Freitag, 28. September 2012

Fett, Filz und Vaterland? Beuys der Nazi?


Fett, Filz und Vaterland? 


Durch Menschen bewegen sich Ideen fort, während sie in Kunstwerken erstarren und schließlich zurückbleiben.
- Joseph Beuys-


Joseph Beuys. Allen bekannt und doch unbekannt. Es gibt wohl neben Andy Warhol und
Salvatore Dali kaum einen Künstler der Moderne, der soviel Bekanntheit innerhalb der
Bevölkerung innehat. Beruht die Bewunderung bei Warhol auf der Ästhetik, bei Dali auf
dem Dargestellten, so ist es bei Beuys die Person Beuys, die im Mittelpunkt des Interesses
steht. Seine bildhauerischen Tätigkeiten sind weitestgehend unbekannt. Seine Malereien
sind ebenfalls weitestgehend unbekannt. Seine Aktionen und seine damit verbundenen
Ideen sind bei vielen in verschwommen und vorurteilsbehafteten Bildern bekannt. Aber
seine Person kennt wohl jeder. Seine Materialien, Fett, Filz, Honig verbinden die meisten
Personen noch heute mit dem Künstler Beuys.

Alle Jahre wieder wenden sich die großen und kleinen Kunstzeitschriften seinem Schaffen zu und rekonstruieren sein Wirken in unseren Köpfen. Doch damals wie heute stößt Beuys und sein Werken und Wirken nicht aller Orts auf große Gegenliebe. Zahlreich sind die Kritikerinnen und Kritiker. In den letzten Jahren stach aus der Reihe eben dieser Ralf Famulla hervor, der mit seinem umfangreichen Werk1 „Küntsler, Krieger und Schamane“ versucht das aufzudecken, dass nach Meinung des Verlages andere Biographen verschwiegen: Die rechtsextreme Determination der beuysschen Bilderwelten.

Gerade in Anbetracht des Umstandes, dass das Schaffen und die Ideen im Feld der Sozialen Arbeit zum Teil großes Ansehen genießen und gerne Integration in die Arbeit erfahren, führt zu dem Umstand, das sich mit dieser Kritik dringend beschäftigt werden sollte. 
Ziel der hier veröffentlichten Arbeit ist es deswegen, dass Schaffen von Beuys auf eine mögliche rechtsextreme Determination zu untersuchen. Diese Analyse integriert hierbei auch den Aspekt der Sozialen Arbeit und sollte deswegen gerade von PädagogInnen, die mit dem beuyschen Gesamtwerk arbeiten aufmerksam gelesen werden. 

Die gesamte Arbeit kann am Ende über den Link als pdf runtergeladen werden. Alternativ übersende ich sie Ihnen aber auch gerne per Email!


Alle Jahre wieder wenden sich die großen und kleinen Kunstzeitschriften seinem Schaffen zu und rekonstruieren sein Wirken in unseren Köpfen. Doch damals wie heute stößt Beuys und sein Werken und Wirken nicht aller Orts auf große Gegenliebe. Zahlreich sind die Kritikerinnen und Kritiker. In den letzten Jahren stach aus der Reihe eben dieser Ralf Famulla hervor, der mit seinem umfangreichen Werk1 „Küntsler, Krieger und Schamane“ versucht das aufzudecken, dass nach Meinung des Verlages andere Biographen verschwiegen: Die rechtsextreme Determination der beuysschen Bilderwelten.

Gerade in Anbetracht des Umstandes, dass das Schaffen und die Ideen im Feld der Sozialen Arbeit zum Teil großes Ansehen genießen und gerne Integration in die Arbeit erfahren, führt zu dem Umstand, das sich mit dieser Kritik dringend beschäftigt werden sollte.
Ziel der hier veröffentlichten Arbeit ist es deswegen, dass Schaffen von Beuys auf eine mögliche rechtsextreme Determination zu untersuchen. Diese Analyse integriert hierbei auch den Aspekt der Sozialen Arbeit und sollte deswegen gerade von PädagogInnen, die mit dem beuyschen Gesamtwerk arbeiten aufmerksam gelesen werden.

Die gesamte Arbeit kann am Ende über den Link als pdf runtergeladen werden. Alternativ übersende ich sie Ihnen aber auch gerne per Email!

