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“We
live as we dream - alone. While the dream disappears, the life
continues painfully.”
-Joseph
Conrad: Heart Of Darkness-
Es
mögen sich die Nachrichten häufen, dass der Islamische Staat (IS)
in den letzten Wochen und Monaten so manche Bastion seiner Herrschaft
verloren hat, doch auch wenn seine Herrschaft in absehbarer Zeit
einmal gebrochen werden sollte, so ist ihm doch etwas gelungen, dass
seine reale Existenz um Jahre überdauern wird: Die Erschaffung
kultureller Artefakte, die sich tief in das Gedächtnis der
westlichen Welt eingebrannt haben. Vermummte, in schwarz gekleidete
und bis an die Zähne bewaffnete Männer, die ihre Opfer, einem
Ritual, dessen Sinn wir nicht zu kennen scheinen, folgend,
enthaupten, steinigen, verbrennen und andersartig töten. Menschen,
die antike Städte und deren kulturelle Güter blindlings zerstören
und dem Staub der Wüste gleichmachen. Es mögen die Waffen einst
schweigen, die Bilder werden die Gewalt und all die vergangenen und
noch kommenden Herrschaften überdauern. Denn sie haben ein
immerwährendes, da niemals löschbares, ästhetisches Reich des
audiovisuellen Terrors erschaffen.
Pop-Dschihad,
Gewalt und die Topologie der Narrative
Es
wurde viel über die Videos, die dem Islamischen Staat zugeschrieben
werden, berichtet und analysiert. „Pop-Dschihad“ war und ist
eines der großen Stichwörter.
Andere
wiederum analysierten die Snuff-Videos in einem Akt der
Detailversessenheit und kamen zu Ergebnissen, wie dem, dass die
Rezeption dieser Videos nur deswegen auf solch breiter Basis erfolgt,
da die Videos sich per se genuinen Mustern westlicher Narration und
Bildästhetik bedienten; bis hin zu den Enthauptungen, die, anders
als in den Videos anderer terroristischer Organisationen, niemals als
Ganzes gezeigt würden und deswegen die Rezeption erst ermöglichen
würde, da sich das wirklich brutale im Kopf der RezipientInnen
abspielen würde. Filme wie „The Silent Of The
Lambs“ und „Seven“ lassen grüßen. Die Fiktion wird zur
bluttriefenden Realität, die sich wiederum im fiktionalisierten
Gewand kleidet.
Gemein
ist diesen Darstellungen und Einschätzungen, dass sie alle richtig
sind, zugleich aber auch falsch, da sie sich alle grundsätzlich von
den Signifikanten des Spektakels täuschen lassen und so den wahren
Kern der Videos nicht zu fassen vermögen.
Die
vom IS erstellten und in das globale Kommunikationsnetz eingespeisten
Videos als eine Art Genre unter dem Begriff „Pop Dschihadismus“
zu fassen ist hierbei wohl die erste große Missinterpretation.
Selbstredend sind die, vom IS erschaffenen, Videos kulturelle
Artefakte und durch die breite Rezeption und ihre omnipräsente
Verfügbarkeit im weltweiten Datenstrom sind sie, ohne Zweifel, zum
Teil populärer Kultur geworden. Wohl kaum ein Mensch in der
westlichen Hemisphäre hat nicht den blutigen Kopf eines der Opfer
gesehen oder eines der Bilder, das die Ausführenden irgendwann ins
Internet gestellt haben. So, wie die Bilder des 11. September, so
sind auch die Bilder des IS Ikonen und als Ikonen sind sie in unsrer
Bilderwelt omnipräsent.
Jedoch
ist das Wesen der Videos selbst eher dialektisch. So betreiben sie
zum einen eine markante und beeindruckende Mimesis der Topologie
westlicher Popkultur. Zum anderen aber verfügen die Videos stets
auch über eine Unzahl an Symbolen und Signifikanten, die dezidiert
nicht einem westlichen Kulturkreis zuzuordnen sind und demgemäß von
westlichen RezipientInnen zwar oberflächliche Zuordnung erfahren
können (Schriftzeichen, Gesänge, Sprache usw.), zumeist aber nicht
vollends entziffert werden können. Wer weiß, was die arabischen
Schriftzeichen aussagen, was die gesangs-ähnlichen Passagen zum
Inhalt haben oder was genau die Stirnbanner der KämpferInnen für
Inschriften tragen?
