrer Karrieren eine solche Massenwirksamkeit wie „Björk“
zu entfalten vermochten.
Zwar sind Wesen, wie die aus dem Video
„Björks“, Cyborgs oder Androiden, schon seit den 1980 Jahren
populäre Figuren in der populären Kultur, nicht aber in Bezug auf
ihre sexuelle Determination. Figuren wie der, von Arnold
Schwarzenegger verkörperte, Cyborg „Terminator“5
oder der Figur des „Robocop“6
aus Paul Verhoevens gleichnamigen Film kann zwar grundlegend eine
gewisse sexuelle Präsenz zuerkannt werden, allerdings ist diese
Präsenz eher subtil und wird niemals innerhalb der Darstellungen in
direkten Sexualverkehr überführt. So tötet der „Terminator“ in
seinen Filmen doch deutlich mehr, als das er Zärtlichkeiten
verteilt. Und auch der „Robocop“ schmeißt sich gezielter in
Abenteuer der Verbrechensbekämpfung, denn in die Abenteuer eines
Giacome Casanova.
Nichts
desto trotz ist die Maschine innerhalb der letzten Jahrzehnte zu
einem integralen Bestandteil der Sexualität geworden.
Ein
Stellenwert der, parallel zum technischen Fortschritt, kontinuierlich
an Bedeutung und Dominanz zulegte. Überspitzt dargestellt und
ausformuliert hat der „Terminator“ Einzug in unsere Betten
erhalten, wenn auch nicht in Form einer stählern Kampfmaschine, denn
mehr in Form von allerlei technisch-mechanischen Spielzeugen bis hin
zu komplizierten technischen Sexpuppen, die die Grenzen zwischen
Mensch und Maschine vollends zur Disposition stellen.
In der
Pornographie hingegen gibt es mittlerweile ganze Produktionsreihen,
die den Sex zwischen Frauen und Maschinen exploitativ inszenieren und
vermarkten, einhergehend mit einer Verschmenschlichung der Maschine
und einer Entmenschlichung des weiblichen Körpers.
Jedoch
muss bei dieser, obig nur fragmentarisch skizzierten Entwicklung,
streng zwischen dem Bereich der pornographischen Reproduktion von
Sexualität und realer Sexualität getrennt werden, auch wenn starke
Wechselwirkungen zwischen diesen Bereichen bestehen, die ebenso in
dieser Arbeit Darstellung finden sollen. Es sei deshalb bereits hier
angefügt, dass die Pornographie diese Entwicklung, mit ihren
komplizierten Maschinen, die Frauen aus egal welcher Position heraus
stundenlang zu penetrieren vermögen, nur in der Form eines radikalen
Extremes inszeniert. Ein Extrem, dass dergestalt in den Schlafzimmern
in der Realität so nicht als Norm aufzufinden ist.
Ziel
dieser Ausarbeitung ist es, den Stellenwert von Maschinen,
insbesondere dem menschenähnlichen Cyborg, in der pornographischen
Darstellung und dem Sexualleben im Allgemeinen im Jahr 2012 zu
ermitteln und darzustellen. Die Arbeit fokussiert hierbei die beiden
folgenden Fragen:
Was für eine Rolle kommt der
Maschine im Sexualleben zu?
und
Ist die Maschine ein Moment der
Emanzipation?
Zu
Beantwortung dieser Frage nähert sich die Arbeit im ersten Kapitel
grundlegend dem Begriff des Cyborgs7
an und versucht diesen multiperspektivisch dazustellen. Im Anschluss
an dieses Kapitel erfolgt eine Darstellung der Thesen Georg Seeßlens
zur Unterteilung der Pornographie innerhalb der letzten Jahrzehnte8.
An dieses Kapitel dann schließt sich der Hauptteil dieser Arbeit an,
der sich in seinem Gros der Darstellung des Stellenwertes des Cyborgs
in der Pornographie und im Sexualleben des 21. Jahrhunderts widmet9.
Dieser
Teil soll die beiden zuvor aufgeworfenen Fragen beantworten. Das
fünfte Kapitel steht deshalb in konkreten Bezug zu diesem vorherigen
Kapitel: Es widmet sich der Bezugspunkte zwischen Pornographie und
Gesellschaft und versucht diese Wechselwirkung zwischen den beiden
Felder unter Bezug auf seine emanzipatorischen Wechselwirkungen
darzustellen10.
Dieser letzte Teil bildet dann zugleich Fazit, da er Entwicklungen
und Tendenzen in seinem Wesen zusammenfasst.
Aus dem weiteren Inhalt:
Gliederung
- Einleitung
- Annäherungen an das Begriffskonstrukt des Cyborgs2.1. Eingeschränkte und uneingeschränkte Definition des Cyborgs2.2. Der Cyborg als feministisches Denkmodell
- Pornographie, Post-Pornographie und Post-Post-Pornographie und was das alles mit Maschinen zu tun hat
- Über die Cyborgisierung des Sexuallebens und den Maschinenfetisch4.1. Zugriff versus Kontrolle4.2. Sexualität mal ohne Menschen
- Emanzipatorische Chancen der Digitalisierung des Sexuallebens – Ein Fazit
- Quellen-
und Literaturverzeichnis
Kostenloser Download der vollständigen Arbeit im pdf Format:
1Asberg,
Cecilia: The arena of the body: The cyborg and feminist views on
biology, in: Buikema, Rosemarie; Van der Tuin, Iris (Hrsg.): Doing
gender in media, art and culture, New York, 2009 S.24
2Börk:
All is full of love, Universal, 1999 Video vom Regisseur Chris
Cunnighum, einzusehen unter:
http://www.medienkunstnetz.de/werke/all-is-full-of-love/.
Letzter Zugriff am 13.03.2012 um 17:16 Uhr.
3Ebd.
4Marilyn
Manson: Mechanical Animals, 1998 Vgl. offizielle Diskographie
einzusehen unter: http://marilynmanson.com/discography/.
Letzter Zugriff am 13.02.2012 um 17:20 Uhr.
5Cameron,
James: The Terminator, 1984. Weiterführende Informationen zum Film
einsehbar unter: http://www.imdb.de/title/tt0088247/.
Letzter Zugriff am 12.03.2012 um 17:23 Uhr.
6Verhoeven,
Paul: Robocop, 1987. Weiterführende Informationen zum Film in der
„Internationl Moviedatabase“, einzusehen unter:
http://www.imdb.de/title/tt0093870/.
Letzter Zugriff am 12.03.2012 um 17:22 Uhr.
7Vgl.
Kapitel 2. Annäherungen an das Begriffskonstrukt des Cyborgs
8Vgl.
Kapitel 3 Pornographie, Post-Pornographie und Post-Post-Pornographie
und was das alles mit Maschinen zu hat
9Vgl.
Kapitel 4. Über die Cyborgisierung des Sexuallebens und den
Maschinenfetisch
10Vgl.
Kapitel 5. Emanzipatorische Cahncen der Digitalisierung des
Sexuallebens – Ein Fazit
11Das
Wort „Cyborg“ und „Androide“ werden im allgemeinen
Sprachgebrauch oft synonym verwendet, auch wenn sie zwei
verschiedene Objekte charakterisieren.
12Zwar,
Dr. Annette (Hrsg.): Meyers grosses Taschenlexikon in 25 Bänden,
Mannheim, 1999 S. 191
13Ebd.
14Ebd.
15Ebd.
16Asberg,
Cecilia: a.a.O. S. 25
17Ebd.
18Ebd.
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