Die vorliegende Arbeit soll sich mit der Bedeutung von Naturmaterialien im Spätwerk von
Joseph Beuys beschäftigen. Hierzu werden zuerst natürliche und nicht natürliche
Materialien definiert.
Hierauf folgend wird das Frühwerk vom Spätwerk Joseph Beuys getrennt. Anschließend
werden die Materialien im Spätwerk des Joseph Beuys kontextualisiert und genauer
analysiert. Insbesondere wird hierbei auf die Materialien Fett, Filz und Honig Bezug
genommen.
Abschließend soll die Frage, ob die Verwendung von Naturmaterialien im Spätwerk von
Joseph Beuys dazu dient, ein angeblich vorhandenes völkisches Gedankengut auf Seiten
von Joseph Beuys darzustellen, wie dies in den Werken von Famulla und Gieske u.a. These
ist, in den Fokus genommen werden.
Hierzu werden die Thesen und Darlegungen des Autors Famulla sowie des
Autorenkollektivs Gieseke, Frank, Markert, Albert getrennt darstellt, analysiert und
kritisiert. Ein Fazit folgt dieser Auseinandersetzung.

Primärquellen für die Auseinandersetzung in dieser Arbeit bilden die folgenden Werke:
Famulla, Rolf (2009): Joseph Beuys: Künstler, Krieger und Schamane. Die Bedeutung von
Mythos und Trauma in seinem Werk, Gießen.
Gieseke, Frank, Markert, Albert (1996): Flieger, Filz und Vaterland – eine erweiterte
Beuys-Biografie, Berlin.
Harlan, Rappmann, Schata (1984): Soziale Plastik – Materialien zu Joseph Beuys. Achberg
Katalog (2006): Joseph Beuys - Die Materialien und ihre Botschaft. Museum Schloss
Moyland. Bedburg-Hau/ Kreis Kleve


Für die Soziale Arbeit ist diese Arbeit in mehrerer Weise von Interesse. Erstens ist es ohne
eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit Materialien von Joseph Beuys nicht ohne
Einschränkungen möglich, mit seiner Person und seinen Ideen in der Sozialen Arbeit zu
arbeiten.
Zweitens wird hier die Frage erläutert, ob Joseph Beuys überhaupt mit seinen Ideen und
seinem Wirken in der Sozialen Arbeit Anwendung finden kann. Sollte die These von Beuys
völkischem Denken richtig sein, so disqualifizieren sich seine Ideen von selbst, da
völkisches Denken der grundlegenden Ordnung, wie sie im Grundgesetz der
Bundesrepublik Deutschland niedergeschrieben ist, entgegensteht und somit einer Sozialen
Arbeit, die sich dieser Grundlage verpflichtet fühlt, nicht dienlich sein kann.
Gerade der letzte Gedanke, dass die Ideen von Beuys nationalsozialistisch belastet sind
und somit nicht in einer Gesellschaft, die sich zumindest im Grundgesetz gegen solche
Ideale, wie sie im Nationalsozialismus vertreten wurden, entschieden hat, zur Anwendung
kommen können, beschäftigt mich sehr.


Aus dem Inhalt:



Inhalt
Einleitung
1. Definition Materialien................................................................................S. 6-6
1.1 Definition „natürliche Materialien“........................................................S. 6-6
1.2 Definition „unnatürliche Materialien“....................................................S. 7-7
2. Überblick über das Werk von Joseph Beuys unter besonderer
Berücksichtigung der vorkommenden natürlichen Materialien im
künstlerischen Schaffen..............................................................................S. 7-7
2.1 Einordnung Frühwerk............................................................................S. 7-8
2.1.1 Werk während des zweiten Weltkrieges................................................S. 8-9
2.1.2 Studienzeit.............................................................................................S. 9-9
2.1.3 Werk als Bildhauer.................................................................................S. 9-9
2.2 Einordnung Spätwerk.............................................................................S. 10-11
2.2.1 Installationen...........................................................................................S.11-12
2.2.2 Fluxus & Performance............................................................................S.13-14
2.2.3 Soziale Plastik........................................................................................S. 14-15
3. Bedeutung der natürlichen Materialien im Spätwerk von Joseph Beuys.
.......................................................................................................................S. 15-19
3.1 Bedeutung von Blut...............................................................................S. 19-20
3.1.1 Blut als Symbol für chemische Prozesse...............................................S. 20-21
3.1.2 Blut als Symbol für das Leben und für die Kreativität..........................S. 21-22
3.1.3 Blut als Symbol für völkische Zugehörigkeit........................................S. 22-23
3.2 Bedeutung von Fett...................................................................................S. 23-23
3.3 Bedeutung von Honig...............................................................................S. 23-23
3.4 Bedeutung anderer natürlicher Materialien............................................S.23-24
3.4.1 Steine.....................................................................................................S. 23-24
3.4.2 Bäume....................................................................................................S. 24-24
4. Natürliche Materialien als Symbole eines an sozialisierten völkischen
Gedankengutes bei Joseph Beuys...............................................................S. 25-27
4.1. Definition völkisches Denken................................................................S. 27-28
4.1.1 Beuys – Völkisch oder Faschistisch?.....................................................S. 28-28
3
4.2 Skizzenhafte einführende Darstellung der Positionen der Autoren Famulla und
Gieseke, Frank, Markert, Albert.............................................................S. 28-30
4.2.1
Darstellung der Position von Ralf Famulla.........................................S. 30-33
4.2.1.1 Blut......................................................................................................S. 33-34
4.2.1.2 Fett......................................................................................................S. 34-34
4.2.1.3 Honig..................................................................................................S. 34-34
4.2.1.4 Steine..................................................................................................S. 34-35
4.2.1.5 Fazit Materialien.................................................................................S. 35-35
4.2.2 Analyse der Position von Ralf Famulla.................................................S. 35-39
4.2.2 Kritik der Position von Ralf Famulla.....................................................S. 39-42
4.4 Fazit..........................................................................................................S. 42-42
5. Endergebnis...................................................................................................S. 42-43
6. Nachwort........................................................................................................S. 44-44
7. Quellen und Literaturverzeichnis...............................................................S. 45-46 


Download: 



Donnerstag, 27. September 2012

Montag, 17. September 2012

Immer rückwärts?


Gedanken zum Neofolk, MARS 
und deren Debütalbum „Sons of cain“





Die einzig revolutionäre Kraft ist die Kraft der menschlichen Kreativität, die einzig revolutionäre Kraft ist die Kunst.“
    - Joseph Beuys-

Auch, oder vielleicht auch gerade1, in Anbetracht der aktuellen Populärkultur, kann an dieser Stelle wohl davon ausgegangen werden, dass über die Annahme bezüglich des Wesens der Kunst von Beuys Einigkeit bestehen dürfte. Unzählige Beispiele belegen dies, es müssen an dieser Stelle wohl keinerlei Aufzählungen erfolgen, die eben dies belegen.
Und doch gibt es gerade im Bereich der Musik gewisse Genres, bei denen der eigene revolutionäre Anspruch an die Kunst und die Wirklichkeit des Endergebnisses Galaxien voneinander entfernt liegen. Ein herausragendes und trauriges Beispiel zugleich hierfür ist mit Sicherheit der Bereich des „Material Industrial“, der sich seit Jahren damit begnügt Nazi-Reden, Kriegsgeräusche und andersartigen Lärm zu mixen und durch Labels wie SkullLine oder UFA-Muzak unter das geneigte Publikum zu bringen. Das der Innovationsgrad hierbei seit Jahren gegen Null tendiert und das einzige Ziel der Tabubruch um des Tabubruchs Willen ist2, ist den meisten Käuferinnen und Käufern hierbei anscheinend vollkommen gleich. Hauptsache Naziästhetik, Panzergrollen und Genozid!