So
sehr diese Details das Gesamtbild bestimmen, sosehr sind sie vielfach
eben nicht Fokus der Narration. Geschweige denn braucht es ein
basales Verständnis dieser, denn vielmehr ist der Akt der
Zerstörung, sei dieser nun gegen menschliches Leben oder kulturelle
Objekte gerichtet, Nukleus der Narration. Er ist Zentrum, Ausgangs-
und Endpunkt. Ein endloser, da symbolischer, Zyklus des Leidens und
der Vernichtung.
Wichtig
erscheint hierbei zuerst folgende Differenzierung zwischen dem bloßen
Akt der Gewalt, wie ihn zum Beispiel eine Straßenschlägerei
darstellen kann, und dem, was hier unter dem Topus des
„terroristischen Akts“ verhandelt werden soll. Es ist dem
terroristischen Akt, wohl als einzigem Akt der Gewalt, zu eigen, dass
er seine mögliche Rezeption vorab plant und als integralen
Bestandteil seines Prozesses begreift. Der terroristische Akt ist
immer ein pervertierter Schöpfungsakt, der aus der Destruktion
seines Handelns neue Bilder erschafft. Der Akt der Gewalt muss
rezeptionsfähige Bilder gebären, die das erschaffene Leid aus der
Dimension des Individuellen herauslösen und sie in das symbolische
Sein überführen.
So,
wie das weiße Blatt den Autor in einen Modus der totalen Offenbarung
zwingt, so sehr zwingt der Akt der Gewalttat die TäterInnen1
in den Akt der symbolischen Determination. So, wie ihr Handeln den
Akt gebiert, so reproduziert der Akt ihr Sein und ihre Ideale selbst.
Gemein
ist hierbei all diesen Akten terroristischer Gewalt, dass sie in
ihrer medialen Inszenierung zu einem performativen Akt geformt
werden, indem die blanke Gewalt mit Signifikanten versehen wird, um
sie dergestalt topologisch zu ordnen und ideologisch zu kodifizieren.
1Hierzu
zählen deswegen gerade auch jene, die den Akt medial inszenieren
und nicht allein die, die den Akt der Gewalt begehen.
Entgrenzung
und mediale Imagination
Gemeinsam
ist den Akten vorrangig ihr Moment der Entgrenzung, wobei Entgrenzung
hierbei im Sinne einer negativen Transgression, einer gezielten
Überschreitung der westlich hegemonialen Konventionen, zu begreifen
ist. Terror ist aber nicht nur allein diese Form der
Grenzüberschreitung der Konvention der Heiligkeit der Körper, sei
es in Form von schweren Akten der Gewalt, bis hin zu extrem
detaillierten Tötungen, sondern gerade deren öffentliche
Präsentation und die, von den TäterInnen gezielt bearbeitete,
Einspeisung der Narration in das weltweite Datennetz.
Nicht
der Terror, in Form der Gewalt gegen die Körper, bildet hierbei den
Nukleus dessen, was wir als entgrenzt erfahren, denn vielmehr dessen
vulgäre Zurschaustellung im kulturellen Artefakte. Die
Ästhetisierung des Leids und dessen symbolische Prostitution, die
den Akt in die Sphäre der endlosen Wiederholbarkeit erhebt. In der
Realität kann der Mensch nur einmal sterben, in der Narration
endlos. Das Leiden und die symbolische Kodierung dieses Leidens
werden somit immer wieder reproduzierbar. Jederzeit an jedem Ort der
Welt. Kostenlos.
