Sonntag, 29. April 2012

Vom Terminator zur Fickmaschine - Der Cyborg und die Digitalisierung des Sexuallebens

Vom Terminator zur Fickmaschine - 
Der Cyborg und die Digitalisierung des Sexuallebens




Einleitung


„She is not entirely human and it is not even clear if she is a woman at all“1

Auch im Video zur Single „All is full of love“2 der isländischen Künstlerin „Björk“ gestaltet sich die binäre Zuordnung von Geschlechtlichkeit bei den beiden ProtagonistInnen ziemlich schwierig. Das Video handelt von zwei Robotern, die sich in einem liebevollen Akt der Zuneigung und Sexualität ergeben; inmitten ihrer Stätte der Produktion, begleitet von „Björks“ Lied „All is full of love“, dass in seiner textlichen Essenz so auch Essenz des Videos selbst abbildet: Alles ist voller Liebe!
Schwierig gestaltet sich die Zuweisung im Video vor allem deswegen, weil wir, als Zuschauerinnen und Zuschauer, es augenscheinlich nicht mit Menschen, sondern wahrscheinlich mit Robotern zu tun haben, die aber doch starke menschliche pyhsionomische Merkmale aufweisen: Gesicht und sekundäre Geschlechtsmerkmale suggerieren uns Weiblickeit, bei beiden Wesen!
Auch wenn die Anfangsszenen, die das Hantieren von Maschinen an den Wesen zeigen, uns doch in unseren Versuchen, oberflächlich zuzuordnen und somit Sinn zu stiften, doch kontinuierlich verunsichern. Menschlich oder nicht? Weiblich oder nicht? Liebesakt oder Kurzschluss?

Und wenn auch diese Fragen keiner klaren, eindeutigen, Zuordnung unterjocht werden können, so streben die Wesen im Video doch zu einem der menschlichsten Bedürfnisse überhaupt hin: Zuneigung in Form von sexueller Zuneigung.
Liebevoll umarmen sich die Wesen, berühren sich sanft und intim und vollführen mit ihren menschlichen Geschichtszügen die zartesten Küsse und sanftesten Bewegungen und provozieren so die Fragen: Können Roboter weiblich/lesbisch sein? Können Roboter, oder besser RoboterInnen lieben?

Das Video bricht in vieler Hinsicht mit tradierten Sehgewohnheiten: Es inszeniert roboterähnliche Wesen beim offensichtlichen Vollzug des Geschlechtsakts. Zumal eines Geschlechtsaktes, gespeist aus tiefster Zärtlichkeit. Hinzu kommt, dass die Wesen nicht einem hetrosexistischen Normativ unterworfen wurden, da es sich augenscheinlich um Roboter mit stark weiblichen Zügen handelt. Letztendliche Sicherheit über die Beantwortung dieser Frage gibt es aber nicht. Ist das, was wir sehen, wirklich lesbischer Robotersex?
Wo nun pornographische Medien in die brachiale, genitalfixierte, Darstellung des Sexualaktes verfallen würden, der seine Befriedigung rein aus der gegenseitigen Stimulation der primären Geschlechtsmerkmale zu ziehen vermag, verbleiben die Wesen im Video beim zarten Spiel mit der Gesamtheit ihrer Körper. Ein durch und durch pornographischer Vollzug des Aktes wäre den Wesen ansich auch gar nicht möglich. Sie verfügen nicht über die „Ausstattung“, die zum Vollzug eines solch gearteten Geschlechtsakts, wie ihn die Pornographie so sehr fokussiert, von Nöten ist und trotzdem wirken sie, entweder trotz oder gerade wegen dieser fehlenden Insignien der Lust, von einer vollendeten Zufriedenheit durchdrungen.