Ein weiteres schönes Beispiel für ein Genre, dessen Akteure sich gerne als revolutionäre Avantgarde generieren, letztendlich aber mit ihrem Habitus zumeist vollkommen deplatziert wirken, ist das des Apocalyptic Folk/ Neofolk3. Es gibt im Leben wohl wahrlich wenige Dinge, die einfacher sind, als das „Zusammenbasteln“ eines Neofolksongs: Ein paar schwere Militärtrommeln, möglichst monoton geschlagen, ein paar einfache Akkorde auf der Akustikgitarre und fertig ist das musikalische Grundgerüst, auf das textlich aufgebaut werden kann. Und wer bei diesen kompositorischen Höhenflügen noch nicht vollends seine kreative Energie in den Wind geschossen hat, der kann sich immer noch ein schönes, nosiges Intro für den Song basteln. Auch textlich gestaltet sich die Arbeit an einem Neofolksong einfacher, als einem Kind ohne Arme und Beine einen Lutscher zu klauen. Immer gerne gesehen, beziehungsweise gehört, sind Anleihen bei esoterisch interessierten Nazis oder extrem konservativen Gestalten der Weimarer Republik, Willigut oder Hielscher, oder Anderen etwas verrückten Figuren, Evola oder Codreanu sind hier gute Bezugspunkte. Keine Angst: Gewöhnliche Nazis und Gauleiter dürfen natürlich genauso genommen werden. Nur der Europabezug – der ist wichtig!
Letztendlich ist das anfertigen des Textes dann auch nicht mehr sonderlich schwierig. Entweder muss der Text in männerbündischer Naturromantik schwelgen oder in kryptischer Weise von SS-Männern handeln, die im Schützengraben nichts anderes zu tun haben, als sich gegenseitig mit ihren, mit Runenringen geschmückten Fingern die Rosetten zu streicheln.

Von den geneigten Fans können und werden diese lyrischen Ergüsse dann entweder als kryptische, aber zutiefst intellektuell motivierte, Dekonstruktion männerbündischer Gesellschaftssysteme dechiffriert oder als kluge und ästhetische Kritik an der Oberflächlichkeit der modernen westlichen Welt und deren Umgang mit ihren Symbolen. Baudrillard lässt grüßen!
Allerdings müssen Sie auch immer wieder mit KritikerInnen rechnen, die in diesem ganzen Tun und Treiben eine ekelhafte und überhaupt nicht tolerierbare Ästhetisierung menschenverachtender Ideologien und Symboliken sehen und ihnen deswegen am liebsten sofort den Mund zunähen lassen würden. Und in der Tat, bei einigen Akteuren der Neofolk- Szene wäre es in der Tat besser, wenn sie bis zum Ende ihres Lebens den Mund halten würden und statt Musik lieber Bratwürstchen verkaufen würden. Das Selbe gilt aber auch für diverse Aktivistinnen und Aktivisten, die nach zwei Semestern Politikwissenschaften oder Soziologie, der „Analyse“ von drei Death In June und Sol Invictus Youtube-Clips und der Lektüre von ein paar positiven Blaue Narzisse Rezensionen, glauben, dass es sich bei Neofolk- Fans grundsätzlich um eine gefährliche rechtsradikale Untergrundstörmung handelt, denen der Unmut auch gerne unter zur Hilfenahme von Pflastersteinen mitgeteilt werden darf.
Nicht zu vergessen sind die, sich immer wieder zu Wort meldenden, „szeneinternen“ Querulanten. Im Besonderen solche, die auf die, immer subtil mitschwingenden, Elemente der Homoerotik des Männderbündischen so gar nicht klarkommen4. Eben dieser Personenkreis sieht aber selbst in Death In June Songtitel, wie „Gods Golden Sperm“, „Black Whole Of Love“ oder dem Cover der „Rose Clouds Of Holocaust“, keine Anleihen an Momente der Homosexualität und ach ja, irgendwie ist denen sowieso nicht mehr zu helfen.

Und doch gibt es in diesem Moloch an Veröffentlichungen der letzten Jahre immer wieder Produktionen, bei denen es sich durchaus lohnt, ihnen Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Eines dieser Projekte ist MARS, ein Projekt von Oliver F. und Marcus S..
Während Oliver F. in dieser Formation eher die Position des Unbekannten einnimmt, ist es Marcus S., der durch diverse andere Projekte immer wieder qualitativ überzeugen konnte. In seinem Schaffen widmete er sich immer wieder den verschiedensten Stilen und Richtungen. :Golgatha: und das ambient- elektro Projekt VORTEX5 legen hiervon eindrucksvoll Zeugnis ab6.