Das
Artefakt verwischt hierbei bewusst, in seinem Sein, die Grenzen
zwischen objektiviertem Sein und einer, scheinbar prozesshaften,
Ästhetik des Performativen. Das Artefakt verweist in seinen
Signifikanten immer darauf, Teil einer größeren Gesamtheit zu sein,
ebenso wie in der größeren Gesamtheit jedes einzelne Teil drauf
verweist, dass es einen jeden kleineren Teil als Teil seiner Selbst
begreift. So, wie der Akt, den die Videos in ihren Narrationen
darstellen, nicht ohne die reale Existenz des Islamischen Staats zu
denken ist, so ist der Islamische Staat nicht in seinem Wesen denkbar
ohne die gezeigten Gräuel.
Dergestalt
vernichten die kulturellen Artefakte die Grenze zwischen medialer
Imagination und realem Sein: Die kathartische Hypothese, die davon
ausgeht, dass in den medialen Imagenationen Prozesse stellvertretend
ausgelebt werden können, wird hierbei zur konkreten Androhung des
Subjekts.
Die
Entgrenzung der Gewalt vollzieht sich nicht nur in seiner vulgären
Exploitation gegen die Objekte seines Prozesses selbst, sprich die zu
marternden Menschen; vielmehr verfolgt die Narration als Ziel eine
Drohung auszuformulieren, die die Entgrenzung zwischen medialer
Narration und objektivem Sein des rezipierenden Objekts fokussiert:
Auch du könntest getötet werden!
Die
scheinbare Angst-Lust in der Rezeption von Videos, wie sie nicht
allein der IS verbreitet, ist deswegen keineswegs als sinnlich
motivierte Lust an den Bildern allein, die abseits jeglicher
Vorstellung ihr Sein zu vollziehen scheinen, zu begreifen, denn
vielmehr als Lust an der explizit implizierten Bedrohung des Subjekts
selber. Die Rezeption wird hierbei zum masochistischen Prozess der
eigenen Objektivierung im Rahmen der entgrenzten Ästhetik der
Narration. Auch deswegen gemahnen die Videos so sehr an unsere
populäre Kultur, da sie in ihrem Sein und ihrer Rezeption so sehr an
das erinnern, was Marcus Stiglegger in seinem Essay „Terrorkino“
beschreibt. Stigleggers Seduktions-Theorie, die Film und dessen
Artefakte immer als einen Akt der Verführung des Rezipienten
begreift, lässt sich wohl an keinem medialen Objekt klarer
verdeutlichen, als an den Videos des IS.
Die
symbolische Ordnung des Schlachtens
Es ist
jedoch grundlegend falsch, die kulturellen Artefakte und ihre
Narrative allein und einzig auf ihren Höhepunkt, nämlich den Akt
der entgrenzten Gewalt, zu reduzieren.
Es
gilt sich hierbei bewusst zu werden, dass Medien und populäre Kultur
als Speicher, Reservoir und Verhandlungsort von Konzepten dienen,
wobei Konzepte hier im Sinne von Konstruktionen gefasst werden
müssen, deren Sinn und Gehalt gesamtgesellschaftlich diskursiv
hergestellt wird.
Die
Videos des IS nutzen diesen global zugänglichen Diskursraum, indem
sie ihre Philosophie in Form von Artefakten einspeisen, die wiederum
popkulturelle Montagen darstellen. Der globale Akt des Terrorismus
ist deswegen zuerst und primär immer ein medialer Akt. Die
Bereitstellung der eigenen Narration und die Eröffnung der Option,
überall auf der Welt diese Narrative unzensiert und ohne
Zugangsbeschränkungen zu verbreiten.
Die
TäterInnen affirmieren hierbei die Bilder unmittelbar, da sie direkt
im Modus visueller Bildkulturen operieren. Dies bedeutet wiederum
aber auch, dass die audiovisuellen Narrationen des IS eine
spezifische topologische Ordnung zu entfalten vermögen.