Das Video zu „Björks“ Single erschien 19993 bei dem Musikriesen „Universal“, also gut 13 Jahre vor Niederschrift dieser Arbeit, und ist eines der ersten Musikvideos, dass innerhalb der westlichen Mainstreamkultur Sexualität zwischen Roboterwesen inszenierte und darstellte. Von den freakigen Darstellungen der Band „Mariyln Manson“ in ihrem 1998 erschienen Album „Mechanical Animals“4 an dieser Stelle mal abgesehen und ganz zu schweigen von solchen musikalischen Unternehmungen, wie dem deutschen Projekt „Sopor Aeternus & the ensamble of shadows“, die beide zu keinem Zeitpunkt ihrer Karrieren eine solche Massenwirksamkeit wie „Björk“ zu entfalten vermochten.

Zwar sind Wesen, wie die aus dem Video „Björks“, Cyborgs oder Androiden, schon seit den 1980 Jahren populäre Figuren in der populären Kultur, nicht aber in Bezug auf ihre sexuelle Determination. Figuren wie der, von Arnold Schwarzenegger verkörperte, Cyborg „Terminator“5 oder der Figur des „Robocop“6 aus Paul Verhoevens gleichnamigen Film kann zwar grundlegend eine gewisse sexuelle Präsenz zuerkannt werden, allerdings ist diese Präsenz eher subtil und wird niemals innerhalb der Darstellungen in direkten Sexualverkehr überführt. So tötet der „Terminator“ in seinen Filmen doch deutlich mehr, als das er Zärtlichkeiten verteilt. Und auch der „Robocop“ schmeißt sich gezielter in Abenteuer der Verbrechensbekämpfung, denn in die Abenteuer eines Giacome Casanova.
Nichts desto trotz ist die Maschine innerhalb der letzten Jahrzehnte zu einem integralen Bestandteil der Sexualität geworden.
Ein Stellenwert der, parallel zum technischen Fortschritt, kontinuierlich an Bedeutung und Dominanz zulegte. Überspitzt dargestellt und ausformuliert hat der „Terminator“ Einzug in unsere Betten erhalten, wenn auch nicht in Form einer stählern Kampfmaschine, denn mehr in Form von allerlei technisch-mechanischen Spielzeugen bis hin zu komplizierten technischen Sexpuppen, die die Grenzen zwischen Mensch und Maschine vollends zur Disposition stellen.
In der Pornographie hingegen gibt es mittlerweile ganze Produktionsreihen, die den Sex zwischen Frauen und Maschinen exploitativ inszenieren und vermarkten, einhergehend mit einer Verschmenschlichung der Maschine und einer Entmenschlichung des weiblichen Körpers.
Jedoch muss bei dieser, obig nur fragmentarisch skizzierten Entwicklung, streng zwischen dem Bereich der pornographischen Reproduktion von Sexualität und realer Sexualität getrennt werden, auch wenn starke Wechselwirkungen zwischen diesen Bereichen bestehen, die ebenso in dieser Arbeit Darstellung finden sollen. Es sei deshalb bereits hier angefügt, dass die Pornographie diese Entwicklung, mit ihren komplizierten Maschinen, die Frauen aus egal welcher Position heraus stundenlang zu penetrieren vermögen, nur in der Form eines radikalen Extremes inszeniert. Ein Extrem, dass dergestalt in den Schlafzimmern in der Realität so nicht als Norm aufzufinden ist.

Ziel dieser Ausarbeitung ist es, den Stellenwert von Maschinen, insbesondere dem menschenähnlichen Cyborg, in der pornographischen Darstellung und dem Sexualleben im Allgemeinen im Jahr 2012 zu ermitteln und darzustellen. Die Arbeit fokussiert hierbei die beiden folgenden Fragen:

Was für eine Rolle kommt der Maschine im Sexualleben zu?
und
Ist die Maschine ein Moment der Emanzipation?