So sehr diese Referenzen die Vorfreude schüren, so sehr lässt die NON-POP Rezension von Richard K.7 bereits in ihrem Einleitungssatz das Schlimmste erahnen:

Band- und Albumtitel geben sich männerbündisch, dazu lässt man sich lyrisch von MISHIMA, HEIDEGGER und KIPLING inspirieren: Erraten, beim Debütanten MARS handelt es sich um eine Neofolkband.“

Und obwohl wahrscheinlich allein das Wort männerbündisch und die Auflistung der Namen Heidegger und Mishima in einem Satz für viele eher Kaufgrund, denn Kritik am Werk darstellen, so hat mich dieser Satz doch mit leichten Bauchschmerzen in meinen ersten Hörgang des Debütwerkes „Sons Of Cain“ entlassen. Wenn aber eins nach dem ersten Hören konstatiert werden muss, dann das:

MARS sind vieles! Eines aber nicht: Eine typische Neofolk-Band!



Natürlich finden sich auch bei MARS Elemente, die durchaus mit dem Begriff männerbündisch Beschreibung erfahren können. Das ist durchaus korrekt. Allerdings sind diese Bezugspunkte, Richard K. suggeriert dies mit seinem Satz dezent, bei MARS nicht selbstzweckhaft und sinnentleert, geschweige denn schreiten sie auf längst ausgetretenen Pfaden. Interessant ist dies vor allem, weil MARS vollständig auf Bezugspunkte zu einer faschistischen Ästhetik oder anderen männerbündischen Organisationen der Jahre 1900-1933 verzichten und männerbündische Elemente in den Texten immer dominierend den Stellenwert einer extrem destruktiven Kraft gesellschaftlicher Formationsprozesse einnehmen. Ein Moment, der zwar, durch seinen männlichen Akt der Kraft, weiß zu gestalten, die Personen allerdings ihrem Status als Individuum enthebt und somit in ihrer Existenz nihiliert. Der Akt dieses männerbündischen ist somit immer ein ambivalenter Akt, der zwar durch seine Dominanz zu schaffen und formen vermag, zugleich aber, anders als der weibliche Akt der Schöpfung,immer auch zerstört. Die Songs „MAN'S CREATION“ und „Sons Of Cain“ sind hierfür Paradebeispiele.
Was somit auf den ersten Blick als Element einer chauvinistischen Inszenierungsstrategie erscheint, ist letztendlich vielmehr, humanistisch motivierte Anklage an eine Gesellschaft, in der der Mann durch die Bezugnahme auf diese Kräfte „gestaltet“.

Beachtenswert ist auch, dass MARS, anders als viele Projekte des Apocalyptic-Folk/ Neofolk in ihren Songs eine enorm emanzipatorische Kraft entfalten. Im direkten Kontrast zu Projekten wie VON THRONSTAHL, STRYDWOLF oder auch DARKWOOD, verlieren sich MARS nicht in einer unspezifischen und zum Teil regressiven Kritik an der Moderne, der dann zumeist ein religiös-motiviertes Konzept inhaltsloser archaischer Naturromantik oder ekelhaft totalitärer Allmachtsphantasien entgegengesetzt werden. MARS vollzieht seine Gedanken und Analysen nicht auf der Ebene einer oberflächlichen und dialektisch motivierten Analyse eines westlich determinierten Bildes der Moderne, sondern versucht grundsätzliche, gar philosophische, Aussagen über das Wesen des Menschen zu treffen, ohne dabei aber zu vergessen, dass dieser Mensch, der Gegenstand ihrer Auseinandersetzungen bildet, immer auch ein Gesellschaftswesen ist und das eben diese Gesellschaft, in der das Individuum verortet wird, immer zutiefst geprägt ist von Strukturen und Prozessen, die, entweder positiv oder negativ konnotiert, unter dem Begriff Moderne gefasst werden. Prozesse der kapitalistischen Produktion, der Globalisierung, aber auch politische Organisationsformen wie Demokratie sind hier als Schlagworte zu nennen.
MARS entfalten in Songs, wie „A THIN RED LINE“, gesellschaftspolitische Analysen und Statements, wie sie zuletzt in den 1980er Jahren zu hören waren und die Liedern, wie JOY DIVISIONS „They Walked In Line“ und Death In Junes grandiosen „All Alone In Her Nirvana“ inhaltlich extrem nahe stehen.
Zeilen wie