Selbstverständlich im Rahmen der spezifischen Logik der Bilder, wie
sie Mersch am treffendsten in seinem Artikel „Die Logiker der
Bilder“ darlegt. Allen voran die Nicht-Negativität der Bilder, was
nichts anderes heißen soll, als dass Bilder nicht direkt in der Lage
sind zu negieren, da sie das zu Verneinende immer zeigen müssen. Die
Negation muss also über die Narration erfolgen. Beim IS vollzieht
sich diese Negation des Gezeigten immer in der Destruktion des
physikalischen und symbolischen Körpers.
Auffällig
bei fast allen Videos, die dem IS zugeschrieben werden, ist die
formal strenge Ordnung. Sowohl ästhetisch, als auch im Narrativen.
Die Narration dient nur der groben Rahmung des eigentlichen Akts der
Gewalt, der Höhepunkt und Ausgangspunkt zugleich darstellt. Oftmals
wird das Geschehen audiovisuell von melodiös anmutenden „Gesängen“
und andersartigen Symbolen gerahmt und begleitet. Bedeutet jedoch,
dass es keinerlei Verständnis um und für diese verschiedenartigen
Symbole bedarf, da der Akt der Gewalt und die, mit ihm einhergehende,
Zerstörung als universell verständliches Symbol funktionieren. Im
Fokus der Narration stehen immer zwei Figuren(gruppen) und ihre
Beziehung zueinander. Der/Die, die Gewalt Ausführende und das Opfer.
Beide durch ihre Darstellung, allen voran die Kleidung, ihrer
Individualität entrissen und zu Ikonen transformiert. Auf der einen
Seite die, in einen farblichen Overall gewandeten, Opfer, oft mit
verbundenen Augen, auf der anderen Seite die, in schwarz gekleidet,
maskiert und bewaffnet, Ausführenden.
Der
Tod des Opfers nimmt in diesem Ritual die Gestalt einer
mathematischen Lösung an. Selbst der Tod des Opfers verliert dabei
seine Individualität und wird zu einem Moment der topologischen
Ordnung. Er erscheint unabdingbar, durch nichts auf der Welt zu
verhindern. Er ist logische Konsequenz, Vorhersehung und Schicksal
zugleich. Wo die Folter, Jean Amery folgend, immer eine Anerkennung
des Anderen, im politischen Sinne implementiert, da negiert der
Islamische Staat diese Anerkennung seiner Opfer. Die Opfer sind keine
Menschen, sie sind Symbole und als Symbole finden sie Vernichtung.
Der
Wille zur totalen Vernichtung des Abstrakten
Carl
Schmitt folgend, geht mit dem Willen der totalen physischen
Vernichtung der Zwang zur vollständigen moralischen Vernichtung
einher. Das Opfer muss nicht als Mensch den Tod erfahren, denn
vielmehr als Symbol für die totale moralische Vernichtung dienen,
die das Video als Artefakt in den medialen Kurs einspeisen kann. Die
Imagination der Anderen muss hierbei zwangsläufig dergestalt kodiert
werden, dass die Anderen in ihrer Gesamtheit als VerbrecherInnen und
Unmenschen deklariert und deklassiert werden. Auch so und gerade so
können die eigenen Exzesse und die eigene Entgrenzung Rechtfertigung
und Absolution erfahren. Es ist dies der Grund, warum in den Videos
so konsequent von der Gruppe der Ungläubigen fantasiert wird.
Der
vom IS ausformulierte Islamismus ist in diesem Sinne eine absolute
Feindschaft, die letztendlich der abstrakten und totalen Vernichtung
von Ideen trachtet und weniger der Vernichtung eines konkret
materiellen Feindes.
Die
mediale Narration generiert dergestalt eine Ordnung, die die
religiösen Fragmente nur indirekt zur Rechtfertigung des eigenen
Handelns anführt, denn vielmehr zur Argumentation und Konstruktion
einer absoluten Feindschaft dient.
Das
diese absolute Feindschaft in der exzessiven und drastisch
bebilderten Schlachtung der Körper ihre ästhetische Form findet,
ist dergestalt logisch, ist doch die Verletzung Heiligkeit der
Körper, deren Unversehrtheit und die, an den Körper gekoppelte,
Individualität der Existenz eines jeden Menschen eines der großen
Tabus westlicher Gesellschaft.