Zu Beantwortung dieser Frage nähert sich die Arbeit im ersten Kapitel grundlegend dem Begriff des Cyborgs7 an und versucht diesen multiperspektivisch dazustellen. Im Anschluss an dieses Kapitel erfolgt eine Darstellung der Thesen Georg Seeßlens zur Unterteilung der Pornographie innerhalb der letzten Jahrzehnte8. An dieses Kapitel dann schließt sich der Hauptteil dieser Arbeit an, der sich in seinem Gros der Darstellung des Stellenwertes des Cyborgs in der Pornographie und im Sexualleben des 21. Jahrhunderts widmet9.
Dieser Teil soll die beiden zuvor aufgeworfenen Fragen beantworten. Das fünfte Kapitel steht deshalb in konkreten Bezug zu diesem vorherigen Kapitel: Es widmet sich der Bezugspunkte zwischen Pornographie und Gesellschaft und versucht diese Wechselwirkung zwischen den beiden Felder unter Bezug auf seine emanzipatorischen Wechselwirkungen darzustellen10. Dieser letzte Teil bildet dann zugleich Fazit, da er Entwicklungen und Tendenzen in seinem Wesen zusammenfasst.

Aus dem weiteren Inhalt:

Gliederung

  1. Einleitung
  2. Annäherungen an das Begriffskonstrukt des Cyborgs
    2.1. Eingeschränkte und uneingeschränkte Definition des Cyborgs
    2.2. Der Cyborg als feministisches Denkmodell
  3. Pornographie, Post-Pornographie und Post-Post-Pornographie und was das alles mit Maschinen zu tun hat
  4. Über die Cyborgisierung des Sexuallebens und den Maschinenfetisch
    4.1. Zugriff versus Kontrolle
    4.2. Sexualität mal ohne Menschen
  5. Emanzipatorische Chancen der Digitalisierung des Sexuallebens – Ein Fazit
  6. Quellen- und Literaturverzeichnis

Kostenloser Download der vollständigen Arbeit im pdf Format:




1Asberg, Cecilia: The arena of the body: The cyborg and feminist views on biology, in: Buikema, Rosemarie; Van der Tuin, Iris (Hrsg.): Doing gender in media, art and culture, New York, 2009 S.24
2Börk: All is full of love, Universal, 1999 Video vom Regisseur Chris Cunnighum, einzusehen unter: http://www.medienkunstnetz.de/werke/all-is-full-of-love/. Letzter Zugriff am 13.03.2012 um 17:16 Uhr.
3Ebd.
4Marilyn Manson: Mechanical Animals, 1998 Vgl. offizielle Diskographie einzusehen unter: http://marilynmanson.com/discography/. Letzter Zugriff am 13.02.2012 um 17:20 Uhr.
5Cameron, James: The Terminator, 1984. Weiterführende Informationen zum Film einsehbar unter: http://www.imdb.de/title/tt0088247/. Letzter Zugriff am 12.03.2012 um 17:23 Uhr.
6Verhoeven, Paul: Robocop, 1987. Weiterführende Informationen zum Film in der „Internationl Moviedatabase“, einzusehen unter: http://www.imdb.de/title/tt0093870/. Letzter Zugriff am 12.03.2012 um 17:22 Uhr.
7Vgl. Kapitel 2. Annäherungen an das Begriffskonstrukt des Cyborgs
8Vgl. Kapitel 3 Pornographie, Post-Pornographie und Post-Post-Pornographie und was das alles mit Maschinen zu hat
9Vgl. Kapitel 4. Über die Cyborgisierung des Sexuallebens und den Maschinenfetisch
10Vgl. Kapitel 5. Emanzipatorische Cahncen der Digitalisierung des Sexuallebens – Ein Fazit
11Das Wort „Cyborg“ und „Androide“ werden im allgemeinen Sprachgebrauch oft synonym verwendet, auch wenn sie zwei verschiedene Objekte charakterisieren.
12Zwar, Dr. Annette (Hrsg.): Meyers grosses Taschenlexikon in 25 Bänden, Mannheim, 1999 S. 191
13Ebd.
14Ebd.
15Ebd.
16Asberg, Cecilia: a.a.O. S. 25
17Ebd.
18Ebd.   

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