Human beware
Of the thin red line

There is a thin red line
Between friend and foe
Between life and death
Between sun and earth

There is a thin red line
Between sense and mind
Between war and peace
Between man and woman“


formulieren in ihrer Prägnanz mannigfaltige Diskurse, die Gesellschaften immer zutiefst geprägt, aber auch gespalten haben. Mechanismen der Inklusion und Exklusion („between friend and foe“), dem Umgang mit Leben und Tod und die Bearbeitung dieser Thematiken und ihre Überführung in Herrschaftsverhältnisse, wie die Religion eines manifestiert („between life and death. Between sun and earth“). Das große Dilemma der Rationalität und somit zugleich auch der Moderne selbst („between sense and mind) und letztendlich Genderdiskurse („between man and woman“).

Es ist, alles in allem, mehr als erfreulich, dass die Band diesen kritischen Impetus so dezidiert nach außen trägt und somit letztendlich beweist, dass Apocalyptic- Folk durchaus eine künstlerisch determinierte revolutionäre Kraft entfalten und manifestieren kann und somit durchaus mehr ist, als eine schwärmerische Auseinandersetzung mit Motiven, die der Gang der Zeit längst verschluckt und zum Teil, Gott sei Dank, verdaut hat und die dergestalt so niemals Wiederbelebung erfahren sollten.
Neben diesen textlichen Besonderheiten weiß das Projekt aber auch auf der musikalischen Seite vielfach sehr stark zu überzeugen. Selbstverständlich, „Sons Of Cain“ ist ein Debütalbum und hat als solches auch einige typische Schwächen. So wissen einige Songs, wie „The Hand That Loves“ nicht so ganz zu überzeugen und auch merkt man Oliver und Marcus zum Teil eine gewisse Unsicherheit im Zusammenspiel an. Gerade Olivers sehr schöner Gesang geht auf dem Album leider manchmal etwas unter. Ein Umstand, der umso mehr in Anbetracht der Live- Performances von MARS überrascht, denn hier ist von all diesen Aspekt nichts mehr wahrzunehmen. Hierzu aber später mehr.
Abgesehen von diesen kleinen und immer sehr dezenten Problemen überzeugt das Album aber auf ganzer Linie und hinterlässt in seiner Gesamtheit einen mehr als starken Eindruck. Gerade das Gitarrenspiel von Oliver besitzt eine, für Apocalyptic- Folk höchst ungewöhnliche, unbeschreibliche Eigendynamik und weiß sowohl in ruhigen Stücken, wie „Winter“, als auch in kraftvollen Nummern, wie „Spirit's Glance“ zu fesseln. Wünschenswert für kommende Veröffentlichungen wäre aber der konsequente Mut, nicht nur inhaltlich, sondern auch musikalisch neue und avantgardistische Pfade zu verfolgen. Songs wie „Winter“ zeigen hierbei schon im Debüt das Gespür der Gruppe für den Einsatz rein elektronischer Klänge. Ein Pfad der definitiv weiterverfolgt werden sollte! Auch musste ich beim hören einiger Songs, allen voran dem träumerischen „Memories“, immer wieder daran denken, wie sehr doch eine verzerrte Trompete das Klangbild verfeinern würde.

Das MARS dieses Potential zur Evoluation definitiv besitzen, beweisen sie live. Wirken die, auf der CD konservierten, Stücke doch teilweise, folktypisch, etwas träge und langsam, so entfalten MARS auf der Bühne eine Live-Präsenz, die nicht erahnen lässt, dass die beiden erst seit wenigen Monaten miteinander musizieren. Von den leichten Unsicherheiten im Zusammenspiel, die die CD noch teils war beim Konzert in Mainz rein gar nichts mehr zu spüren. Auch Olivers Gesang, den ich im vorherigen Absatz leicht angriff, ist Live eine Klasse für sich. Gerade im Zusammenspiel mit der Stimme von Marcus S. der auf der Bühne stimmlich stark an den frühen David Tibet erinnert, wenn auch mit wesentlich mehr Gespür für Harmonien und Songstrukturen. Es bleibt zu hoffen, dass diese kraftvolle Mischung der beiden Akteure noch stärker als auf dem Erstling seinen Platz auf einer möglichen zweiten Veröffentlichung findet.