Eben
deswegen müssen die Videos, die die Tötung von Menschen und die,
die die Zerstörung von kulturellen Artefakten, in Form konkret
physischer Objekte, wie zum Beispiel die Stadt al-Hadra, oder andere
Stätten, als eine Einheit definiert werden. Es ist erklärtes Ziel
beider nicht den Menschen als Subjekt und Individuum zu eliminieren,
denn die übergeordnete Ordnung, als dessen Symbole und
RepräsentantInnen die Körper und Objekte symbolisch dienen.
Der
Partisan und die Ordnung des Raumes
Es
vermag deswegen auch nicht weiter zu verwundern, dass einer Figur in
den Videos immer eine zentrale Position zukommt: Dem maskierten
Ausführenden. Nicht nur ist er/sie direkt Subjekt des Handelns,
sondern vielmehr ästhetisierte Ikone. Durch Gewandung seiner/ihrer
Individualität entrissen und durch das schwarz auf nichts weiter als
auf die Waffe und andere, weniger scheinbare und religiös
konnotierte Symbole, wie Stirnband und Co., reduziert, verweist
er/sie darauf, dass er seine Identität und Individualität
aufgegeben hat, um Teil des Kollektivs zu werden, dass uns optisch
durch gleichgeartete Symbole präsentiert wird. So, wie die Videos in
makrokosmischer Dimension darauf verweisen, dass sie Teil einer
größeren ideologischen Ordnung sind, so verweist der Ausführende,
als Symbol, darauf, dass er Teil einer symbolischen Ordnung ist und
nicht deren herausragender Repräsentant. Die Ausführenden sind
keine RevolutionärInnen. Keine Ernesto Guevaras und keine Maos. Sie
sind Partisanen. Arbeiter, im Sinne Ernst Jüngers, für eine zu
erschaffende Ordnung und Industriepartisanen im Sinne von Carl
Schmitt. Sie sind Kodizies für die Wiederkehr des konkret
Politischen. Sie definieren, strukturieren und hierarchisieren durch
ihr konkretes Handeln einen realen und einen medial-virtuellen Raum
zugleich. Vorwiegend dadurch, dass sie in diesen Räumen sowohl real,
als auch virtuell, die Symbole eliminieren, die für eine abstrakte
Ordnung des Raums durch Ideale stehen, die ihren eigenen Idealen
widersprechen.
Obwohl
dieser Raum nicht identisch mit Ordnungen, wie der Nation, dem
Stammesgebiet, der Region, oder der abstrakten überregionalen
politischen Vereinigung ist, so entfaltet er doch seine Logik, deren
Spezifika am ehesten mit Carl Schmitts Idee von der Einheit von
Ordnung und Ortung zu greifen sind. Die Videos sind gerade deswegen
immer in einem klar sichtbaren und grob geographisch verortbaren
Setting arrangiert, weil sie dergestalt so an einen konkreten
geographischen Ort gemahnen: Das Territorium des Islamischen Staats.
Im
Gegensatz zu anderen Regimen, die ihre Taten der entgrenzten Gewalt
oftmals in Gebieten vollzogen, die nicht mehr direkt, oder nur
peripher, dem Gebiet ihrer Hoheit zugeschrieben werden konnten, so
vollzieht der Islamische Staat seine Taten im Herzen seines
Hoheitsgebiets. Die gewalttätige Entgrenzung gegen die imaginierte
Masse der Anderen wird dergestalt zum integralen Bestandteil der
eigenen Ordnung und verweist so auch auf eine Einheit von Ortung und
Ordnung. Nur im beherrschten und eigenhändig geordneten Bereich
können die Anderen endgültig Vernichtung erfahren. Der Partisan ist
VollstreckerIn dieser Einheit von Ortung und Ordnung und zugleich in
seiner, scheinbar massenhaften Existenz, deren AnhängerIn,
RepräsentantIn und GönnerIn. Die perverse Blume, verwurzelt in der
Ästhetik des Terrors.