So sehr all diese Punkte als Kritik gelesen werden können8, so sehr macht gerade dieser enorme Spielraum zur Weiterentwicklung und die bisherigen Ergebnisse MARS zu dem, was sie derzeitig sind: Eines der interessantesten und innovativsten Projekte aus dem Bereich des Apocalyptic-Folk und somit, neben Bands wie OTWATM und den Projekten rund um Tony Wakeford, zu einem der wenigen Gründen das Genre des Apocalyptic-Folk nicht für Tod zu erklären.

MARS haben es mit ihrem ersten Werk nicht nur musikalische, sondern gerade auch inhaltlich geschafft zu überzeugen und zu begeistern.
Die starke Beschäftigung mit immer wiederkehrenden Symbolen, Inhalten und Tabus im Apocalyptic-Folk/ Neofolk hat diesem Genre zwar viel Aufmerksamkeit9 zukommen lassen und hat zum Teil auch für einige erstklassige Veröffentlichungen gesorgt. Die Überstrapazierung eben dieser Bilder hat letztendlich das Genre aber auch konsequent abgetötet10. Nicht nur musikalisch, sondern gerade auch inhaltlich. Das Abbilden eines Hakenkreuzes und das Sampeln von Oswald Spengler formen allein kein überzeugendes künstlerisches Artefakt und provozieren letztendlich nur noch Antifaaktivisten, die, ganz im Sinne von Büsser und Co., in den Diskursen der 1990er Jahren hängen geblieben sind. Wem das genügt, okay. Allen anderen sei ein Blick auf MARS dringend nahegelegt.
Es kann an dieser Stelle nur noch der Wunsch an MARS gerichtet werden, die begonnen Pfade und mögliche neue weiterhin so zu beschreiten, wie auf dem Erstling „Sons Of Cain“!


Weitere Informationen zu MARS und Hörproben unter:

Der Artikel kann als pdf. kostenlos hier runtergeladen werden:


1Je nachdem, wie stark man den gesellschaftskritischen Impetus von aktuellen popkulturellen Manifestationen, wie Lady Gaga oder auch zum Beispiel der US-Fernsehserie „The Wire“, betonen möchte.
2Letztendlich ist wahrscheinlich auch dieser, zum Teil sehr heikle, Umgang und Einsatz der verschiedenen Symboliken und die daraus resultierende Aura von Genozid und Misanthropie einen der Hauptgründe für das konsequente Interesse an den Projekten. Letzten Endes formt, gerade in Europa, eine, wenn zum Teil auch vorgebliche, positive Affirmation auf exterminatorische Momente in den verschiedenen Gesellschaften und die Billigung von Mord und Totschlag immer noch einen extremen Tabubruch ab.
3In der Tat halte ich eine Trennung zwischen Apocalyptic Folk und Neofolk für sinnvoll. Neofolk ist für mich vielmehr ein deutscher Hybrid, entstanden aus der Weiterentwicklung des Apocalyptic-Folk, also dessen, was Bands wie Death In June, Sol Invictus, Current 93 usw. in England erschaffen haben. Diese Weiterentwicklung vollzog sich hierbei unter Bezugnahme auf typische Momente des Deutschtums, wie Sprache, deutsche Volksmusik und andere spezifische kulturelle Momente, zum Beispiel der starke Bezug auf die deutsche Romantik oder andere typische Bewegungen, wie die des Wandervogel. Diese deutschen Bearbeitung, zum Beispiel von Forseti, Sonne Hagal oder Hekate, wurden dann wiederum international rezipiert und kopiert. Strydwolf, Solblot usw. sind hierfür gute Beispiele. Für die Gedanken in dieser Schrift ist diese Trennung aber nur von untergeordneter Bedeutung.
4Und leider vielfach einen extrem positiven Bezug zu den konservativen Momenten der Kulturkritik und ihrer Denker aufweisen.
8Und ich möchte hier ausdrücklich betonen: Es handelt sich hier, umgangssprachlich, um „meckern auf hohem Niveau“.
9Wenn auch nicht immer positive.
10Gerade die zunehmende Kommerzialisierung und der eigene ideologische Ausverkauf mancher Bands ist hierbei als sehr kritischer Moment zu definieren.