Er ist
symbolische Ikone, als auch konkreter Exekutor zugleich! Sein
Individuum und das, an den Individuen verursachte, Leid ist
dergestalt immer nur Teil im Prozess einer Ästhetik des
Performativen, deren Ziel die reale, als auch multimediale,
topologische Neuordnung und ideologische Hierarchisierung des
symbolischen Diskursraums ist.
Vulgäre
Anerkennung
Nach
Max Weber bedarf die Anerkennung einer existierenden Ordnung immer
die Anerkennung der Ordnung derjenigen, an die sie sich richtet. Die
Anerkennung des Islamischen Staats vollzieht sich hierbei in einem
dualistischen Prozess, dessen Bezug durchaus als dialektisch
beschrieben werden kann: Auf der einen Seite dieses Prozesses finden
sich die direkt Regierten, die einem konkreten geographischen Zugriff
unterliegen. Auf der anderen Seite diejenigen, deren Anerkennung
abstrakt, in Bezug auf die Anerkennung der ausformulierten Ideologie
und Topologie, zu erfolgen hat.
Die
produzierten kulturellen Artefakte fordern dergestalt in einer
primitiv vulgären Form immer auch die Anerkennung der Anderen, denen
in den Artefakten immer die Vernichtung angedroht wird.
Der
Wunsch und die Forderung nach Anerkennung ist deswegen immer eine des
sich stärker Generierenden, der die Hierarchie und Ordnung über die
bloße Fähigkeit zur steten und immer wiederkehrenden Fähigkeit der
Entgrenzung des eigenen Seins organisiert.
Gerade
deswegen lässt sich der Islamische Staat auch in realer Konsequenz
nicht nur rein argumentativ bekämpfen, sondern muss immer
zwangsläufig militärisch im konkret realen Raum konfrontiert
werden.
So,
wie die Videos über ihre Entgrenzung eine Topologie des Terrors
ausformulieren und ästhetisieren, deren Ziel die Hierarchisierung
der Anderen, über die stete Drohung der Vernichtung ist, so sehr
muss sich bewusst gemacht werden, dass diese kulturellen Artefakte
immer auf ein reales Sein Bezug nehmen. Ein Sein, indem diese Ordnung
der Entgrenzung eine geographische Ortung strukturiert und
beherrscht. Die Opfer sind Symbole, jedoch immer auch Menschen, die
dem Willen zur totalen Vernichtung anheimgefallen sind. Ein Toter mag
eine gewisse ästhetische und symbolische Topologie be- und
ergründen, am Ende bleibt er/sie aber ein Individuum, dass auf
grausame Weise dem Leben entrissen wurde. Die topologische Ordnung
der Ästhetik des Terrors formt die Leidenden und ihre Pein zu
Symbolen, um sie als Argumente in den globalen Diskursraum
einzuspeisen. Eine Analyse, wie die hier vorliegende, kann dies
analysieren. Es obliegt aber uns allen stets daran zu denken und zu
gemahnen, dass eben diese Individuen mehr sind als bloße Symbole.
Sie sind Menschen. Eine Ästhetik des Terrors kann nicht mit einer
„Ästhetik der Menschlichkeit“ entgegengewirkt werden, da es
diese Ästhetik nicht geben kann. Menschlichkeit ist konkret, da sie
konkrete Subjekte kennt. Der Terror kennt diese Subjekte nicht. Er
kann und will sie nicht kennen.
Eine
Analyse der Videos allein wird und kann diese topologische Ordnung
nur analysieren, nicht aber ändern. Dies kann nur die konsequente
und letztendlich auch bewaffnete Konfrontation. Es ist eben dies das
große Paradox, dass der entgrenzten Gewalt mit Gewalt begegnet
werden muss. Auch und mit Unterstützung von Ländern, die ihre
eigene Ordnung auf der Begrenzung von Gewalt konstituieren. Die
Heiligkeit der Körper kann nur durch den unheiligen Akt der Opferung
dieser verteidigt werden.
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